Gedenkbuch

Watermann, Fritz

Am 16. Juli 1885 kam Fritz (eigentlich Siegfried) Watermann als Sohn von August und Minna Watermann, geborene Benjamin, zur Welt. Sein Vater betrieb eine Metzgerei in der Königstraße 21 in Bochum. Seine Spezialität waren Produkte aus Pferdefleisch.

Fritz Watermann heiratete am 11. November 1913 Erna Margarethe Krauss. Seine Frau war am 7. August 1894 in Solingen als Tochter von Philipp und Marianne Krauss, geborene Tobar, zur Welt gekommen. Am 9. April 1915 kam in Bochum ihre Tochter Irmgard zur Welt. In Bochum betrieb Fritz Watermann das Feinkostgeschäft „Watermanns Fleischhalle“ in der Pariserstraße 9. Im April 1930 übernahm er zusätzlich wieder das Restaurant in seinem Elternhaus in der Königstraße 21. Privat wohnte er in der Wilhelmstraße 5. Im März 1932 geriet er in finanzielle Schwierigkeiten, möglicherweise eine Folge der Weltwirtschaftskrise. Er versuchte einen Teil seines Elternhauses in der Königstraße 21 zu vermieten und inserierte im Bochumer Anzeiger und General-Anzeiger am 3. März 1932: „Hofraum mit Wohnung, mit kompletter Metzgerei, Wurstküche, Maschinen, Garage, Einfahrt für Würstchenstand vom 1. April zu vermieten“. Am 6. Juli 1932 kam es zur Zwangsversteigerung. Das Wohn- und Geschäftshaus hatte zu dem Zeitpunkt einen Einheitswert von 97710 Reichsmark.

Scheinbar hat Fritz Watermann das Haus später wieder erworben. Am 20. Januar 1937 kam es zu einer erneuten Zwangsversteigerung auf Anordnung des Amtsgericht in Bochum. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Fritz Watermann in Hamburg auf.
Seine Tochter Irmgard hatte mittlerweile geheiratet und lebte mit ihrem Mann Siegfried Sally Weil (1888-1942) in Karlsruhe.

Am 30. Juli 1937 zog Fritz Watermann mit seiner Frau nach Düsseldorf. Sie bezogen eine Wohnung in der Mauerstraße 18, die in der NS-Zeit in „Litzmannstraße“ umbenannt worden war. Im Zuge des Pogroms wurde seine Wohnung verwüstet und er am 10. November 1938 verhaftet und ins Düsseldorfer Polizeigefängnis gebracht. Dort verbrachte er mit anderen Verhafteten die Tage bis zum 16. November. Am nächsten Tag wurde  er mit den meisten weiteren Pogromhäftlingen in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Am 20. Dezember 1938 wurde er wieder entlassen.

Fritz Watermann schrieb über das Erlebte am 25. März 1940 in einem Brief an Jakob Sanders im Ausland: „Am 9. ten November 38 nach der radikalen Judenschlacht von Adolf habe ich die Überreste der Möbel gesammelt, und habe die Wohnung unseres Mitbewohners Kaufmann im Hause wieder gerichtet, dann kam unser Kind zu Besuch, um am 12. November 38 unsere SILBERHOCHZEIT mit zu feiern, leider musste sie in Erfahrung bringen durch das Telefon, das ihr Gatte nicht kam, sondern verhaftet war, nun meine Frau & Kind Abfahrt nach Karlsruhe. Inzwischen kam ich vom Bahnhof zurück und wollte bei einem kranken Freund aus Mizwe essen, und dort in der Wohnung wurde ich mit einem Berliner verhaftet und ins Gefängnis geworfen. (…) Nach drei Tagen ging es mit weiteren 1200 Tirolern, eine Fahrt ins Blaue? Wir kamen nach DACHAU!!!

Fritz Watermann emigrierte mit seiner Frau im September 1939 nach Belgien. Die offizielle Abmeldung in Düsseldorf erfolgte am 27. September 1939. In dem Brief an Jakob Sanders schrieb er, dass er bereits vierzehn Tage vor Ausbruch des Krieges nach Belgien geflüchtet sei. Er wohnte im März 1940 in der rue Clémentine 14 in Brüssel.

Fritz Watermann plante schon länger die Emigration in die USA. Er hatte jedoch eine hohe Wartenummer. Auch in Belgien hoffte er auf eine Einreise in die Vereinigten Staaten. In dem Brief an Jakob Sanders am 25. März 1940 schrieb er: „Wir bekommen vom Committee 65 Franc die Woche, zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig! Wir haben ein sehr nettes Zimmer mit Kochgelegenheit in sehr feinem Hauses, Centralheizung, elektr., Garten und wir hatten bis jetzt zu essen. Und so warten wir auf Amerika! Verschiedene Düsseldorfer liebe Freunde von uns sind vorige Woche ab gefahren und glücklich angekommen. Auch sie werden alles Mögliche tuen. (…)

Als Belgien am 10. Mai 1940 von der Deutschen Wehrmacht überfallen wurde, entstand für ihn und seine Frau eine völlig neue Situation. Am Tag der deutschen Invasion verhaftete die belgische Polizei ausländische und staatenlose Juden in den großen Städten Brüssel, Antwerpen, Lüttich und Charleroi. Bereits am 14. Mai 1940 wurden von den belgischen Behörden Hunderte vormals deutsche Flüchtlinge an die französische Grenze gebracht und von dort in das in Südfrankreich gelegene Internierungslager Saint Cyprien gebracht.   

Ob Fritz Watermann vom Transport des 14. Mai  betroffen war, oder erst nach der Invasion verhaftet wurde, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall wurde er im Mai im Lager Saint Cyprien zusammen mit anderen männlichen jüdischen Flüchtlingen interniert. Frauen waren zu diesem Zeitpunkt nicht verhaftet worden.
Seine Tochter Irmgard, die in Karlsruhe gelebt hatte, wurde am 22. Oktober 1940 mit ihrem Ehemann und weiteren badisch-pfälzischen Juden in das Lager Gurs in Südfrankreich deportiert und interniert.

Ende Oktober 1940 wurde das Lager Saint Cyprien aufgelöst und die Insassen in das Internierungslager Gurs überführt. Dort traf Fritz Watermann vermutlich auf seine Tochter und deren Mann.
Am 12. August 1942 wurde Fritz Watermann über das Durchgangslager Drancy in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Sein Todesdatum wird im bundesweiten Gedenkbuch der Opfer der Verfolgung der Juden mit 30. August 1942 angegeben. Im gleichen Transport befand sich auch seine Tochter Irmgard mit ihrem Ehemann. 

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf