Gedenkbuch

Waller, Julie

geb. Cohen

Julie Waller, geborene Cohen, kam am 22. August 1871 in Bocholt zur Welt. Ihre Eltern waren der Fabrikant Cosmann Cohen und Rosalie Cohen, geborene Rosenberg. Ihr Elternhaus stand in Bocholt in der Kaiserstraße 284. Sie hatte noch zwei Brüder: Emil (1875-1934) und Max (1877-1938) sowie die Schwester Ida Magnus, geborene Cohen (1866-1920).

Ihr Vater Cosmann Cohen hatte 1862 eine mechanische Weberei „Cosmann Cohen & Co“ in Bocholt gegründet, die sich sehr erfolgreich entwickelte. 1880 hatte die Firma ihres Vaters 160 Webstühle und war mit über 180 Beschäftigten der viertgrößte Betrieb in Bocholt. Ihr Vater war auch lange Jahre Vorsitzender der jüdischen Gemeinde.

Julies Bruder Emil Cohen übernahm mit einem Kompagnion 1897 den väterlichen Betrieb. Kurz darauf verstarb ihr Vater. Später stieg auch ihr jüngster Bruder Max Cohen in die Firma ein.

Am 12. Oktober 1893 heiratete Julie den Kaufmann Karl Hugo Waller in Bocholt. Ihr Ehemann stammte aus Köln und lebte zum Zeitpunkt der Hochzeit am Eigelstein 26. Julie Waller zog nach der Hochzeit zu ihrem Ehemann nach Köln. Die gemeinsame Tochter Anna kam am 13. August 1894 in Köln zur Welt. Da wohnte Julie Waller bereits in einer Wohnung am Hansaring 85.

Im Jahr 1920 wohnte Julie Waller mit ihrer Familie in Köln in der Allerheiligenstraße 5. Sie inserierte am 19. Februar 1920 in der Rheinischen Volkswacht: „Ordentliches Mädchen für kleinen, bess. Haushalt für die Zimmerarbeit gesucht, evtl. auch etwas Nähen u. Bügeln erwünscht. Frau Hugo Waller, Allerheiligenstraße 5“.

Am 29. Januar 1922 heiratete ihre Tochter Anna Waller den promovierten Rechtsanwalt Dr. Philipp Vohssen in Köln. Am 5. Februar 1924, zwei Jahre später, wurde Julies Enkel Walter geboren. Ihre Tochter und ihr Schwiegersohn lebten am Brüsseler Platz 14 in Köln. 

Seit 1927 lebte auch Julie Wallers Bruder Emil Cohen mit seiner Ehefrau Grete, geborene Pappenheim, in Köln. Deren 1899 geborene Tochter Hilde hatte 1921 den Kölner Juwelier Richard Goldschmidt geheiratet und lebte anschließend mit ihm in der Domstadt.

Am 13. März 1933 verstarb ihr Mann Karl Hugo Waller in Köln. Im Jahr 1934 verstarb auch ihr Bruder Emil Cohen in Köln. Ihre Tochter Anna Vohssen schickten Julies Enkel Walter Vohssen 1934 auf ein niederländisches Internat. Julie Waller lebte mit ihrer Tochter in Köln, während ihr Schwiegersohn zwischen Düsseldorf und Köln pendelte. Eigentlich wollte ihre Tochter auch mit ihrem Mann ins Ausland gehen, am 2. Januar 1939 zog die Gestapo ihre Reisepässe ein. Außerdem wurde ihrem Schwager nur einmal wöchentlich gestattet, seine Frau in Köln zu besuchen. Nachdem ihr Schwiegersohn einige Monate zwischen Köln und Düsseldorf gependelt war, beschlossen sie, wieder gemeinsam in Köln zu wohnen. Sie zogen am 25. August 1939 in die Domstraße 45a. Dort wohnte auch Julie Waller. 

Am 14. Oktober 1939 wurde ihr Schwiegersohn Dr. Philipp Vohssen vom jüdischen Konsulenten Kurt Frank als „juristischer Hilfsarbeiter“ in Düsseldorf angestellt. Daraufhin zog er nach Düsseldorf in die Karl Anton Straße 11. Das Haus gehörte seinem Arbeitgeber.

Später bezog das Ehepaar wieder in eine gemeinsame Wohnung in Düsseldorf. Sie waren ab dem 7. April 1941 im Haus am Wehrhahn 83 gemeldet. Julie Waller wollte vermutlich nicht allein in Köln bleiben und zog mit ihrer Tochter um nach Düsseldorf und wohnte auch bei ihnen. 

Ihre Tochter Anna und ihr Schwiegersohn Philipp Vohssen wurden am 27. Oktober 1941 von Düsseldorf in das Ghetto von Litzmannstadt/Łódź deportiert. Die räumlichen und hygienischen Zustände im Ghetto waren desaströs. Ihre Tochter Anna Vohssen verstarb am 12. Juni 1942 im Alter von 47 Jahren im Ghetto von Litzmannstadt/Łódź. Ihr Schwiegersohn Philipp Vohssen verlor vermutlich die Kraft, die unmenschlichen Lebensbedingungen des Ghettos zu ertragen. Er unternahm am 16. Juli 1942 einen Suizidversuch mit Gift. Er wurde noch von der Rettungsbereitschaft in das Krankenhaus I des Ghettos gebracht, wo er einen Tag später, am 17. Juli 1942, verstarb.

In der Zwischenzeit war Julie Waller am 7. Februar 1942 zur Sternstraße 14 gezogen. In diesem Haus wohnte seit dem 3. Januar 1942 auch Gertrud Leyser, geborene Waller, mit ihrer Familie. Möglicherweise war sie mit Julie Waller verwandt.

Am 21. Juli 1942 wurde Julie Waller von Düsseldorf ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Aus dem Ghetto Theresienstadt wurde sie am 21. September 1942 mit knapp 2000 weitere Frauen und Männern im Alter zwischen 46 und 86 Jahren mit einem Zug ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. Der Transport dauerte zwei Tage. Nach der Ankunft wurde Julie Waller ermordet. 

Autorinnen: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und Maren Marohn, Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e.V.