Gedenkbuch

Beissinger, Frieda

geb. Scharff

Am 14. Januar 1883 wurde Frieda Heilbronner als Tochter von Lazarus und Caroline (Lina) Scharff, geborene Joseph, in Speyer geboren. Ihr Vater betrieb in Speyer eine Kolonialwarengroßhandlung. Sie hatte noch eine jüngere Schwester, Emma, die 1884 zur Welt gekommen war.
Am 10. Oktober 1906 heiratete Frieda Scharff in Speyer den Zigarrenfabrikant Isidor Beissinger. Im Jahr 1908 kam ihre Tochter Else Gertrud zur Welt.

Ihre Schwester Emma heiratete am 12. August 1909 in Speyer den Kaufmann Ludwig Heilbronner und zog mit ihrem Mann nach Düsseldorf. Am 9. März 1924 wurde Friedas Nichte Liesl geboren.

Frieda Beissinger ließ sich von ihrem Ehemann Isidor Beissinger scheiden. Die Scheidung war am 31. Juli 1911 rechtskräftig. Frieda Beissinger zog zurück in den elterlichen Haushalt. Die Familie Scharff wohnte im Haus Maximilian-Straße 68 in Speyer. Dort befand sich auch das Geschäft ihres Vaters. Für das väterliche Geschäft arbeitete Frieda Beissinger als Prokuristin. Durch die Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten ging der Umsatz immer mehr zurück und 1937 verkaufte er Vater das Geschäft an einen „Arier“.

Ihre Mutter Lina Scharff verstarb am 24. Mai 1938 in Speyer im Alter von 76 Jahren. Sie wurde auf dem dortigen jüdischen Friedhof begraben.

Die Familie ihrer Schwester Emma Heilbronner wohnte seit Juli 1938 in die Hermannstraße 5. Im Hausbuch wurde vermerkt, dass Frieda Beissinger zusammen mit ihrem Vater Lazarus Scharff einige Tage mit in die Wohnung zog.  Vom 22. November bis zum 29. November 1938 und noch einmal vom 7. September bis zum 23. November 1939 wohnten die beiden bei Emma und Ludwig Heilbronner. Der erste Aufenthalt hing möglicherweise mit der Pogromnacht 1938 zusammen. Auch in Speyer war die Synagoge in Brand gesetzt worden und Geschäfte und Wohnungen jüdischer Familien überfallen und zerstört worden.

Allerdings fanden die beiden nur eine notdürftig wiederhergestellte Wohnung in Düsseldorf vor. Denn auch die Heilbronners waren in der Pogromnacht überfallen worden. Das Erlebte war ein Schock für Emma und Ludwig Heilbronner und ihre Tochter Liesl. In dieser Zeit fuhr Liesl Heilbronner jeden Tag mit den Zug nach Köln, um dort das jüdische Gymnasium Jawne zu besuchen. Schließlich gelang es, die 15-Jährige mit einem Kindertransport am 24. August 1939 nach England zu schicken.

Vergeblich versuchten Emma und Ludwig Heilbronner auch die eigene Auswanderung in die Wege zu leiten. Mit ihrer Tochter Liesl bleiben sie im regen Briefwechsel. Am 22. November 1939 schrieben sie: „Der l. Opa & l. Tante werden voraussichtlich Freitag nach Hause reisen & könnt Ihr Euch vorstellen, was für ´ne Lücke das für uns sein wird, dann wird uns das Haus erst richtig leer vorkommen!!

Ob auch Frieda Beissinger über eine Flucht aus Nazi-Deutschland nachdachte, läßt sich nur vermuten. Aber ihren betagten Vater wollte sie sicherlich nicht allein zurücklassen. Ihre Tochter Else hatte mit ihrem Ehemann Miron Goldstein (später Mironesu) schon Deutschland verlassen.

Ende Oktober 1940 erfuhren die Düsseldorfer mit Schrecken, dass Frieda Beissinger und Lazarus Scharff aus Speyer am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert worden waren. Der 86-Jährige Lazarus Scharff war der älteste Speyerer Bürger des Transports. Er starb am 10. November 1940 im Lager Gurs in Südfrankreich. Frieda Beissinger blieb im Lager Gurs bis August 1942. Sie blieb weiter im Briefkontakt mit ihrer Nichte Liesl. Im Lager Gurs erhielt sie auch die Nachricht, dass ihre Schwester Emma und ihr Schwager Ludwig Heilbronner am 10. November 1941 vom Düsseldorfer Güterbahnhof Derendorf in das Ghetto von Minsk deportiert worden waren. Sie schrieb am 2. August 1942 aus Gurs, Baracke 23 an Liesl Heilbronner: „Übers Rote Kreuz versuchte auch ich von Emma & Ludwig zu hören. Ich bekam vor etwa 14 Tagen abschlägigen Bescheid von Genf. Jetzt weiß ich keinen Weg mehr, der zu einem Ziele führen könnte. Und lang genug wäre es wirklich, um endlich etwas von ihnen hören zu wollen. Betty ist allein, in den Jahren ist das doch auch schlimm.“

Wenige Tage nach dem Schreiben dieses Briefes wurde Frieda Beissinger über das Transitlager Drancy bei Paris am 8. August 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und nach der Ankunft am 12. August 1942 ermordet. Die 92-jährige Betty Heilbronner, über die sie im Brief berichtet, war, was Frieda Beissinger noch nicht wusste, am 30. Juli 1942 aus Memmingen ins Ghetto Theresienstadt deportiert worden. Sie starb im Ghetto am 2. April 1943.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf