Gedenkbuch

Vohssen, Anna

geb. Waller

Anna Vohssen, geborene Waller, kam am 13. August 1894 als Tochter von Karl Hugo Waller (04.02.1861 – 13.03.1933) und Julie Waller, geborene Cohen (22.08.1871 – 21.09.1942), in Köln zur Welt. Sie wurde in der Familie auch Aenni genannt und hatte vermutlich keine Geschwister.

Am 29. Januar 1922 heiratete Anna Waller den Rechtsanwalt Dr. Philipp Vohssen in Köln. Ihr Mann stammte aus Hochneukirch, wo er am 4. September 1889 als Sohn von Salomon und Emilie Vohssen, geborene Robens, zur Welt gekommen war. Zum Zeitpunkt der Hochzeit wohnte seine Anna Vohssen in der Allerheiligenstraße 5.
Am 5. Februar 1924, zwei Jahre nach der Hochzeit, wurde der gemeinsame Sohn Walter geboren. Die Familie wohnte in dieser Zeit in einer Wohnung am Brüsseler Platz 14.

Ihr Mann, Dr. Philipp Vohssen, war 1933 als Anwalt beim Düsseldorfer Landgericht mit einer Kanzlei in der Graf-Adolf-Straße 46 in Düsseldorf zugelassen. Im gleichen Haus wohnte er auch. Am 7. April 1933 wurde jedoch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ verabschiedet, welches Behörden bemächtigte, jüdischen Rechtsanwälten, wie ihrem Mann Philipp Vohssen, die Zulassung zu entziehen. Ihr Mann blieb von diesem Gesetz zunächst aufgrund des sogenannten „Frontkämpferprivilegs“ verschont.

Am 13. März 1933 verstarb ihr Vater Hugo Waller.

Anna und Philipp Vohssen schicken ihren inzwischen zehnjährigen Sohn Walter 1934 auf ein niederländisches Internat. Die Quäkerschule auf dem Landgut Eerde lag in der Gemeinde Ommen in den Niederlanden. Ihr Sohn Walter war nicht der einzige jüdische Flüchtling der Schule. Insgesamt achtzehn jüdische Kinder und Jugendliche fanden dort zunächst Schutz vor den Nationalsozialisten in Deutschland. Die Schülerinnen und Schüler wurden in landwirtschaftlicher Praxis unterrichtet, um sich auf die Auswanderung in sicherere Gebiete vorzubereiten.

Währenddessen wurde ihr Mann Philipp am 21. August 1936 wegen Beihilfe zum „Volksverrat“ verhaftet und kurz darauf wieder entlassen. Am 9./ 10. November 1938 kam es reichsweit und in Düsseldorf zu verheerenden Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung. Es kam zu zahlreichen Verbrechen, die sich vor den Augen der Öffentlichkeit abspielten. Neben Körperverletzungen, Mord und Brandstiftungen, verhaftete die Gestapo viele Juden, die zunächst verhört, festgehalten und anschließend zum Teil in Konzentrationslager verschleppt wurden. Es ist nicht bekannt, inwieweit ihr Mann von den Pogromen in Düsseldorf betroffen war.

Am 20. November 1938 wurde ihrem Mann die Zulassung entzogen. Es sollte ein Jahr vergehen, bis Dr. Philipp Vohssen wieder juristisch tätig sein konnte.

Anna Vohssen lebte währenddessen mit ihrer Mutter in Köln, sodass ihr Mann zwischen Düsseldorf und Köln pendelte, um bei ihr zu sein. Dem Ehepaar Vohssen wurden die Reisepässe am 2. Januar 1939 weggenommen, sodass die Gestapo ihrem Mann nur noch einmal wöchentlich gestattete, sie in Köln zu besuchen. Nachdem Philipp Vohssen einige Monate zwischen Köln und Düsseldorf pendeln musste, beschloss das Ehepaar, wieder gemeinsam in Köln zu leben. Sie zogen am 25. August 1939 in die Domstraße 45a.

Am 14. Oktober 1939 wurde ihr Mann Dr. Philipp Vohssen vom „jüdischen Konsulenten“ Kurt Frank in Düsseldorf als „juristischer Hilfsarbeiter“ angestellt. Daraufhin zog ihr Mann nach Düsseldorf in die Karl Anton Straße 11. Das Haus gehörte seinem Arbeitgeber. Dort arbeitete er bis zum 7. April 1941. Später beschloss das Ehepaar Vohssen wieder gemeinsam zu wohnen. Sie zogen nach Düsseldorf und waren ab dem 7. April 1941 Am Wehrhahn 83 gemeldet. Ihre verwitwete Mutter Julie Waller zog von Köln mit nach Düsseldorf und wohnte bei ihnen.

Die Niederlande wurde am 10. Mai 1941 von den Deutschen besetzt. Als Folge durften jüdische Schülerinnen und Schüler nicht mehr zur Schule gehen. Daher wurde ihr Sohn Walter und dessen Mitschüler in die Villa De Esch gebracht. Um einer Deportation zu entgehen, tauchten einige der Jugendlichen unter. Ihr Sohn blieb jedoch in der Villa De Esch.

Währenddessen erreichte das Ehepaar im Oktober 1941 der Deportationsbescheid. Ihr Mann wandte sich an seinen ehemaligen Kompanieführer aus dem Ersten Weltkrieg und versuchte damit die drohende Deportation abzuwenden. Der Versuch scheiterte jedoch. Anna und Philipp Vohssen wurden am 27. Oktober 1941 von Düsseldorf in das Ghetto von Litzmannstadt/Łódź deportiert. Sie mussten dort mit weiteren Deportierten im völlig überfüllten Zimmer 3 der „Düsseldorfer Kollektivunterkunft“ in der Fischstraße 15 leben. Die räumlichen und hygienischen Zustände in den „Kollektivunterkünften“ waren desaströs. Dem Düsseldorfer Rabbiner Dr. Siegfried Klein ist es zu jedoch zu verdanken, dass das „Düsseldorfer Kollektiv“, darunter auch Anna und ihr Mann Philipp Vohssen, im Ghetto versorgt wurden. Er organisierte eine faire Lebensmittelversorgung innerhalb der Ghettogemeinschaft mit.

Am 6. Januar 1941 konnte das Ehepaar Vohssen ein Zimmer und eine Küche der Wohnung 27 in der Rubensstraße 9 beziehen, deren Räumlichkeiten sie sich mit 7 weiteren Personen teilen mussten.
Anna Vohssen und ihr Mann sollten im Mai 1942 „ausgesiedelt“, das heißt ermordet werden. Unter Nachweis seiner Auszeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg konnte ihr Ehemann Philipp Vohssen, sich und Anna Vohssen von der Deportation mit dem vierten Transport am 7. Mai 1942 zurückstellen lassen.

Anna Vohssen verstarb am 12. Juni 1942 im Alter von 47 Jahren im Ghetto von Litzmannstadt/Łódź. Ihr Mann verlor vermutlich die Kraft, die unmenschlichen Lebensbedingungen des Ghettos zu ertragen. Er unternahm am 16. Juli 1942 einen Suizidversuch mit Gift. Er wurde noch von der Rettungsbereitschaft in das Krankenhaus I des Ghettos in die Hanseatenstraße 34/36 gebracht, wo er einen Tag später, am 17. Juli 1942, verstarb.

Anna Vohssens Mutter Julie Waller wurde am 21. Juli 1942 aus Düsseldorf in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie hatte zuletzt in der Steinstraße 14 in Düsseldorf gelebt. Am 21. September 1942 wurde ihre Mutter ins Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet.

Ihr Sohn Walter war inzwischen neunzehn Jahre alt und Vollwaise. Er wurde gemeinsam mit acht weiteren Mitschülerinnen und Mitschülern am 10. April 1943 verhaftet. Sie wurden zunächst in das Lager Vught transportiert. Anschließend wurde er im Durchgangslager Westerbork interniert. Walter Vohssen wurde am 21. September 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort am 8. Januar 1944 ermordet. Ein Denkmal im Schlossgarten von Eerde erinnert an die vierzehn ermordeten Schülerinnen und Schüler der Quäkerschule Eerde. Annas Sohn Walter Vohssen wurde auf dem Denkmal verzeichnet.

Autorinnen: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und Maren Marohn, Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e.V.