Gedenkbuch

Steinberg, Anna (Änne)

geb. Magnus

Anna Steinberg, geborene Magnus, wurde am 10. April 1882 in (Wuppertal-) Elberfeld geboren. Ihre Eltern waren Meyer und Emma Magnus, geborene Wolf. Sie hatte zwei ältere Brüder, Adolf Simon Magnus (geboren 1878) und Richard Magnus (1879-1950) sowie die Schwester Marie Magnus (geboren 1880).
Anna Magnus absolvierte eine Ausbildung zur ärztlichen Assistentin. 1913 wohnte sie in Berlin in der Lützowstraße 68. Am 22. November 1913 heiratete sie in Berlin den Elberfelder Kaufmann Albert Steinberg (geboren 1884). Das Paar zog nach der Hochzeit nach Düsseldorf.

Am 12. Dezember 1914 wurde in Düsseldorf ihr erster Sohn Helmut geboren, es folgten am 1. Dezember 1916 Richard und am 14. Dezember 1920 Herbert. Richard Steinberg war geistig behindert. Eine Cousine berichtet, dass er in seiner Entwicklung auf dem Stand eines Dreijährigen stehen geblieben, aber sehr ruhig, sehr lieb und niemals irgendwie aggressiv oder unruhig war. „Ich erinnere mich, wie er als ca. 20-jähriger mit Bausteinen spielte und sehr gerne Musik hörte. (…) keiner hätte daran gedacht, ihn in ein Heim zu geben.“

Albert Steinberg eröffnete auf der Düsseldorfer Königsallee 46 das Modehaus (Hermann) Steinberg. Am 27. November 1927 starb er auf einer Geschäftsreise in einem Berliner Hotel. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm Anna Steinberg zusammen mit ihrem Bruder Richard Magnus die Leitung des Geschäfts. Ihr Bruder bezog mit seiner Familie aus Frankreich kommend eine Wohnung in der Königsallee 80.

Am 19. Januar 1933 verstarb ihre Mutter Emma Magnus, die bei ihr in der Achenbachstraße 74 gewohnt hatte. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Wuppertal-Elberfeld begraben.

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden die Geschäftseinrichtung und der Warenbestand schwer beschädigt. „Außer der sehr wertvollen Einrichtung unseres Geschäftes, die fast vollständig zerstört worden ist, hat auch ein sehr großer Teil der Warenbestände Schaden erlitten“, schrieb Anna Steinberg am 28. November 1938 in einem Brief an die Firma A. Doering & Co. in Appenzell in der Schweiz. „Obgleich wir seit dem 10. November keinerlei Einnahmen mehr haben, verbleiben auf der anderen Seite die laufenden Spesen, wie Miete, Löhne, Gehälter usw. in voller Höhe bestehen. Außerdem werden wir (…) für die Wiederherstellung unserer Schaufensterpassage, deren Spiegelscheiben restlos in Trümmer gingen, in Anspruch genommen. Um aus dieser schwierigen Lage einen Ausweg zu finden (…), haben wir uns schweren Herzens dazu entschlossen, einen Antrag zum Konkurs zu stellen (…).”

Ihre Schwägerin Marie Magnus beschrieb 1962 die Situation folgendermaßen: „Die unvorstellbare Zerstörungswut der Horden in der Nacht des 9.11.38 machten aus dem anerkannt schönen Ladenlokal auf der Königsallee eine Wüste zerstörten Mobiliars und Glas. Es blieb nichts unzerstört; unter Bergen von Glas- und Kristallscherben lagen die Warenbestände. Bei diesem Bild der Zerstörung half nur der Weg zum Amtsgericht, um den Konkurs anzumelden.“

Herbert und Helmut flohen nach der Pogromnacht ins Ausland. Herbert meldete sich am 15. Mai 1939 nach London ab, Helmut am 14. September 1939 nach Brüssel. Nach der deutschen Besetzung wurde Helmut Steinberg in Belgien verhaftet und in der Folgezeit in mehreren französischen Lagern interniert: So kam er zuerst nach Le Vigeant, anschließend nach Saint-Cyprien und am 26. August 1942 nach Rivesaltes. Von dort wurde er am 11. September 1942 über das Sammellager Drancy nach Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.

Am 5. Juli 1939 wurde Richard Steinberg gegen den Willen seiner Mutter in die Heil- und Pflegeanstalt Grafenberg eingewiesen und am 15. Februar 1941 im Rahmen der Krankenmordaktion „T4“ ermordet.

Anna Steinberg musste ihre fünf Zimmer Wohnung in der Achenbachstraße 74 verlassen und in die Schillerstraße 25 ziehen. Dieses Haus war mittlerweile zu einem sogenannten Judenhaus geboren. Die Nichte von Anna Steinberg, Paulette Magnus, sagte im Entschädigungsverfahren 1962 aus: „Meine Tante ist dann später zur Schillerstr. 25 gezogen, Dort hatte sie, soweit ich mich erinnere, 2 Räume: 1 Wohnraum und 1 Schlafraum. Ich glaube, daß damals in dem Hause für die verschiedenen Parteien eine gemeinsame Küche war.“ Zuletzt wohnte Anna Steinberg im Haus Martin-Luther-Platz 19. Paulette Magnus: „Dort hatte sie nur ein winziges Zimmer mit einer Schlafgelegenheit und einem Tisch usw. ein Schrank stand noch außerhalb des Zimmers eine halbe Etage tiefer.“

Anna Steinberg wurde am 10. November 1941 ins Ghetto von Minsk deportiert. Sie hat nicht überlebt. Ihr Bruder Richard Magnus, der in einer sogenannten Mischehe in Düsseldorf lebte, überlebte versteckt die Verfolgungszeit.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf