Gedenkbuch

Sass, Jakob

Am 5. November 1885 kam Jakob Sass in Mülheim an der Ruhr zur Welt. Seine Eltern waren Gustav Sass (1851-1936) und Helene Sass, geborene Oppenheimer (1861-1915). Sie hatten neben Jakob noch zwei weitere Söhne: Sidi (geboren 1881) und Emil (geboren 1883). Außerdem gab es noch vier Schwestern: Regine (geboren 1888 in Mülheim), Julie (geboren 1890 in Düsseldorf), Amalie Josephine (geboren 1894 in Düsseldorf) und Hedwig (geboren 1896 in Düsseldorf).

Am 7. September 1915 verstarb seine Mutter Helene Sass und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Düsseldorf begraben. Während dieser Zeit kämpfte Jakob Sass als Soldat im Ersten Weltkrieg.

Am 15. Oktober 1918 heiratete er in Düsseldorf Rosa Gumpert. Seine Frau war am 29. April 1892 in Düsseldorf als Tochter von Sally und Bertha Gumpert, geborene Tannenbaum, zur Welt gekommen. Jakob Sass arbeitete als Häusermakler bei der Firma seines Schwiegervaters „S. Gumpert Hypotheken und Immobilien“ in Düsseldorf. Die Familie wohnte ab dem 23. Juni 1919 in Düsseldorf im Erdgeschoss des Hauses seines Schwiegervaters in der Harleßstraße 8 im Zooviertel. Im zweiten Stock des Hauses wohnten seine Schwiegereltern.

Am 17. November 1919 kam in Düsseldorf seine Tochter Ruth Helene zur Welt. Knapp zwei Jahre später wurde die zweite Tochter geboren. Doch die kleine Margot, die am 21. März 1921 zur Welt kam, verstarb als Baby am 8. Mai 1921. Sie wurde in einem Kindergrab auf dem jüdischen Friedhof an der Ulmenstraße begraben.

Seine Tochter Ruth erinnerte sich später an das erste Auto ihres Vaters: „Als ich fünf Jahre alt war, kaufte mein Vater das erste Auto. Da er selber noch nicht fahren konnte, wurde ein Chauffeur angestellt. Ich fühlte mich nicht sehr wohl in dem Auto. Ich erinnere mich, dass bei Sonntagsausflügen öfters gehalten werden musste. Ich musste aussteigen und Luft schnappen, es ging mir zu schnell und ich hatte ein Gefühl der Unsicherheit. Mein Vater nahm Fahrstunden und bekam nach kurzer Zeit seinen Führerschein. Von der Minute an, wo er das Steuer in die Hand nahm, fühlte ich mich wohl im Auto.“

1928 verstarb sein Schwiegervater Sally Gumpert und Jakob Sass führte die Firma alleine weiter. 1932 feierte Jakob Sass das 25-jährige Firmenjubiläum. Seine Tochter Ruth beschrieb ihren Vater folgendermaßen: „Mein Vater war ein gut aussehender Mann. Er war groß und stattlich, mit dunkelbraunem Haar und blauen Augen. Er war ein lebensfroher Mann, der großes Vertrauen zu seinen Mitmenschen hatte. Er war ein Familienmensch, der sehr besorgt war um das Wohlergehen seiner Brüder und Schwestern. Ich hörte ihn sagen, eine gute Mahlzeit würde ihm nicht schmecken, wüsste er nicht, alle seine Geschwister hätten auch eine gute Mahlzeit auf dem Tisch. Da er ein freundlicher Mann war, und sehr zuvorkommend, so war er für den Beruf als Häusermakler wie geschaffen.“

1935 fuhr Jakob Sass mit seiner Frau zwecks eventueller Auswanderungsvorbereitungen für eine Woche nach Holland. Seine Tochter berichtete in ihren Erinnerungen darüber: „Das Jahr 1935 und die „Nürnberger Gesetze“ kamen heraus. Dies versetzte meinen Eltern einen schweren Schlag. Sie waren aufgeregt, traurig und verletzt. Man hatte uns viele Bürgerrechte genommen. Vater beschloss mit meiner Mutter und mir nach Holland zu fahren. Er hatte einen guten Geschäftsfreund in Rotterdam und wollte mit ihm die Situation besprechen. – Dies machte mir Hoffnung. Vielleicht dachten meine Eltern daran auszuwandern. Viele Freunde meiner Eltern waren dabei ihre Auswanderung vorzubereiten. Wir verbrachten eine Woche in Holland.“ Doch letztlich wollte seine Frau Rosa Sass ihre Mutter Bertha Gumpert nicht allein in Düsseldorf zurücklassen, und so kehrte man nach Deutschland zurück.

Am 9. Juli 1936 verstarb sein Vater Gustav Sass in Düsseldorf. Die Tochter Ruth emigrierte am 30. Oktober 1937 in die Schweiz, während Jakob Sass mit seiner Frau in Deutschland auf einen politischen Umschwung hofften.
Während der Pogromnacht im November 1938 befand sich Jakob Sass zufällig auf einer Geschäftsreise in Holland. Als er von den Verhaftungen im Zuge des Pogroms erfuhr, kehrte er nicht nach Deutschland zurück. Glück im Unglück für ihn war, dass er fließend holländisch sprach und sich so gut verständigen konnte. Währenddessen war seine Frau am 10. November 1938 an die deutsch-holländische Grenze gefahren, um ihren Mann zu warnen. Als er jedoch in keinem der Züge saß, fuhr sie nach Düsseldorf zurück. Ihre Tochter Ruth schrieb darüber in ihren Erinnerungen: „Als sie am Abend sah, dass mein Vater in keinem Zug war, fuhr sie zurück nach Düsseldorf. Bei Rückkehr in ihre Wohnung erwartete sie eine entsetzliche Überraschung. Ich schönes Heim war vollkommen zerstört. Die Teppiche waren zerschnitten, die Möbel beschädigt, das Geschirr zerschmettert. Sie hatte nicht eine ganze Tasse mehr im Haus. Wie sehr bedauerte ich meine arme Mutter. Ihr schönes Heim, das sie so sehr liebte war zerstört, ich konnte es kaum fassen und glauben. Die Wohnung meiner Großmutter war auch vollkommen zerschlagen.“ Davon erfuhr Jakob Sass erst mit Verspätung. Zunächst bezog er eine Bleibe in Amsterdam in der Leonardostraat 6 I. Hier war er ab dem 3. Februar 1939 offiziell gemeldet.

Am 12. Juni 1939 zog Jakob Sass nach Oegstgeest. Der Ort ist heute ein kleiner Vorort der Stadt Leiden. Zunächst wohnte er in der Prins Bernhardlaan 40 und ab dem 8. November 1939 im Haus Juffermannstraat 11. Hierhin ließ er seine Frau Rosa kommen. Er ließ sie heimlich über die holländische Grenze bringen. Seine Schwiegermutter Bertha Gumpert blieb nun doch allein in Düsseldorf zurück. Am 4. August 1939 wurden Jakob und Rosa Sass in Düsseldorf amtlich abgemeldet, vermutlich erledigte seine Schwiegermutter Bertha Gumpert diesen Behördengang.

In den Niederlanden meldeten sich Jakob und Rosa Sass beim amerikanischen Konsulat und warteten auf ein Einreisevisum für die USA. Gleichzeitig versuchte ihre Tochter Ruth, ihren Eltern die Einreise nach Palästina zu ermöglichen. Am 10. Mai 1940 überfielen deutsche Truppen die Niederlande. Für Jakob Sass und seine Frau wurden die Emigrationswege dadurch noch viel schwieriger. Am 5. August 1940 zogen Jakob Sass und seine Frau einige Häuser weiter in die Juffermannstraat 38. In der zweiten Hälfte des Jahres 1940 kam die Anweisung für die jüdische Bevölkerung, dass sie das Küstengebiet verlassen müssen und ins Landesinnere zu ziehen haben.

Am 16. Oktober 1940 gingen Jakob Sass und seine Frau daraufhin nach Hilversum. Hier wohnten sie unter der Adresse Sterrel 9. Am 20. Januar 1941 erfolgte der Umzug in das Haus van Lenneplaan 29. Zu dieser Zeit musste sich Jakob Sass, wie alle jüdischen Einwohner, bei den Behörden registrieren lassen. Ein weiterer Umzug war am 5. Juni 1941 in ten Katelaan 4. Auch dort wohnten sie zur Untermiete. Die deutschen Behörden ließen am 24. April 1942 eine (zweite) Inventur ihrer Wertgegenstände durchführen: „Nach Inventarliste Nr. 11 a von 18/4 ’42. Entgegen der Inventarliste fehlen folgende Gegenstände: 1 Ofen m/ Kohleneimer, Divandecke, 2 Nachttischen, zwei 1 pers. eiserne Betten/ Spiral, 3 Kapokmatratzen, 1 Kapokmatratze, 1 Keil Kissen, 4 Kissen, 2 Steppdecke, 2 Wolldecke, 2 Koffer, 1 Hütekasse, Herren & Damenkleider, Toilettenartikel, 2 Federdecke, Messer, Gabeln, Löffel. An die N.S.V. verblieben die folgende Sachen“.

Ab dem 3. Mai 1942 konnte Jakob Sass nur noch mit einem sogenannten Judenstern an der Kleidung das Haus verlassen. Ab dem 20. Oktober 1942 wohnten Jakob Sass und seine Frau in Amsterdam. Ihre Adresse war die Niersstraat 53 II zur Untermiete bei der Familie Cohen. Als ihre Tochter Ruth schließlich die ersehnten Visa für sie in Händen hielt, war es zu spät: sie waren bereits vom Durchgangslager Westerbork nach Auschwitz deportiert worden.

Jakob und Rosa Sass waren wegen ihrer jüdischen Abstammung zunächst am 26. Januar 1943 in das Konzentrationslager Vught in Holland eingeliefert worden. Von dort kamen sie am 1. Juli 1943 in das Durchgangslager Westerbork. Sie wurden der Baracke 61 zugewiesen. Am 16. November 1943 wurden die beiden von dort in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Das genaue Todesdatum konnte nicht festgestellt werden, vermutlich war es direkt nach der Ankunft am 19. November 1943.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf