Gedenkbuch

Herz, Gertrud

geb. Gottstein

Am 18. November 1890 wurde Gertrud Herz in Breslau als Tochter des Kaufmanns Gustav Gottstein (1863-1915) und dessen Ehefrau Johanna, geborene Behrend, geboren. Gertrud hatte noch einen zwei Jahre jüngeren Bruder, Otto Gottstein. Zum Zeitpunkt seiner Geburt wohnte die Familie in Breslau in der Kaiser-Wilhelm Straße 67. Ihr Vater arbeitete als Kaufmann. Die Familie unterhielt in den 1920er Jahren in Leipzig eine Firma, die mit Rauchwaren handelte. Sie wohnten in der Weststraße 13.

Am 20. Februar 1923 heiratete Gertrud in Leipzig den Ingenieur Walter Herz. Ihr Mann war am 22. September 1877 in Bochum geboren worden und war Chefingenieur der „Mannesmann-Röhrenwerke“, die 1918 die „Wittener Stahlröhrenwerke“ übernommen hatten. Am 27. Februar 1924 wurde in Leipzig ihr einzige Kind geboren: Irene. Die Familie lebte aber eigentlich in Witten.
Anfang Juni 1931 musste Gertrud Herz einen Schrecken verkraften, nachdem ihr Mann bei einer Freiluftballonfahrt notlanden musste. Zwei Jahre später kamen die Nationalsozialisten an die Macht in Deutschland.

Am 24. Februar 1933 inserierte sie im Wittener Tageblatt, dass sie ein „Alleinmädchen“ für den Haushalt von drei Personen für sofort suche. Die von den Nationalsozialisten 1935 verabschiedeten neuen antisemitischen Gesetze waren für Gertrud Herz und ihre Familie ein Schock. Obwohl alle drei evangelisch getauft waren, galten sie nun im Sinne der Nationalsozialisten als „Nichtarier“. Dies hatte auch Konsequenzen für die Arbeit ihres Mannes Walter Herz.

Im April 1937 zog die Familie nach Düsseldorf-Oberkassel. Ihr Mann Walter Herz erhielt bei den „Mannesmann Werken“ in Ratingen eine Anstellung als technischer Zeichner. Die Familie wohnte im Haus Luegallee 83. Ihre Tochter Irene wurde am 14. April 1937 in die Cecilienschule in Düsseldorf-Oberkassel aufgenommen. Bei der Anmeldung wurde ihre Religion als „evangelisch“ angegeben. Der geforderte „Ariernachweis“ konnte jedoch bei der Anmeldung nicht erbracht werden.

Während des Pogroms 1938 war Gertrud Herz mit ihrer Familie in der Wohnung in der Luegallee. Ihre Tochter Irene erinnerte sich später in einem Interview mit der Mahn- und Gedenkstätte an die Situation: „Wir gingen immer wieder in die Wohnung zurück und da war nichts, kein Geräusch von zerbrechenden Möbeln, kein Geräusch von irgendetwas. Wir haben den ganzen Tag gewartet, dass sie kommen, es kam niemand. Es wurde Nacht und wir hörten, dass die Leute verhaftet werden sollten, dass die Männer abgeführt werden sollten. Wir haben bis Mitternacht gewartet, nichts. Meine Eltern erzählten mir am nächsten Tag, dass, nachdem ich eingeschlafen war, die Polizei kam, um meinen Vater zu holen. Mein Vater war Offizier im Krieg, Eisernes Kreuz, und sie hatten schon gesagt, dass Juden keine Waffen haben durften. Er hatte auch seinen Offiziersdegen und ein Bajonett. Als die Polizei kam, um ihn zu verhaften, sagte er: „Gut, da Sie hier sind, darf ich Ihnen meinen Degen geben? Ich darf Ihnen mein Schwert geben.“ Er sah ihn an und sagte: „Das kann ich nicht tun. Ich kann das Schwert nicht mitnehmen und ich kann Sie auch nicht verhaften. Sie sind ranghöher als ich, ich muss erst meinen Vorgesetzten fragen, und wenn Sie von mir nichts hören, kommen Sie auf die Polizeiwache.“ Der Morgen kam und wir hatten nichts gehört. Mein Vater hat einen kleinen Koffer gepackt, ihn aber nicht mitgenommen. Er sagte, das wäre zu schade. Wenn er verhaftet wird, sollen wir ihm den Koffer bringen. Dann ging er zur Polizeiwache.“

Ihr Ehemann Walter Herz wurde jedoch nicht verhaftet und konnte nach Hause gehen. In den nächsten Tagen hörten sie aber von den vielen Überfällen und Verhaftungen, so dass sie und ihr Mann beschlossen, Irene nach England zu schicken. Irene Herz konnte im Juni 1939 mit einem der Kindertransporte ausreisen. Ihnen selbst glückte die rechtzeitige Emigration nicht. Zuletzt mussten sie in das Judenhaus in der Goethestraße 12 umziehen.

Ihre Tochter Irene erinnert sich an das letzte Lebenszeichen ihrer Eltern: „Sie schickten mir eine Postkarte, bevor sie nach Minsk gingen. Darauf schrieben sie nur: „Wir gehen jetzt nach Minsk„, an diesem und jenem Tag.“

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf