Gedenkbuch

Wallach, Richard

Am 6. Februar 1895 kam Richard Wallach in Oberembt als Sohn von Ludwig und Sophie Wallach, geborene Ullmann, zur Welt. Sein Vater Ludwig Levi Wallach stammte aus Oberemmel und arbeitete als Metzger, Viehhändler und Samenhändler. Seine Mutter Sophie war 1858 in Rödingen zur Welt gekommen. Seine Eltern hatten 1891 geheiratet. Richard hatte eine Schwester namens Minna, die 1892 zur Welt gekommen war. Als Richard sechs Jahre alt war, verstarb seine Schwester in Rödingen, wo die Familie mittlerweile lebte. Sein Vater scheint ebenfalls sehr früh verstorben zu sein. Am 3. Dezember 1896 gab es ein „Haus- und Mobillarverkauf zu Oberembt. Frau Witwe Levi Wallach und Kinder zu Rödingen lassen öffentlich auf Kredit versteigern“ hiess es in einer Anzeige im Erft-Boten vom 2. Dezember 1896.

Richard Wallach kämpfte im Ersten Weltkrieg als Soldat für sein deutsches Vaterland. Er wurde als Frontkämpfer mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse ausgezeichnet. Nach Ende des Krieges arbeitete er im Getreidehandel. 1922 gründete er in Düsseldorf die Firma „Wallach, Kohlen & Co“ mit Sitz in der Pionierstraße 10. Gesellschafter waren zu diesem Zeitpunkt neben ihm Peter Kohlen, Kaufmann in Neuß, und Hans Poertzgen. Die Firma wurde als Getreide- und Futtermittel-Großhandlung in das Düsseldorfer Handelsregister eingetragen. Ein Jahr später trat Karl Dessauer (1891 in Rheine) mit in die Firma „Wallach, Kohlen & Co.“ ein. Später firmierte die Firma als „Wallach, Dessauer & Co.“ mit Sitz in der Schwerinstraße 86. Am 3. März 1925 verstarb seine Mutter in Rödingen.

Im Mai 1925 verlobte sich Richard Wallach mit Mathilde Juhl aus Meckenheim. Sie war am 15. August 1901 in Meckenheim als Tochter von Benedikt und Lina Juhl, geborene Hirsch, zur Welt gekommen. Sie hatte noch zwei jüngere Brüder: Fritz (geboren 1903) und Erwin (geboren 1905). Zum Zeitpunkt der Verlobung wohnte Richard Wallach in Düsseldorf in der Haroldstraße 1. Kurze Zeit später zog er um in die Schwerinstraße 86. Die Hochzeit feierten Richard Wallach und seine Frau Mathilde Juhl am 7. Oktober 1925 in Köln in der Rheinlandloge. Am 8. Mai 1928 wurde ihre einzige Tochter geboren: Ellen.

1934 durfte er seinen Beruf an der Getreidebörse nicht mehr ausüben, so dass die wirtschaftliche Situation immer schlechter wurde. Seine Tochter Ellen besuchte mittlerweile die 1935 gegründete jüdische Schule in der Kasernenstraße. Ellen berichtete 1995 in einem Interview über diese Zeit: „Ab 1938 hatten aber kein Geld mehr. Da gab es noch die Möglichkeit, in ein südamerikanisches Land wie z.B. Chile zu entkommen. Also begannen meine Eltern schon in Düsseldorf, spanisch zu lernen, ich auch ein wenig.“ Die Familie zog deshalb im Sommer 1938 zu Verwandten nach Köln. Während der Pogromnacht 1938 befand Richard Wallach sich in Hörde bei Dortmund, weil er dort vorübergehend bei Verwandten, die ein Kaufhaus besaßen, Arbeit gefunden hatte. Er entkam einer Verhaftung und gelangte nach Köln zu seiner Familie. Verstärkte Bemühungen um Ausreise scheiterten, so dass er mit seiner Frau und seiner damals kranken Tochter am 24. Dezember 1939 nach Enschede in Holland flüchtete. Seine Tochter Ellen erinnerte sich an die Flucht über die Grenze: „Meine Onkel und meine Großeltern waren in den Niederlanden, und meine Onkel liehen sich Geld, um uns über die Grenze zu schmuggeln. Das geschah am Weihnachtsabend 1939, an dem ich krank war. Ich hatte Rheuma und konnte kaum laufen. Es kam ein Schmuggler, dessen einziger Beweis für seine Verlässlichkeit ein Foto meines Onkels Fritz Juhl war. Er wollte, dass wir mitgehen. Ich wurde angezogen, und wir fuhren zusammen mit dem Schmuggler nach Gronau, die Grenzstadt zu Enschede. Sie taten dies mit Absicht zu Weihnachten in der Hoffnung, dass die Bewachung an diesem Abend nicht so streng sein würde. In Gronau warteten andere Schmuggler mit drei Fahrrädern. Meine Eltern bekamen jeder ein Fahrrad. Ich wurde zu einem mir unbekannten Mann gesetzt, um über die ‘grüne Grenze’ zu kommen. Wir kamen zu einer Abgrenzung, über die ich gehoben wurde. Wir hatten jeder noch eine Decke dabei; einen Koffer und kleine Taschen mussten wir wegwerfen, es war viel zu gefährlich. Ich erinnere mich, dem Mann mit dem Fahrrad voll getraut zu haben. Ich sah einen Bauernhof mit Weihnachtsbaum darin, und da sagte der Mann: ‘Wenn wir dort sind, ist alles gut. Dann sind wir in den Niederlanden und sind sicher.’ Wir erreichten den Hof und gingen rein, mein Vater war bereits da, meine Mutter sollte bald kommen. Wir wussten, dass wir in den Niederlanden waren. Ich bin nicht mehr sicher, ob wir liefen oder fuhren, jedenfalls ging es am nächsten Tag nach Enschede. In Enschede nahm uns eine jüdische Familie auf.“  Von dort gelangten sie nach Amsterdam, wo sich bereits die Schwiegereltern und andere Verwandte befanden.

Im Februar 1940 zogen sie in ein kleines Zimmer nach Haarlem, weil es hieß, dass dort die Fremdenpolizei nicht so streng sei. Richard Wallach und seine Familie waren immer noch illegal im Land. Dieser Status änderte sich erst im Mai desselben Jahres, als die Niederlande besetzt wurde. Die Stadt Haarlem mussten sie auf Anordnung der Deutschen wieder verlassen. So gelangten sie im Mai 1940 nach Arnhem. Dort wohnte Richard Wallach mit seiner Frau in einer Unterkunft. Seine Tochter Ellen wurde zunächst bei einer kinderlosen Frau untergebracht. Ellen konnte in Arnhem wieder eine Schule besuchen, Mitte 1941 musste sie dann auf eine jüdische Schule wechseln. Später wohnten die drei zusammen in der Spijkerstraat 227. Seine Tochter Ellen erinnerte sich an diese Zeit: „Wir hatten eine Wohnung in der Spijkerstraat in Arnhem, welche im Rotlichtviertel war. Wir hatten Möbel von alten Freunden aus Düsseldorf, es war sehr ärmlich. Meine Mutter saß an der Nähmaschine, und mein Vater machte den Haushalt.“

Dann begannen die Deportationen. In Arnhem fand im Dezember 1942 eine große Razzia statt. Auch Richard Wallach, seine Frau und seine Tochter wurden abgeholt. Auf Grund einer Herzerkrankung kam er jedoch zunächst in ein Krankenhaus, Mathilde und Ellen Wallach wurden in das Judendurchgangslager Westerbork gebracht. Später kam auch Richard Wallach nach Westerbork, wo die Familie zunächst von weiteren Deportationen in den Osten zurückgestellt war, weil Richard Wallach sein Frontkämpfer-Status aus dem Ersten Weltkrieg angerechnet wurde.

Seine Schwiegereltern Benedikt und Lina Juhl, die Anfang Mai 1943 aus Amsterdam ins Lager Westerbork gekommen waren, wurden am 18. Mai 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet. Am 14. September 1943 mussten auch Richard Wallach mit seiner Frau Mathilde und der Tochter Ellen in einen Deportationszug einsteigen. Sie durften den Zug im Bahnhof von Celle verlassen und wurden bewacht von SS-Leuten in das Konzentrationslager Bergen-Belsen gebracht. Dort war Richard Wallach getrennt von seiner Frau und Tochter untergebracht. Vom KZ Bergen-Belsen kamen sie im Januar 1944 in das Ghetto Theresienstadt. Richard Wallach wurde auch in Theresienstadt von seiner Frau und Tochter getrennt untergebracht. Er erhielt eine Transport-Aufforderung im September 1944. Am 28. September 1944 wurde er ohne seine Frau und Tochter nach Auschwitz deportiert und ermordet. Seine Frau konnte in Theresienstadt blieben und wurde dort im Mai 1945 befreit. Seine Tochter Ellen wurde im Oktober 1944 aus dem Ghetto Theresienstadt ebenfalls nach Auschwitz deportiert. Sie überlebte und konnte nach Kriegsende wieder in den Niederlanden ihre Mutter wiedersehen.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf