Gedenkbuch

Reinsberg, Ursula

geb. Devries

Am 12. Mai 1919 wurde Ursula Devries in Hamborn bei Duisburg geboren. Ihre Mutter Elsa Devries, geborene Herz, stammte aus Gelsenkirchen, wo sie am 27. Februar 1889 zur Welt gekommen war. Ursulas Vater Hermann Devries lebte seit 1912 in Duisburg-Hamborn. Gebürtig war er aus Hannover, wo er am 12. Juli 1882 geboren worden war. Ihr Vater war zunächst mit Adele Vyth aus Kalkar verheiratet. Aus dieser Ehe hatte Ursula zwei Halbbrüder: Werner (geboren 1914) und Hans (geboren 1915). Ein Jahr nach der Geburt von Hans verstarb Adele Devries am 10. Dezember 1916 in Hamborn. 1918 heirateten dann Ursulas Eltern.

Zum Zeitpunkt der Geburt von Ursula wohnte die Familie Devries in der Kaiser-Friedrich-Straße 28 in Duisburg. 1933 zogen sie kurzfristig in ihr Geschäftshaus in der Gertrudenstraße 20. Ihre Mutter Elsa Devries führte bis 1934 in Duisburg dort ein Galanterie- und Lederwarengeschäft. Ab 1934 wohnte sie mit ihren Eltern Hermann und Elsa Devries, und Geschwistern in Düsseldorf in der Erftstraße 25. 

Ursula war verlobt mit dem Düsseldorfer Karl Heinz Reinsberg. Er war am 22. November 1914 als zweites Kind von Albert und Martha Reinsberg in Düsseldorf zur Welt gekommen. Seine ältere Schwester Ilse war am 2. Juni 1911 in Brüssel geboren worden. Sein Bruder Ernst war am 22. Oktober 1917 in Düsseldorf geboren worden. Ihr zukünftiger Schwiegervater Albert Reinsberg führte in Düsseldorf einen Großhandel für Pelzwaren in der Kreuzstraße 39 und unterhielt das Pelzhaus Reinsberg in der Schadowstraße 39.

Ihr späterer Mann Karl Heinz hatte wie sein Vater eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Ab 1936 absolvierte er eine Kürschner Lehre in Brüssel. Ursula und ihre Eltern wohnten weiterhin in Düsseldorf. Ihre zukünftigen Schwiegereltern wohnten in der Schillerstraße 14.

Am 4. Mai 1937 wurde ihr zukünftiger Schwiegervater Albert Reinsberg in seinem Haus von der Gestapo verhaftet. Vorgeworfen wurden ihm angebliche Devisenvergehen. Am 7. Mai 1937 kam Albert Reinsberg im Düsseldorfer Gefängnis „Ulmer Höh“ ums Leben. Für die gesamte Familie war dies ein Schock. Karl Heinz Reinsberg beschloß in Brüssel zu bleiben. Ursula, in der Familie Ulla genannt, Devries zog zu ihm und sie heirateten 1938.

In Brüssel wohnte auch ihr Halbbruder Hans Devries, der sich aus seiner Wohnung in der Erftstraße 25 am 3. Februar 1938 offiziell nach Belgien abgemeldet hatte. Auch der Onkel ihres Mannes, Hermann Reinsberg (1898-1962) und ihre Schwiegermutter Martha Reinsberg (1890-1980) zogen von Düsseldorf nach Brüssel.

Als die Deutschen Belgien im Mai 1940 überfielen, wurden ihr Mann Karl Heinz Reinsberg und dessen Onkel Hermann Reinsberg verhaftet und ab August 1940 in das Internierungslager Saint Cyprien gebracht. Von dort kam ihr Mann Karl Heinz Reinsberg 1941 ins südfranzösische Internierungslager Gurs. Ursula und Karl Heinz schrieben während der ganzen Zeit Briefe an Ernst Reinsberg, der bereits 1936 nach Schottland ausgewandert war, und dort Medizin studierte. In diesem Briefwechsel ging Karl Heinz Reinsberg auch auf die Zustände im Lager Gurs ein. Noch 1941 ging er davon aus, dass das Lager nur „für die Unerwünschten, die für die Ausreise bestimmt sind“ installiert wurde.

Ursula folgte ihrem Mann nach Südfrankreich, um in seiner Nähe bleiben zu können. Sie bezog ein Quartier in Marseille. Die Nähe zur Hafenstadt Marseille ließen bei beiden die Hoffnung auf eine Auswanderung in die USA aufkeimen. Ihre ursprünglichen Auswanderungspläne in die USA verzögerten sich aus Rücksichtnahme auf Ursulas Eltern, die noch in Düsseldorf waren. 

Ab Juni 1941 befand sich ihr Mann Karl Heinz Reinsberg im Lager Les Milles. Ebenso wie im Lager Gurs war auch im Lager Les Milles die Bedrohung durch die Deportation allzeit vorhanden. „Wenn man die Berichte hört, was mit den Leuten geschieht, die deportiert sind, kommt einem das Grausen, und bedenken, dass wir auch hier nicht in Sicherheit sind.“ schrieb ihr Mann an Ernst.

Ihr Mann gehörte zu den Gefangenen, die in der Umgebung zu Arbeitseinsätzen herangezogen wurden. Dadurch bestand Anspruch auf Urlaub: „Ich bekomme durchschnittlich 3 mal in der Woche Urlaub … und sehe Ulla [Ursula] so ziemlich häufig...“. Doch die Situation wurde immer unerträglicher. „Es warten zigtausende von Menschen hier noch auf ihre Auswanderung, aber die Möglichkeiten werden jeden Tag geringer.“ Ursula schrieb im gleichen Brief vom 16. Juni 1941: „Endlich kann ich Dir auch mal schreiben, und sogar mit Kalli zusammen. Wie glücklich ich bin, nach so langer Trennung wieder mit Karl-Heinz zusammen zu sein kannst Du Dir wohl denken. Bin jetzt ca 6 Wochen im unbesetzten Gebiet. Die Reise war nicht so ungefährlich und hatte ich ausgesprochenes Glück, dass ich ohne jede Zwischenfälle gut angekommen bin. Kalli sieht G.Lob gut aus, und hat sich in dem schweren Jahr nicht viel verändert. Wie Du wohl weißt habe das ganze Jahr bei der l. Mutter gewohnt. Es geht allen G.s.d. sehr gut und haben nichts zu leiden.“ Und über ihre Unterkunft in Marseille schrieb sie: „Wohne hier in Marseille, in einem Hotel und wenn Kalli nicht da ist, sterbe ich bald vor Langeweile.“ Dann ergänzte sie: „Sonst ist alles im Grossen & Ganzen sehr traurig. Ich sehe nicht sehr rosig für unsere Weiterfahrt und glaube ich, dass bald keiner mehr fort kommt. Wann wird dieses Elend mal zu Ende sein? Von meinen Eltern aus D´dorf habe G.Lob auch gute Nachrichten. So hat man immer Sorgen um alle Lieben, wenn man nicht von ihnen hört.

Im April 1942 schrieb Ursula an ihren Schwager Ernst: „Von meinen Eltern habe seit November 41 nichts mehr gehört, nachdem sie nach Polen deportiert worden sind.“ Hermann und Elsa Devries waren am 10. November 1941 vom Güterbahnhof Düsseldorf Derendorf ins Ghetto Minsk deportiert worden. Sie haben nicht überlebt.

Am 30. Juni 1942 schrieb ihr Mann Karl Heinz Reinsberg an seinen Bruder: „2 ½ Jahre interniert und man sieht kein Ende“, doch das Ende war tragischerweise näher als vermutet, denn die Insassen von Les Milles wurden wenige Wochen später über das Durchgangslager Drancy bei Paris in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. 

Ursula Reinsberg schrieb am 30. Juni 1942 an Ernst Reinsberg: „Froh kann man ja leider nicht mehr werden, dafür sind wir ja alle zu sehr auseinander gerissen. Auch von meinen armen Eltern habe noch kein Lebenszeichen, wer weiss, was man mit ihnen gemacht hat. Ach, es ist bald zum verzweifeln, so ohne irgend einen Hoffnungsschimmer. So freut man sich immer, wenn man mal Post von den Lieben bekommt. Im Moment bist Du der einzige, von dem wir was hören. Mutter schreibt auch sehr selten. Wann wird das alles mal ein Ende haben?“

Am 12. August 1942 schrieb ihr Mann Karl Heinz Reinsberg die letzte Nachricht an seinen Bruder: „Sandte Dir gestern ein Telegramm, dass wir in höchster Gefahr sind, doch scheint alles zu spät zu sein, da man allgemein mit einem Abtransport innerhalb der nächsten 48 Stunden rechnet. Was sich hier abgespielt hat, ist in der Weltgeschichte noch nie dagewesen, aber die Strafe darauf darf nicht ausbleiben, die muss einmal kommen. Kinder, Frauen und Männer zusammen eingesperrt und alle 10 Meter ein Gendarm mit Gewehr. Es ist grausam, welche herzzerreissenden Szenen sich schon abgespielt haben, aber das schlimmste wird erst kommen, wenn der Abtransport losgehen wird.“

Ursula Reinsberg und ihr Mann Karl Heinz wurden am 17. August 1942 mit dem 20. Deportationszug von Drancy in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Nach der Selektion wurden 65 Männer und 34 Frauen in das Lager aufgenommen. Alle anderen wurden sofort ermordet. Einige mündliche Quellen besagen, das die beiden zunächst ins Lager aufgenommen wurden. Sie haben beide nicht überlebt.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf