Gedenkbuch

Vohssen, Philipp

Philipp Vohssen kam am 4. September 1889 in Hochneukirch, heute ein Stadtteil von Jüchen, als Sohn von Salomon (1820 – 1896) und Emilie Vohssen, geborene Robens (1857 – 1924), zur Welt. Sein älterer Bruder Samuel, genannt Sally, wurde am 12. April 1883 in Hochneukirch geboren. Seine Schwester Helene Moses, geborene Vohssen, kam am 13. Dezember 1884 in Hochneukirch zur Welt. Philipps Eltern führten das Unternehmen „Butter-Import“. Als Philipp sechs Jahre alt war, verstarb sein Vater am 20. Juni 1896 in einem Hotel in Bad Wildungen. Möglicherweise befand er sich auf einer Geschäftsreise. Philipps Mutter Emilie Vohssen übernahm nach dem Tod seines Vaters die elterliche Firma.

Philipp Vohssen besuchte das Gymnasium in Mönchengladbach und studierte nach seinem Schulabschluss Jura in München, Berlin und Augsburg. Er reichte seine Dissertation am 25. September 1912 zum Thema „Zur Lehre vom Tarifvertrage“ in Mönchengladbach ein. Nach seiner Promotion arbeite er als Rechtsanwalt, zunächst in Mönchengladbach, genau wie sein älterer Bruder Sally Vohssen.

Philipp Vohssen kämpfte als Soldat im Ersten Weltkrieg. Am 1. November 1918 wurde ihm das Eiserne Kreuz zweiter Klasse verliehen. Außerdem war er Besitzer eines Verwundetenabzeichens.

Am 29. Januar 1922 heiratete Philipp Vohssen Anna Waller. Seine Frau wurde innerhalb der Familie auch Aenni genannt und stammte aus Köln, wo sie am 13. August 1894 als Tochter von Hugo und Julie Waller, geborene Cohen, zur Welt gekommen war. Zum Zeitpunkt der Hochzeit wohnte seine Frau in der Allerheiligenstraße 5. Sein Sohn Walter kam am 5. Februar 1924 in Köln zur Welt. Die Familie wohnte in dieser Zeit in einer Wohnung am Brüsseler Platz 14. Am 1. September 1924 wurden Philipp Vohssen und Gottfried Bünger Gesellschafter der elterlichen Firma „Butter- Import“.

Am 31. Dezember 1924 verstarb seine Mutter Emilie Vohssen im Alter von 67 Jahren in Mönchengladbach. Sie wurde auf dem dortigen jüdischen Friedhof begraben.

Dr. Philipp Vohssen war 1933 als Anwalt beim Landgericht in Düsseldorf mit einer Kanzlei in der Graf-Adolf-Straße 46 zugelassen. Im gleichen Haus wohnte er auch. Am 7. April 1933 wurde das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ verabschiedet, welches Behörden bemächtigte, jüdischen Rechtsanwälten, wie Philipp Vohssen, die Zulassung zu entziehen. Seine Zulassung blieb zunächst aufgrund des sogenannten „Frontkämpferprivilegs“ bestehen.

Philipp Vohssen und seine Frau Anna schicken ihren inzwischen zehnjährigen Sohn Walter 1934 auf ein niederländisches Internat. Die Quäkerschule auf dem Landgut Eerde liegt in der Gemeinde Ommen in den Niederlanden. Sein Sohn Walter war nicht der einzige jüdische Flüchtling der Schule. Insgesamt achtzehn jüdische Kinder und Jugendliche fanden dort zunächst Schutz vor den Nationalsozialisten in Deutschland. Die Schülerinnen und Schüler wurden in landwirtschaftlicher Praxis unterrichtet, um sich auf die Auswanderung in sicherere Gebiete vorzubereiten.

Am 21. August 1936 wurde Philipp Vohssen wegen angeblicher Beihilfe zum „Volksverrat“ verhaftet und kurz darauf wieder entlassen. Am 9./10. November 1938 kam es auch in Düsseldorf zu verheerenden Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung. Es kam zu zahlreichen Verbrechen, die sich vor den Augen der Öffentlichkeit abspielten. Neben Körperverletzungen, Mord und Brandstiftungen, verhaftete die Gestapo viele Juden, die zunächst verhört, festgehalten und anschließend zum Teil in Konzentrationslager verschleppt wurden. Es ist nicht bekannt, inwieweit Philipp Vohssen von den Pogromen betroffen war. Am 20. November 1938 wurde ihm seine Zulassung entzogen. Es sollte ein Jahr vergehen, bis Philipp Vohssen wieder juristisch tätig sein konnte. Seine Frau Anna lebte zu dieser Zeit mit ihrer Mutter in Köln, sodass Philipp Vohssen zwischen Düsseldorf und Köln pendelte. Dem Ehepaar Vohssen wurden die Reisepässe am 2. Januar 1939 weggenommen, sodass die Gestapo Philipp Vohssen nur noch einmal wöchentlich gestattete, seine Frau in Köln zu besuchen. Er pendelte fortan zwischen den beiden Städten im Rheinland.

Am 12. Januar 1939 flüchtete sein Bruder Sally Vohssen mit seiner Frau Ilse Vohssen, geborene Barthels, nach Palästina. Als sie am 7. Februar 1939 am Hafen von Hafia ankamen und mit dem Autobus in den jüdischen Stadtteil fuhren, wurde Philipps Bruder Sally Vohssen von einem arabischen Terroristen erschossen.

Nachdem Philipp Vohssen einige Monate zwischen Köln und Düsseldorf pendeln musste, beschloss das Ehepaar, wieder gemeinsam in Köln zu leben. Sie zogen am 25. August 1939 in die Domstraße 45a. Am 14. Oktober 1939 wurde Dr. Philipp Vohssen vom „jüdischen Konsulenten“ Kurt Frank als „juristischer Hilfsarbeiter“ angestellt. Daraufhin zog er nach Düsseldorf in die Karl Anton Straße 11. Das Haus gehörte seinem Arbeitgeber. Später bezog das Ehepaar Vohssen wieder in eine gemeinsame Wohnung in Düsseldorf. Sie waren ab dem 7. April 1941 im Haus am Wehrhahn 83 gemeldet. Seine Schwiegermutter Julie Waller wollte vermutlich nicht allein in Köln bleiben und zog mit ihrer Tochter um nach Düsseldorf und wohnte auch bei ihnen. 

Die Niederlande wurde am 10. Mai 1941 von den Deutschen besetzt. Als Folge durften jüdische Schülerinnen und Schüler nicht mehr zur Schule gehen. Daher wurde sein Sohn Walter und dessen Mitschüler in die Villa De Esch gebracht. Um einer Deportation zu entgehen, tauchten einige der Jugendlichen unter. Philipps Sohn Walter blieb jedoch in der Villa De Esch.

Währenddessen erreichte das Ehepaar im Oktober 1941 der Deportationsbescheid. Philipp Vohssen wandte sich an seinen ehemaligen Kompanieführer aus dem Ersten Weltkrieg und versuchte damit die drohende Deportation abzuwenden. Der Versuch scheiterte jedoch. Philipp Vohssen wurde am 27. Oktober 1941 zusammen mit seiner Frau Anna von Düsseldorf in das Ghetto von Litzmannstadt/Łódź deportiert. Sie mussten dort mit weiteren Deportierten im völlig überfüllten Zimmer 3 der „Düsseldorfer Kollektivunterkunft“ in der Fischstraße 15 leben. Die räumlichen und hygienischen Zustände in den „Kollektivunterkünften“ waren desaströs. Dem Düsseldorfer Rabbiner Dr. Siegfried Klein ist es zu jedoch zu verdanken, dass das „Düsseldorfer Kollektiv“, darunter auch Philipp und seine Frau Anna Vohssen, im Ghetto versorgt wurden. Er organisierte eine faire Lebensmittelversorgung innerhalb der Ghettogemeinschaft mit.

Am 6. Januar 1942 konnten sie ein Zimmer und eine Küche der Wohnung 27 in der Rubensstraße 9 beziehen, deren Räumlichkeiten sie sich mit 7 weiteren Personen teilen mussten. Philipp Vohssen und seine Frau Anna sollten im Mai 1942 „ausgesiedelt“, das heißt ermordet werden.Unter Nachweis seiner Auszeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg konnte Philipp Vohssen, sich und seine Ehefrau von der Deportation mit dem vierten Transport am 7. Mai 1942 zurückstellen lassen.

Am 12. Juni 1942 verstarb seine Frau im Ghetto von Litzmannstadt/Łódź. Nach ihrem Tod verlor Philipp Vohssen vermutlich die Kraft, die unmenschlichen Lebensbedingungen des Ghettos zu ertragen. Er unternahm am 16. Juli 1942 einen Suizidversuch mit Gift. Er wurde von der Rettungsbereitschaft in das Krankenhaus I des Ghettos in die Hanseatenstraße 34/36 gebracht, wo er einen Tag später, am 17. Juli 1942, verstarb.

Sein Sohn Walter war inzwischen neunzehn Jahre alt und Vollwaise. Er wurde gemeinsam mit acht weiteren Mitschülerinnen und Mitschülern am 10. April 1943 verhaftet. Sie wurden zunächst in das Lager Vught transportiert. Anschließend wurde er im Durchgangslager Westerbork interniert. Walter Vohssen wurde am 21. September 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort am 8. Januar 1944 ermordet. Ein Denkmal im Schlossgarten von Eerde erinnert an die vierzehn ermordeten Schülerinnen und Schüler der Quäkerschule Eerde. Philipps Sohn Walter Vohssen wurde auf dem Denkmal verzeichnet.

Autorinnen: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und Maren Marohn, Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e.V.