Gedenkbuch

Feige, Erna

geb. Hartoch

Am 20. Januar 1882 kam Ernestine, genannt Erna, Hartoch in Düsseldorf als Tochter des Kaufmanns Salomon Hartoch und dessen Frau Rebecca, geborene Russ, zur Welt. Sie war das jüngste Kind ihrer Eltern und hatte neun Geschwister. Ihr Vater Salomon Hartoch stammte aus Aachen, wo er 1835 zur Welt gekommen war. Ihre Mutter Rebecca Russ war gebürtig aus Lissa in Posen. In dem Ort rund 85 Kilometer nordwestlich von Breslau gelegen, war sie 1838 geboren worden. Im Jahr 1864 hatten Ernas Eltern geheiratet und zunächst in Geilenkirchen gelebt, wo Ernas älteste Geschwister Simon und Pauline zur Welt gekommen waren. Dann war die Familie nach Mönchengladbach gezogen. Dort waren Ernas Geschwister Henriette, Martha, Thekla, David Theodor und Helene zur Welt gekommen. 1871 war die Familie schließlich nach Düsseldorf gezogen. Hier waren Ernas jüngste Geschwister Louis und Franziska geboren worden.

Die Familie Hartoch führte in Düsseldorf seit 1878 das Warenhaus Gebr. Hartoch. Die Leitung hatte Ernas Vater Salomon Hartoch und später ihr Bruder Simon Hartoch (1862-1921). Ernas Mutter Rebecca Hartoch sorgte sich um die schulische Ausbildung von Erna Sie sollte etwas lernen. In ihrem Tagebuch schrieb Ernas Mutter darüber:…ich erfuhr, dass die jüngste Tochter Lies nach Bonn desselben Jahres auf ein Jahr in Pension ging, im Hause Krager. Während wir nach Hause fuhren, fiel mir so ein, ob es nicht gut wäre, wenn wir Erna auch noch auf ein Jahr aus dem Hause tun sollten. (…) Am 14. September (1897) brachte ich Ernestine nach Bonn, wo bereits Lies von Holland schon 14 Tage da war.“

Am 19. März 1899 verstarb Ernas Vater Salomon Hartoch und wurde auf dem alten jüdischen Friedhof an der Ulmenstraße begraben. Ihre Mutter Rebecca Hartoch beendete daraufhin ihr Tagebuch mit den Worten: „Seit dem Tode meines lieben seligen Salomons ist meine Freude dahin. Still ist es in meinem Herzen, still für mich überall. Eine Pflicht beseelt mich, meinen Kindern möglichst mit Gottes Hilfe eine gesunde Mutter zu erhalten und ganz besonders den Jüngsten, die noch manche Mutterhilfe nötig haben. Ich kenne keine größere Freude, als nur meine Kinder. So lange sie noch alle in meiner Obhut waren, war die glücklichste Zeit meines Lebens. Doch ist mein Herz ruhiger geworden, seitdem sie alle groß sind.“

Im Jahr 1905 eröffnete die Firma Hartoch einen großen und eindrucksvollen Warenhausneubau mit imposanter Passage in der Düsseldorfer Altstadt. Seit 1911 wohnte Erna mit ihrer Mutter in der Sternstraße 70. Ihr Bruder Louis zog im gleichen Jahr nach Potsdam.

Am 14. Oktober 1915 heiratete Erna den Prokuristen Julius Feige in Düsseldorf. Julius Feige war bereits 1901 ins Unternehmen Gebr. Hartoch eingetreten und wurde später Prokurist. Gebürtig kam ihr Ehemann aus der Kreisstadt Rawitsch (dem heutigen Rawicz in Polen), wo er am 16. Mai 1879 als Sohn von Michaelis Feige und dessen Frau Ernestine, geborene Kälter, zur Welt gekommen war. Mit ihrem Ehemann bezog Erna Feige eine Wohnung in der Sternstraße 70. Im Haus wohnte immer noch ihre 77-jährige Mutter Rebecca Hartoch. Diese verstarb am 17. Dezember 1917 in Düsseldorf und wurde auf dem alten jüdischen Friedhof an der Ulmenstraße begraben.

Am 29. September 1926 berichtete der DÜSSELDORFER STADT-ANZEIGER über ihren Ehemann: „Herr Prokurist Julius Feige, Sternstraße 70, kann am 1. Oktober auf eine 25jährige Tätigkeit im Hause der Firma Gebrüder Hartoch AG zurückblicken.“ Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 geriet das Warenhaus Gebr. Hartoch in finanzielle Probleme. Im November 1932 musste die Firma Insolvenz anmelden. Die Krise der Firma, die vielleicht wieder hätte bewältigt werden können, fiel unglücklicherweise mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten zusammen. Für diese waren „jüdische Kaufhäuser“ ein Gegner, den sie aktiv per Boykottmaßnahmen bekämpften. Durch diese Entwicklung waren auch die großen deutschen Bankhäuser nicht mehr bereit, einem in finanzielle Schwierigkeit geratenem jüdische Warenhaus Überbrückungskredite zu gewähren. So wurde das Traditionswarenhaus Gebr. Hartoch 1933 geschlossen. Durch dieses Geschehen verlor auch ihr Ehemann Julius Feige seine Arbeitsstelle. Das Ehepaar musste sicherlich finanziell kürzertreten und eine Folge daraus ist vermutlich ihr Umzug in die Glockenstraße 16 am 7. September 1935.

Ob Erna Feige und ihr Ehemann ein Opfer der Überfälle im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurden ist leider nicht bekannt. Vermutlich versuchten sie, Möglichkeiten für eine Emigration aus Nazi-Deutschland zu realisieren. Dazu kam es jedoch nicht rechtzeitig. Am 10. November 1941 wurde Erna Feige zusammen mit ihrem Ehemann mit der zweiten großen Deportation aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf vom Güterbahnhof Düsseldorf-Derendorf in das Ghetto Minsk deportiert. Sie haben nicht überlebt.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf