Gedenkbuch

Cohen, Eva

geb. Kamp

Eva Cohen kam am 2. April 1863 als Tochter von Alexander und Johanna Kamp, geborene Hausmann, in Krefeld zur Welt. Sie hatte zwei Schwestern Josephine und Julie und zwei Brüder: Adolf (1870-1939) und Michael (1867-1936). Da ihre Mutter als Eva fünf Jahre alt war verstarb, heiratete ihr Vater ein zweites Mal. So bekam Eva noch sechs Halbgeschwister, von denen drei sehr früh verstarben. Ihr Vater Alexander Kamp war Häutehändler. Auch die meisten ihrer Geschwister arbeiteten später in dieser Branche.
Im Jahr 1888 heiratete Eva Kamp den Kaufmann Isaac Cohen. Auch er arbeitete als Häutehändler. Ihr Mann stammte aus Bergheim an der Erft, wo er 1859 als Sohn von Abraham und Caroline Cohen, geborene Harff, zur Welt gekommen war. Mit ihm hatte sie drei Söhne. Der erste Sohn, Arthur, am 13. Oktober 1888 in Düsseldorf zur Welt. Der Sohn Adolf wurde am 26. Mai 1892 geboren. Als letzter Sohn kam Eugen am 27. April 1895 in Düsseldorf zur Welt. Zunächst wohnte die Familie in der Fischerstraße 8. Dort führte ihr Ehemann die Firma „J. & J. Cohen“. Die Firma für Häute, Darmimport und Fleischerei-Einrichtungen war 1881 gegründet worden. Seit November 1917 wohnte Eva Cohen mit ihrer Familie in Düsseldorf in der ersten Etage des Hauses Rather Straße 56. Im Untergeschoß des Hauses führte ihr Ehemann nun die Firma „J. & J. Cohen“. Im Jahr 1904 hatten sie die Geschäftsräume in die Rather Straße 56/58 verlegt und das Haus aufwändig umgebaut.

Eva Cohen war ein Familienmensch. Sie hielt auch nach der Hochzeit enge Verbindungen zu ihrer Familie in Krefeld. Ihre Schwester lebte mit ihrem Ehemann Max Davids in Hüls, ihre drei Brüder, Adolf Kamp, Michael Kamp und Sigmund Kamp wohnten mit ihren Familien in Krefeld. Zwei weitere Brüder, lebten in Essen. Fast jedes Wochenende trafen sich die Geschwister Kamp mit ihren Familien zusammen in einer der Wohnungen, erinnerte sich später Evas Enkel Walter Cohen.
Alle drei Söhne kämpften als Soldaten im Ersten Weltkrieg. Ihr Sohn Eugen wurde verwundet. Ihr Sohn Adolf fiel am 30. August 1918 in den letzten Kriegstagen. Dies war ein großer Schlag für die Familie. In der Todesanzeige hieß es: „Ganz unerwartet erhielten wir die erschütternde Nachricht, dass am 30. August unser treuer herzensguter Sohn und Bruder Adolf Cohen, Unteroffizier, Inhaber des Eisernen Kreuzes II. Klasse, im Alter von 26 Jahren ein Opfer des Völkerringens geworden ist, nachdem er vom Mobilmachungstage an nach zwei schweren Verwundungen seine Pflicht treu erfüllt hat.“

Ihr Sohn Arthur heiratete 1921 Aenne Goldschmidt aus Krefeld. Die beiden schenkten Eva zwei Enkelkinder: Walter (geboren 1924) und Margot (geboren 1926). Im Jahr 1930 heiratete ihr jüngster Sohn Eugen die gebürtige Frankfurterin Lotte Rosenthal. Evas nächster Enkel Gerd kam 1931 zur Welt. Mittlerweile war ihr Sohn Arthur Cohen Hauptgesellschafter und Geschäftsführer der Firma „J. & J. Cohen“, Sohn Eugen Cohen stand ihm als Gesellschafter der Firma zur Seite. Doch die Firma litt sehr unter dem Boykott jüdischer Geschäfte. Auch der Plan ihre weitere Immobilie direkt gegenüber des Eingangs vom Düsseldorfer Schlachthofs modern umzubauen, musste nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten fallen gelassen werden. Um erste finanzielle Engpässe zu überbrücken, verkaufte ihr Mann die Immobilie Fürstenwall 22 noch im Jahr 1933.

Am 25. Januar 1938 feierten Eva und Isaak Cohen mit Freunden und Familie ihre Goldene Hochzeit. Mehrere Fotos der Feierlichkeiten haben sich erhalten. Doch es gab große Sorgen in der Familie bezüglich der Firma. Am 1. April 1938 musste die Firma „J. & J. Cohen“ zwangsweise aufgelöst und am 1. Juli 1938 an einen NSDAP-„Parteigenossen“ mit dem gesamten Warenbestand und dem Inventar verkauft werden. Ihr Sohn Arthur Cohen wurde verpflichtet, dem neuen nationalsozialistischen Besitzer drei Monate ohne Bezahlung als Berater zur Verfügung zu stehen. Eva und Isaak Cohen planten schon zu diesem Zeitpunkt Düsseldorf zu verlassen und in die USA zu emigrieren. Ihr Mann erhielt am 6. September 1938 die Bestätigung vom US-Generalkonsulat, dass er unter der Nummer 21031 in die Warteliste der Visumantragsteller eingetragen sei. Ihr Enkelsohn Walter Cohen war bereits nach Großbritannien emigriert. Eva Cohen schrieb ihm am 1. Oktober 1938 zu Jom Kippur: „Lieber Walter! Deine Briefe lesen wir immer mit Vergnügen, wenigstens haben wir etwas zum Lachen. Ich freue mich, daß Du dort so viel Zeit zum denken hast, hier kämst Du wohl schon mal in Verlegenheit. Gert fastet nicht den ganzen Tag, er soll Mittags mit Frau Preuß zum Essen gehen. Ich wünsche Dir gut zu fasten und verbleibe mit herzl. Gruß u. Kuss, Deine Oma

Einen Monat später änderte sich alles für Eva Cohen. Die 75-Jährige erlitt während des Überfalls durch Nazischläger in ihrer Wohnung einen Schlaganfall, der starke Lähmungen zur Folge hatte. Ihr Sohn Arthur Cohen und auch ihr fast 80-jähriger Ehemann Isaac Cohen wurden nach der Verwüstung noch in der Pogromnacht verhaftet. Ihr Mann Isaac Cohen durfte das Polizeigefängnis am 11. November wieder verlassen, ihr Sohn Arthur Cohen wurde dagegen am 16. November 1938 in das Konzentrationslager Dachau überführt. Er erkrankte dort schwer und wurde am 28. November, nach einem Antrag seiner Firma, die inzwischen durch die „Niederrheinische Treuhand Arens & Co.“ vertreten wurde, aus der Haft entlassen. Ihr Sohn Eugen Cohen berichtete 1960 über die Überfälle auf ihn und seine Familienangehörigen: „In der Kristallnacht wurde das Haus meines Bruders, Graf-Recke-Straße 49 am Zoo, völlig zerstört, ebenso die Wohnung meiner Eltern, Rather Straße 56, welche kurz vorher die Goldene Hochzeit bei bester Gesundheit hatten feiern können. An den Folgen der schweren Misshandlungen starb meine Mutter völlig gelähmt nach langen Qualen.“ 

Eugen Cohen hatte im Juni 1939 mit seiner Ehefrau und seinem Sohn nach England auswandern können. So war Eva Cohen auf ihren ältesten Sohn Arthur und dessen Familie angewiesen. Eva Cohen wurde von ihrer Schwiegertochter Aenne Cohen liebevoll gepflegt. Ihr Sohn Arthur Cohen ließ sein Haus in der Graf-Recke-Straße so umbauen, daß Eva Cohen im Erdgeschoss ohne Stufen untergebracht war. Am 5. Juli 1939 schrieb ihr Sohn Eugen an Verwandte im Ausland: „Während ich angefangen habe zu schreiben, kommt gerade u.a Post von Düsseldorf und schreibt Arthur verzweifelt und will von mir Aufklärung haben, was eigentlich los ist. Änne und Johanna teilten mir bereits vorige Woche mit, dass die l. Mama, trotz ihres furchtbaren Leidens, jeden Morgen fragt, ob mit der Post keine Einreise für Arthur gekommen ist. Es ist kaum zu glauben, dass die schwerkranke Frau, die doch nun 8 Monate auf derselben Stelle sozusagen unbeweglich liegt, auch nun den letzten Sohn hergeben will. Denn sie weiß genau, dass sie und auch der l. Papa keinen mehr von uns wiedersieht.“

Am 13. August 1939 schrieb ihre Schwiegertochter Aenne Cohen an Eugen Cohen in Großbritannien: „Wir freuen uns stets über Eure guten Nachrichten. Bei dem herrlichen Wetter bringen wir die l. Mama immer auf den Balkon am Wintergarten, & ist sie dann doch in der frischen Luft.“ Doch Eva Cohen ging es immer schlechter. Die 76-Jährige starb am 29. Dezember 1939. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Ulmenstraße begraben. In der Folgezeit versuchten ihr Sohn und die Schwiegertochter verzweifelt ihre Emigration zu realisieren, aber es gelang nicht rechtzeitig: Arthur Cohen und dessen Frau Aenne wurden am 27. Oktober 1941 ins Ghetto Litzmannstadt/Łódź deportiert. Sie wurden am 11. September 1942 von dort ins Vernichtungslager Chełmno gebracht und ermordet. 

Evas Ehemann Isaac Cohen musste nach der Deportation von Arthur und Aenne aus dem Haus in der Graf-Recke-Straße 49 ausziehen und in die Duisburger Straße 77 umziehen. Er schrieb am 13. Juli 1942 von dort an die befreundete vormals Düsseldorfer Familie Heinemann nach Brüssel: „Ihre Zeilen habe erhalten und hoffe, daß es Ihnen gesundheitlich gut geht, mir geht‘s soweit G.L. gut; jetzt bin noch in ärztlicher Behandlung.  Von meinen L. hier weiter nichts, nur empfange I. Anzeige über Geldsendungen, welche vorläufig auch aufhören, da am 21. Juli nach Theresienstadt fahre, ohne die ganze Pension.“ Isaac Cohen wurde am 20. Juli 1942 von Düsseldorf in das Ghetto Theresienstadt deportiert, er starb im Ghetto am 28. Juli 1942. Nach seiner Deportation hielt die Düsseldorfer Gestapo am 31. Juli 1942 fest, daß aus dem Besitz von Isaak Cohen 20.000 Reichsmark auf das Sonderkonto „W“ eingezahlt worden sei. Hintergrund dieses Schreiben war, dass nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) nicht mehr direkt auf das Vermögen der deportierten Jüdinnen und Juden zugreifen konnte. Aus diesem Grund hatte das RSHA zur weiteren Vermögensabschöpfung ein sogenanntes „Sonderkonto W“ eingerichtet.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf