Gedenkbuch

Jacoby, Arthur

Arthur Jacoby kam am 27. Oktober 1874 als Sohn der Eheleute Abraham und Julie Jacoby, geborene Philipp, in Dortmund zur Welt. Er hatte noch neun Geschwister. 1902 zog Arthur Jacoby von Dortmund nach Düsseldorf, wo er sich am 30. Dezember 1902 offiziell anmeldete und in der Pionierstraße 20 wohnte.

Am 15. Juli 1910 heiratete er in Neheim Ella Rosenthal. Seine Frau hatte am 23. September 1888 in Neheim als zweites Kind von Julius und Hedwig Rosenthal, geborene Oppenheimer, das Licht der Welt erblickt.

Das Ehepaar Jacoby lebte in der Folgezeit in Düsseldorf. Arthur Jacoby arbeitete als Vertreter. Die Tochter Inge wurde am 18. Juni 1911 in Düsseldorf geboren, der Sohn Klaus am 20. November 1916. Zur Geburt seines Sohnes erhielt Arthur Jacoby Heimaturlaub. Er kämpfte während des Ersten Weltkrieges als Soldat.

Seit 1937 wohnte die Familie Jacoby im Haus Venloer Straße 11a, vorher in der Sternstraße 76. Nachdem sich durch die Politik der Nationalsozialisten die Ausbildungspläne ihrer beiden Kinder zerschlagen hatten, planten seine Kinder Inge und Klaus Jacoby die Emigration aus Deutschland. Klaus meldete sich am 30. September 1938 nach New York, USA ab. In Rotterdam bestieg er am 15. Oktober 1938 die SS Nieuwe Amsterdam. Das war das letzte Mal, dass er seine Mutter sah, die zur Verabschiedung mit nach Rotterdam gereist war. Nachdem Klaus sicher auf dem Schiff war, fuhr Ella Jacoby mit dem Zug nach Düsseldorf zurück. Arthur Jacoby war nicht mit nach Rotterdam gefahren, hatte seine Frau aber gebeten, Klaus einen ausführlichen Brief von ihm zu übergeben. Der Brief begann mit den Worten: „Düsseldorf, 5.10.1938, Mein lieber Klaus, Ich weiß nicht, ob Mutter Dir den Brief persönlich übergeben wird. Jedenfalls möchte ich Dir mein lieber Junge noch einige Zeilen mit auf den Weg geben. Du bist alt und selbstständig genug, um zu wissen was Du zu tun und zu lassen hast, aber Du bist nun auf Dich selbst angewiesen und es werden Dir Dinge genug im Leben passieren bei denen Du den Rat Deiner Eltern hören möchtest, dies wird aber nicht mehr möglich sein. (…)

In der Pogromnacht vom 9. November 1938 drangen mehrere Nazis in die Wohnung des Ehepaars Jacoby in der Venloer Straße 11 a ein und zerschlugen alle wertvollen Einrichtungsgegenstände. Die meisten Teile warfen die Schläger durch die geschlossenen Fenster nach draußen. Die Zerstörungen erlebte auch Inge Jacoby, die auf ihrem Weg nach Südafrika ihre Eltern zum Abschied einige Tage besuchte. Arthur Jacoby versuchte, den Überfall bei der Polizei zu melden (auch mit dem Hinweis auf seine Unteroffizierstätigkeit im Ersten Weltkrieg), die ihn aber wegschickte mit der Aussage, sonst würden sie ihn ins KZ schicken.

Nachdem ihre beiden Kinder ins Ausland geflüchtet waren, versuchten Arthur und Ella Jacoby ebenfalls zu emigrieren. Arthur Jacoby schrieb an seinen Sohn am 17. Februar 1939: „Ich habe den Fehler gemacht Edwins Affidavit ins US Konsulat nach Stuttgart zur Beurteilung zu schicken und nun schicken mir die Kerle es nicht zurück, obwohl ich schon mehrmals darum geschrieben habe. Mit unserer Registriernummer ist es ein Malheur. Wenn das nicht schneller geht werden wir im Jahre 43 drankommen. Wir möchten gern die Wartezeit in England abwarten, aber das ist so ziemlich ausgeschlossen, da ein Engländer für uns garantieren müsste, ca. 20 Pfund pro Monat und die haben wir nicht.“

Am 1. Mai 1939 schrieb er: „Mutter ist zum Schneiderkurs. Der Papa hat inzwischen das Geschirr gespült und das Schlafzimmer in Ordnung gebracht. Kochen kann er noch nicht –schade. I will continue in English. In order to go to the Jewish movies we want to make a trip to Cologne, where movies are to be seen by Jews. All German pictures are forbidden for us. Unser Affidavit haben wir von Stuttgart nicht zurückbekommen. Man gibt noch nicht mal Antwort.“

Am 2. Juni 1939 mussten Arthur und Ella Jacoby ihre Wohnung aufgeben und zwangsweise in das sogenannte „Judenhaus“ in der Rochusstraße 57 ziehen. Am 9. Juni 1939 berichtete er seinem Sohn die neuen Verhältnisse: „Wir wohnen nun seit dem 31. in unserer neuen Behausung. Unser Zimmer ist 4×9 m groß & hat ein Riesenfenster nach einem sehr schönen Garten mit altem Baumbestand. So alt, daß unser Zimmer z.T. dadurch beschattet ist. Im Wintergarten (also nach dem Garten) stehen Tisch, Stühle & 2 Schränke, dann Sofa, Sessel & kl. runder Tisch & zur Türe die Schlafzimmermöbel. Diese sind modernisiert worden. Bettstellen & Schränke ganz niedrig & alles auf den gleichen Ton gebeizt. Das Ganze ist sehr behaglich & macht den Eindruck eines eleganten Hotelzimmers. Schwieriger war schon die Mitbenutzung von Küche & Badezimmer (dieses sehr schön), aber die Verständigung ging bis heute (unberufen) ganz glatt. Somit sind wir also mit dem Tausch ganz zufrieden, zumal wir fast die Hälfte an Miete sparen. Nur machte es ein furchtbares Kopfzerbrechen, wohin mit all unseren Brocken. Aber auch das ist geschafft – .“ Am 31. Oktober 1939 schrieb er über den Alltag: „Unser Leben fließt eintönig dahin. Theater, Konzerte, Kino kennen wir nicht mehr. Glücklicherweise ist die Hausgemeinschaft mit Weinbergs sehr nett. Wir sitzen schon mal bis 12 zusammen und erzählen uns was. Wir zehren von der Vergangenheit.

Auch die beiden versuchten nun eine Ausreise aus Deutschland zu organisieren. Doch dies gestaltete sich sehr schwierig. Am 31. Dezember 1940 schrieb Arthur Jacoby: „Lieber Klaus, heute ist der letzte Tag des Jahres. Ich bin froh, dass es herum ist. 1940 hat uns Enttäuschung und auch sonst nichts Gutes gebracht. Im Raum steht die bange Frage, was wird uns 1941 bringen? Ich habe nur den einen Wunsch, dass wir im neuen Jahr ans Ziel unserer Hoffnungen kommen. Wir, Mutter und ich wollen trotzdem mit dem Schicksal nicht hadern. Wir sind gesund, das Essen schmeckt uns und wir schlafen ganz gut. Und wenn Ihr, Inge und Du gesund und zufrieden seid, dann wollen wir dem lieben Gott danken.“

Arthur Jacoby schrieb am 13. August 1941 an Klaus: „Von Stuttgart wirst Du keinen Bescheid mehr bekommen, denn das Konsulat ist gar nicht mehr da. Ich glaube nicht das Aussichten vorhanden sind, vor Beendigung des Krieges auswandern zu können. Wir müssen uns mit unserem Schicksal abfinden und trotz allem mit Gottvertrauen auf eine bessere Zukunft hoffen.“ Leider waren alle guten Wünsche vergebens. Am 27. Oktober 1941 musste Arthur Jacoby diese bitteren Worte an seinen Sohn schreiben: „Mein lieber Klaus! Heute ist mein Geburtstag, kein schöner Tag. Also die Würfel sind gefallen, zwischen dem 2. und 8.11. werden wir unseren Wohnort verlassen. Schreibe uns erst dann wieder, wenn Du unsere neue Adresse hast. Wir sind voller Sorge über unsere Zukunft. Tante Emma und Tante Toni sind schon abgereist. (…)

Am 10. November 1941 wurden Arthur und Ella Jacoby vom Güterbahnhof Düsseldorf-Derendorf in das Ghetto Minsk deportiert. Sie haben nicht überlebt.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf