Gedenkbuch

Winter, Ruth

Ruth Winter kam am 9. März 1932 als Tochter von Bernhard und Emma Winter, geborene Cahn, in Düsseldorf zur Welt. Sie lebte mit ihren Eltern in der Siemensstraße 52 in Düsseldorf. Ihr Vater, Bernhard Winter, verdiente den Lebensunterhalt der Familie als Metzger. Ihre Mutter Emma Winter war ausgebildete Buchhalterin. Ruths Vater durfte in der NS-Zeit nicht mehr als Metzger arbeiten. Ihr Vater und ihre Mutter eröffneten daraufhin einen Milchladen in der Siemensstraße 52.

Ruth Winter und ihre Eltern wurden in der Pogromnacht vom 9./10 November 1938 in ihrer Wohnung überfallen. Der Laden und die Wohnung in der Siemensstraße 52 wurden, bis auf das Schlafzimmer, zerstört. Den Lieferwagen, mit dem ihr Vater Bernhard seinen kleinen Kundenkreis noch beliefern konnte, wurde nach dem Überfall in Beschlag genommen. In einer Akte, die die Gestapo über ihren Vater Bernhard Winter anfertigte, steht, dass er „(Metzger) Milchhändler bis 31.10.38, dann erwerbslos [war]“.
Ruths Vater wurde „im Zuge der Vergeltungsaktion“, wie es in der Gestapo Akte heißt, am 11. November 1938 festgenommen und am 16. Dezember 1938 ins Konzentrationslager Dachau „überführt“. Er wurde am 17. November 1938 als „Häftling“ mit der Nummer 29485 im Konzentrationslager registriert. Der jüdische Rechtsanwalt Dr. Max Mendel wand sich am 3. Dezember 1938 an die Gestapo Düsseldorf und beantragte die „Entlassung aus [der] Schutzhaft“. Dem Antrag wurde stattgegeben und der Familienvater wurde am 12. Dezember 1938 aus dem Konzentrationslager Dachau entlassen. Infolge seiner Inhaftierung versuchte ihr Vater die Ausreise seiner Familie zu ermöglich, allerdings ohne Erfolg.

Ruth Winter wurde 1938 möglicherweise auf der Jüdischen Schule Düsseldorf eingeschult. Sie besuchte den Unterricht für drei Schuljahre. Am 17. November 1939 zogen Ruth und ihre Eltern aus der Germaniastraße 28 in die vierte Etage des Wohnhauses im Fürstenwall 198. Ihr Vater musste Zwangsarbeit in Düsseldorf leisten, sein dazu ausgestelltes Arbeitsbuch hatte die Nummer 169/248417.
Zwei Jahre später, am 27. Oktober 1941, wurde Ruth Winter, die zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt war, gemeinsam mit ihren Eltern ins Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert.
Als die Familie im Ghetto ankam, wurden sie der sogenannten „Kollektivunterkunft“, einer Sammelunterkunft des „Düsseldorfer Transports“, in dem ehemaligen Schulgebäude in der Fischstraße 15 zugeteilt. Dort mangelte es an lebensnotwendigen Ressourcen, Hygieneeinrichtungen und Sanitäranlagen.
Im Ghetto musste Ruths Vater erneut Zwangsarbeit leisten. Dazu musste er sich am 14. Dezember 1941 zusammen mit anderen Fleischern beim Kommissar der Fleischzentrale des Ghettos melden. Am 29. April 1942 wurde mit der Bekanntmachung Nr. 380 angekündigt, dass Jüdinnen und Juden „aus dem Altreich, Luxemburg, Wien und Prag nach Litzmannstadt-Ghetto eingesiedelten Juden“ ausgesiedelt, d.h. deportiert werden sollten. Ruth Winter und ihre Eltern Emma Winter und Bernhard Winter erhielten eine „Ausreiseaufforderung“. Ruths Vater konnte jedoch eine Rückstellung vom elften (XI) „Aussiedlungstransport“ am 14. Mai 1942 erreichen. Mitte Mai 1942 wurden die „Kollektivunterkünfte“ aufgelöst, sodass Ruth mit ihren Eltern in die Wohnung 6 in der Hanseatenstraße 16 zog. Damit konnte die Familie zunächst im Ghetto bleiben.

Am 4. September 1942 wurde bekannt gegeben, dass die „Aussiedlung“ von Kindern unter zehn Jahren, Erwachsenen, die älter als 65 Jahre alt waren und „nicht arbeitsfähigen Personen“, geplant wurde. Ruth Winter war erst vor wenigen Monaten zehn Jahre alt geworden und somit vorerst „sicher“ vor einer Deportation, wie der Judenälteste Chaim Rumkowski den verängstigten Ghettobewohner- und Bewohnerinnen in einer Ansprache mitteilen musste. Doch Ruths Vater Bernhard Winter wurde bei den „Aussiedlungen“ im September 1942 aufgegriffen und wurde gemeinsam mit 160 Personen aus dem „Düsseldorfer Kollektiv“ ins Vernichtungslager Chełmno (Kulmhof) deportiert und dort ermordet.
Nach der Ermordung ihres Vaters, zogen Ruth und ihre Mutter am 15. Dezember 1942 in die Wohnung 11 in der Hohensteinerstraße 42. Zwei Monate später, am 14. Februar 1943, verstarb ihre Mutter Emma Winter. Als offizielle Todesursache wurde „Lungentuberkulose“ in der „Abmeldung“ verzeichnet.
Ruth Winter war nun Vollwaise und im Ghetto auf sich alleine gestellt. Sie wohnte seit dem 10. Dezember 1943 in der Wohnung 36 in der Steinmetzstraße 9. Am 19. Juni 1944 wurde Ruth Winter in das Gefängnis des Ghettos (als Sammelunterkunft vor der Deportation) gebracht und musste dort vier Tage ausharren, bis sie am 23. Juni 1944, mit dem Transport Nr. 211, in das Vernichtungslager Chełmno/Kulmhof gebracht wurde. Dort wurde die zwölfjährige Ruth Winter am 24. Juni 1944 ermordet.

Autorinnen: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und Maren Marohn, Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e.V.