Gedenkbuch

Grossmann, Rosalie

geb. Bernstein

Rosalie Bernstein wurde am 2. Mai 1861 in Fröndenberg geboren. Ihr Vater war der Handelsmann Kusel David Bernstein (1795-1873 Fröndenberg). Ihr Vater war zweimal verheiratet. In erster Ehe mit Henriette Kronenberg. Rosalies Mutter war Rosa Rosenbaum (1822-1866) mit der ihr Vater in zweiter Ehe verheiratet war. Ihr Vater hatte insgesamt 14 weitere Kinder. Eine Schwester von Rosalie Bernstein war die 1851 geborene Eva. Sie heiratete Samuel Neugarten und lebte später mit ihm in Dortmund.

Rosalie Grossmann heiratete im Dezember 1885 den Metzger Josef Grossmann. Ihre Tochter Helene, die in der Familie Leni genannt wurde, kam am 16. März 1887 in Düsseldorf zur Welt. Ihr Sohn Fritz (eigentlich Friedrich) wurde am 27. Juli 1888 in Düsseldorf geboren. Die zweite Tochter Rosa kam am 26. Oktober 1894 in Düsseldorf zur Welt.

Ihrem Mann Josef Grossmann gehörte das Haus Talstraße 3. Dort befand sich 1924 das „Gardinenhaus Grossmann, Spezialgeschäft für Gardinen“. Rosalie Grossmann wohnte mit ihrem Ehemann in der ersten Etage. Ihr Ehemann Josef Grossmann starb am 13. Februar 1925 in Düsseldorf. Die beiden hatten ihren jüdischen Glauben aktiv gelebt und auch dies an ihre Kinder weitergegeben.

Ihre älteste Tochter Leni heiratete 1908 Max Neugarten aus Dortmund. Seine Mutter Eva (1851-1932) war eine Schwester von Rosalie Grossmann. Ihre Tochter Leni lebte mit ihrem Mann in Düsseldorf und bekam 1908 und 1910 zwei Söhne: Kurt und Fritz. Sie war Rosalie Grossmanns erste Enkelkinder.

Ihr Sohn Fritz Grossmann heiratete 1919 Marta Ransohoff. Ihr Enkel Gerd kam am 8. Mai 1926 zur Welt. Am 21. Dezember 1927 kam Rosalie Grossmanns weiterer Enkel, Werner, zur Welt. Die Familie ihres Sohnes wohnte in Düsseldorf auf der Schadowstraße 26. Hier befand sich auch das Geschäft für Betten, Bettwaren, Dekorationen und Polstermöbel „Bettenhaus Alsberg“, dass ihr Sohn nach der Hochzeit als Geschäftsführer leitete. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde das Geschäft immer mehr boykottiert. 1938 musste es schließlich an die Firma Hönscheidt verkauft verkauft werden. 

Ihre jüngere Tochter Rosa (in der Familie Mausi genannt) heiratete am 1. September 1927 in Düsseldorf Alfred Somborn aus Metz und wohnte nach der Hochzeit mit ihm in Stuttgart. Die beiden schenkten Rosalie Grossmann eine Enkelin, Ruth, die am 18. April 1931 in Stuttgart geboren wurde. Am 14. März 1940 reiste Rosalie Grossmann für einige Tage nach Stuttgart, wie das Hausbuch Talstraße 3 verzeichnet. Vermutlich wollte sie sich von ihrer Tochter und deren Familie verabschieden. Am 26. April 1940 bestieg ihre Tochter Rosa Somborn zusammen mit ihrem Mann und Tochter Ruth in Antwerpen das Schiff SS Pennland mit Ziel New York.

Die Beziehung zur Familie ihres Sohnes war natürlich enger, da diese auch in Düsseldorf lebten. Ihr Enkel erinnerte sich in einem Interview mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf an die Besuche bei seiner Oma: „Da gab es Zimtsterne und Zwieback mit einer Zuckerschicht. Sie hatte auch solche klebrigen Bonbons im Rock und da hob sie den Rock hoch und die Bonbons waren in einer Tasche, irgendeines Unterrocks. Es gab Schnibbelbohnen und Hammelfleisch. Das war wäßrig und das Fett schwamm obenauf. Es war ganz furchtbar, wenn wir bei der Großmutter essen mussten! Wir gingen aber gerne zur Talstraße am Apollotheater vorbei, die Königsallee entlang und schauten in die Autos nach den Geschwindigkeitsmessern, ob sie bis 160 Km/h oder 200 Km/h gingen. Die schweren Maschinen imponierten uns.“

Auch die jüdischen Feste wurden vor allem mit Rosalie Grossmann gefeiert. Ihr Enkel Gerd erinnert sich: „Weihnachten und Ostern waren bei uns sehr wichtig. Die jüdischen Feste kamen, so in etwa dazu, durch die Großmutter und den Vater, aber wir gehörten zu den deutschen Juden, die die deutsche Kultur an erster Stelle genossen.

Ihr Sohn Fritz Grossmann wohnte seit 1937 in einer kleineren Wohnung in der Wagnerstraße 40. Durch einen glücklichen Umstand wurden sie in der Pogromnacht 1938 nicht überfallen, aber das Ereignis bekräftigte den Entschluss ihres Sohnes Deutschland zu verlassen. Zum Zeitpunkt der Überfälle waren alle bei ihr in der Wohnung in der Talstraße. Ihr Enkel Gerd erinnerte sich folgendermassen: „Wir waren bei meiner Großmutter in der Talstraße. Als die Jungs an die Tür kamen, kauerte die ganze Familie im Haus. Die Großmutter sagte „der Kapitän verläßt nicht sein Schiff“. Irgendwie ging es dann nach Duisburg zur Hilde, aber da konnten wir nicht bleiben. Da konnte man keinen verstecken. Von da ging es nach Nieheim aufs Land, und da kamen Leute zu uns und sagten „die SS wartet auf Euch auf der Straße.“ Der Vater ging weg. Wir wussten nicht wohin und wir gingen mit der Mutter, und gingen dann nach Hause, nach Paderborn oder irgendwo, am Wochenende. Dann war es vorbei.“

1938 emigrierte ihre Tochter Leni Neugarten mit ihrem Ehemann über die Niederlande nach Amerika. Ihre Enkel Werner und Gerd Grossmann konnten kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 mit dem letzten Düsseldorfer Kindertransport nach England geschickt werden. Ihr Sohn Fritz plante nun auch die eigene Emigration. Er wurde am 3. Juli 1939 beim versuchten Grenzübertritt nach Belgien  von der Gestapo Aachen festgenommen und in das KZ Dachau gebracht. Von dort wurde er am 27. September 1939 ins KZ Buchenwald überführt. Dort wurde sein Tod am 28. Februar 1940 in den Sterbebüchern des Lagers vermerkt

Nach der Verhaftung ihres Sohnes war ihre Schwiegertochter Marta Grossmann zu ihr in die Talstraße 3 gezogen. Die beiden Frauen bemühten sich verzweifelt um eine Freilassung von Fritz Grossmann. Sein Tod war für beide, Mutter und Ehefrau, ein Schock.

Die eigene Emigration von Rosalie Grossmann und ihrer Schwiegertochter Martha rückte in unerreichbare Ferne. Beide waren jedoch glücklich, dass Gerd und Werner in Sicherheit waren. Ihre Schwiegertochter Martha Grossmann wurde am 10. November 1941 mit der zweiten großen Düsseldorfer Deportation ins Ghetto Minsk deportiert. Sie hat nicht überlebt.

Die 81-jährige Rosalie Grossmann wurde am 21. Juli 1942 von Düsseldorf in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Von dort kam sie am 21. September 1942 auf einen Transport in das Vernichtungslager Treblinka, wo sie ermordet wurde.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf