Gedenkbuch

Brandt, Inge

Am 15. Juli 1932 wurde Inge Brandt in Detmold geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Dr. Siegfried Brandt und dessen Frau Else, geborene Simon. Inge war das zweite Kind ihrer Eltern. Doch ihr am 21. April 1930 in Detmold geborene Bruder Heinz verstarb als Einjähriger am 5. Mai 1931. Dies war für ihre Eltern sicherlich ein schwerer Schlag. Und auch Inges Gesundheit lag den Eltern vermutlich immer im Blick. Auf einem späteren Dokument aus den Niederlanden wurde vermerkt, dass sie an Diabetes litt.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam die Firma ihres Vaters „Vereinigte Möbelfabriken Neugarten & Eichmann“ als „jüdische Firma“ unter Druck. Im November 1935 wurde die Firma schließlich zu „Vereinigte Möbelfabriken G.m.b.H Detmold“ „arisiert“.

Am 20. März 1936 zogen ihre Eltern mit der dreijährigen Inge nach Düsseldorf. Zunächst wohnten sie in der Venloer Straße 9. Dort wohnte auch Max Neugarten (1879 in Dortmund). Vermutlich war er mit der Detmolder Firma „Neugarten und Eichmann“ verwandtschaftlich verbunden und hatte den Kontakt nach Düsseldorf hergestellt. Durch den Verlust der Arbeitsstätte ihres Vaters kam die Familie in schwierige finanzielle Verhältnisse. Am 21. Juli 1937 schrieb die Synagogengemeinde Düsseldorf an die Synagogengemeinde in Detmold: „Wir bemerken, dass Herr Dr. Brandt ein schwer krankes Kind hat, und seinen Lebensunterhalt in Holland verdient. Er ist beim Vorstand der Synagogengemeinde vorstellig geworden, mit dem Ergebnis, dass die von ihm angeführten Gründe dazu führten, dass der Vorstand der Synagogengemeinde Düsseldorf seine Steuerleistungen um mehr als die Hälfte ermässigt hat.“

Am 2. August 1938 zogen sie innerhalb Düsseldorfs um in die Reisholzerstraße 26. Möglicherweise hing der Umzug mit der Emigration in die Niederlande von Max Neugarten und seiner Familie zusammen. Auch ihre Eltern warteten auf Einreisepapiere für Holland. Das Passgesuch ihres Vaters war zunächst wegen Steuerschulden abgelehnt worden. Nach Begleichung der Rechnung wurde ihm ein Reisepass für ein Jahr bewilligt.

Zuvor war ihr Vater bereits einige Zeit in Amsterdam, um die Emigration der Familie vorzubereiten. Er war im Parnasssusweg 24 III seit dem 6. April 1938 gemeldet und ab dem 5. Juli 1938 dann in der Deurloostraat 74 II. Ab Januar 1939 wohnte er in der Berkelstraat 3 III. Die siebenjährige Inge zog mit ihrer Mutter am 13. Januar 1939 auch nach Amsterdam.

Nach der Besetzung der Niederlande wurde ihre Situation immer schwieriger. Im Januar 1941 verschärften sich die antijüdischen Gesetze und Verordnungen in den besetzen Niederlanden. Ab September 1941 durfte Inge keine Schule mehr besuchen. Ab Mai 1942 mussten sie auch an ihrer Kleidung einen Judenstern tragen.

Am 20. Juni 1943 führten die Nationalsozialisten in Amsterdam eine großangelegte Razzia durch. Die Verhafteten, darunter auch Inge Brand mit ihrer Familie, wurden noch am gleichen Tag in das polizeiliche „Judendurchgangslager Westerbork“ gebracht. Von dort wurden sie am 1. Februar 1944 in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Am 16. Februar 1945 verstarb ihr Vater Siegfried Brandt im KZ Bergen Belsen. Inge Brandt verstarb am 5. März 1945.

Ihre Mutter Else Brandt, die eigentlich krank war und nicht laufen konnte, wurde von Bergen Belsen auf einen erneuten Transport gebracht. Es handelte sich um den sogenannten „verlorenen Zug“ aus Bergen-Belsen. Ziel des Transportes sollte eigentlich das Ghetto Theresienstadt sein. Der Zug mit ursprünglich 2400 Häftlingen hielt schließlich nach einer Irrfahrt durch noch unbesetzte Teile Deutschlands in der Nähe der brandenburgischen Gemeinde Tröbitz auf offener Strecke an. Am 23. April 1945 fanden vorrückende Truppen der Roten Armee den Zug und befreiten die völlig entkräfteten Menschen aus den Waggons. Etwa 200 Menschen hatten die Fahrt nicht überlebt. In den nachfolgenden Wochen starben weitere 320 befreite Menschen durch eine Fleckfieber-Epidemie. Unter ihnen war auch ihre Mutter Else Brandt. Sie verstarb in Tröbitz am 26. Mai 1945 und wurde in einem Massengrab des „Nordfeld-Lagers“ begraben.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf