Brandt, Siegfried
Am 16. Juli 1895 kam Siegfried Brandt in Ostrowo in Posen zur Welt. Seine Eltern Hermann und Auguste Brandt, geborene Pogorzelski, hatten drei weitere Söhne: Gustav (1889-1890), Fritz (1891-1943) und Max (1893-1943). Siegfried Brandt bestand Ostern 1914 sein Abitur in Ostrowo. Er studierte und promovierte. Nach dem Studium arbeitete er als Kaufmann und Prokurist. Zunächst lebte er in Bonn und zog 1925 nach Detmold. Dort wurde Siegfried Brandt Geschäftsführer der Firma „Vereinigte Möbelfabriken Neugarten & Eichmann“. 1925 wohnte er in der Friedrichstraße 17 b bei Schuster. Am 24. April 1927 zog er in die Orbker Straße 47. Zunächst als Untermieter der Firma Neugarten und Eichmann. Im Dezember 1926 verlobte er sich mit Else Simon. Sie war am 20. Februar 1903 in Köln als Tochter von Salomon und Selma Simon, geborene Hirsch, zur Welt gekommen und wohnte mit ihren Eltern in Bonn in der Koburger Straße 3. Sie heirateten am 25. März 1927 in Bonn Am 21. April 1930 kam in Detmold sein Sohn Heinz zur Welt. Am 5. Mai 1931 verstarb sein einjähriger Sohn in Detmold.
Am 15. Juli 1932 kam seine Tochter Inge in Detmold zur Welt. Auf einem späteren Dokument aus den Niederlanden wurde vermerkt, dass sie an Diabetes litt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam sein Arbeitgeber als „jüdische Firma“ unter Druck. Im November 1935 wurde die Firma Neugarten und Eichmann zu „Vereinigte Möbelfabriken G.m.b.H Detmold“ „arisiert“.
Am 20. März 1936 zog Dr. Siegfried Brandt mit seiner Familie nach Düsseldorf. Zunächst wohnten sie in der Venloer Straße 9. Dort wohnte auch Max Neugarten (1879 in Dortmund). Vermutlich war er mit der Detmolder Firma „Neugarten und Eichmann“ verwandtschaftlich verbunden. Am 21. Juli 1937 schrieb die Synagogengemeinde Düsseldorf an die Synagogengemeinde in Detmold: „Wir bemerken, dass Herr Dr. Brandt ein schwer krankes Kind hat, und seinen Lebensunterhalt in Holland verdient. Er ist beim Vorstand der Synagogengemeinde vorstellig geworden, mit dem Ergebnis, dass die von ihm angeführten Gründe dazu führten, dass der Vorstand der Synagogengemeinde Düsseldorf seine Steuerleistungen um mehr als die Hälfte ermässigt hat.“
Am 2. August 1938 zogen sie in die Reisholzer Straße 26 um. Möglicherweise hing der Umzug mit der Emigration von Max Neugarten und seiner Familie in die Niederlande zusammen. Auch Siegfried Brandt wartete auf Einreisepapiere für Holland. Sein Passgesuch war zunächst wegen Steuerschulden abgelehnt worden. Nach Begleichung der Rechnung wurde ihm ein Reisepass für ein Jahr bewilligt. Zuvor war Dr. Siegfried Brandt bereits einige Zeit in Amsterdam, um die Emigration der Familie vorzubereiten. Er war im Parnasssusweg 24 III seit dem 6. April 1938 gemeldet und ab dem 5. Juli 1938 dann in der Deurloostraat 74 II. Ab Januar 1939 wohnte er in der Berkelstraat 3 III. Seine Frau Else und die Tochter Inge folgten ihm dorthin am 13. Januar 1939.
Nach der Besetzung der Niederlande wurde die Situation von ihm und seiner Familie immer schwieriger. Im Januar 1941 verschärften sich die antijüdischen Gesetze und Verordnungen in den besetzen Niederlanden. Ab September 1941 durfte seine Tochter Inge keine Schule mehr besuchen. Ab Mai 1942 mussten sie auch an ihrer Kleidung einen Judenstern tragen.
Am 20. Juni 1943 führten die Nationalsozialisten in Amsterdam eine großangelegte Razzia durch. Die Verhafteten, darunter auch Siegfried Brand mit seiner Familie, wurden noch am gleichen Tag in das polizeiliche „Judendurchgangslager Westerbork“ gebracht. Von dort wurden sie am 1. Februar 1944 in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Am 16. Februar 1945 verstarb Siegfried Brandt im KZ Bergen Belsen. Seine Tochter Inge verstarb am 5. März 1945. Seine Ehefrau Else Brandt, die eigentlich krank war und nicht laufen konnte, wurde von Bergen Belsen auf einen erneuten Transport gebracht. Es handelte sich um den sogenannten „verlorenen Zug“ aus Bergen-Belsen. Ziel des Transportes sollte eigentlich das Ghetto Theresienstadt sein. Der Zug mit ursprünglich 2400 Häftlingen hielt schließlich nach einer Irrfahrt durch noch unbesetzte Teile Deutschlands in der Nähe der brandenburgischen Gemeinde Tröbitz auf offener Strecke an. Am 23. April 1945 fanden vorrückende Truppen der Roten Armee den Zug und befreiten die völlig entkräfteten Menschen aus den Waggons. Etwa 200 Menschen hatten die Fahrt nicht überlebt. In den nachfolgenden Wochen starben weitere 320 befreite Menschen durch eine Fleckfieber-Epidemie. Unter ihnen war auch Else Brandt. Sie verstarb in Tröbitz am 26. Mai 1945 und wurde in einem Massengrab des „Nordfeld-Lagers“ begraben.