Gedenkbuch

Herzfeld, Annemarie

Annemarie Herzfeld wurde am 12. Januar 1903 in Düsseldorf geboren. Ihre Schwester Leonore kam am 2. Juni 1905 zur Welt. Beide wurden evangelisch getauft.

Ihr Vater Albert Herzfeld stammte aus einer angesehenen Fabrikantenfamilie. Er war am 19. August 1865 als Sohn des Ehepaars Leonhard und Lina Herzfeld, geborene Boas, in Düsseldorf zur Welt gekommen. Ihre Mutter Elsa Herzfeld war als Tochter des Bankiers Franz Moritz Leopold Volkmar und dessen Frau Henriette, geborene Rosenthal, am 10. Juni 1882 in Berlin zur Welt gekommen. Die Eltern hatten am 10. März 1902 in Berlin-Charlottenburg geheiratet. Zu diesem Zeitpunkt wohnte ihr Vater Albert Herzfeld in seinem Elternhaus in der Rosenstraße 21 in Düsseldorf. 

Im Ersten Weltkrieg meldete sich ihr 49jähriger Vater Albert Herzfeld freiwillig an die Front. 1915 wurde er Leutnant, und später mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet.

Annemarie Herzfeld beendete ihre Schulzeit 1922 mit dem Abitur. Zunächst machte sie eine kaufmännische Lehre. Sie studierte danach in Heidelberg und Bonn Jura und promovierte 1930. Sie befand sich gerade im Vorbereitungsdienst zur Gerichtsreferendarin als sie 1933 als „Nichtarier“ entlassen wurde. So musste Dr. Annemarie Herzfeld  jäh durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten den geplanten Karriereweg verlassen. Von 1934 bis 1938 arbeitete sie dann als Sekretärin in den Hahn’schen Werken in Huckingen. In dieser Zeit war sie wieder bei ihren Eltern in der Feldstraße 37 gemeldet.

Ihre Schwester Leonore war nach ihrer Heirat 1933 mit dem Diplom Ingenieur und Chemiker Dr. Walter Mannchen 1934 nach Dessau gezogen.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 veränderte das Leben der gesamten Familie Herzfeld. Ihr Vater Albert Herzfeld führte Tagebuch. Seine Eintragungen der Jahre 1935 bis 1939 sind erhalten geblieben. Ihr Vater hielt im November 1935 ein Gespräch mit Annemarie fest: „Heute Abend beim Abendbrot erzählte mir Annemarie ganz gesprächsweise, daß unauffällig gekleidete jüdische Gäste im Magdeburger Hof in Magdeburg durch den Kellner aufgefordert worden sind, das Lokal zu verlassen. Ich hielt derartiges für ausgeschlossen und unmöglich. Worauf mir Annemarie erwiderte, „Wie bin ich denn aus dem Gerichtsgebäude verwiesen worden?“ Ich hatte keine Ahnung davon, und sie erzählte mit darauf, daß sie, den genauen Zeitpunkt weiß sie nicht mehr, es wird also vor 2 Jahren gewesen sein, im Gerichtsgebäude bzw. Saal, in dem sie arbeitete, ans Telefon gerufen wurde und man sie ersuchte, sofort in irgendein Büro zu kommen, wo ihr von einem dort sitzenden, ihr ganz unbekannten Richter gesagt wurde, daß sie wohl nicht wisse, daß sie das Gerichtsgebäude nicht mehr betreten dürfe und er sie deshalb ersuche, dieses sofort zu verlassen.

Annemarie Herzfeld konnte bis März 1938 als Sekretärin arbeiten. Am Montag, den 21. März 1938 notierte ihr Vater in seinem Tagebuch: „Annemarie wurde ihre Entlassung, die sie als einzige Nichtarierin in ihrer Firma schon lange erwartet hatte, am 1. März mitgeteilt. Sie geht seitdem wie eine geschlagene herum und wenn sie nicht durch mich einen finanziellen geringen Hintergrund hätte, möchte sie auch sich im Ausland eine Stellung suchen (…) Annemarie’s Entlassung bei den Hahn’schen Werken vollzog sich in der für alle Teile sehr aufregenden Weise. Ihre mit ihr zusammen arbeitenden weiblichen Kolleginnen weinten, und ihr leitender Direktor hat nach wie vor sie als Christin in seiner Familie behalten und sie ist fast täglich bei ihm und seiner Familie.

Im September 1941 erhielt die Familie Herzfeld die Nachricht, dass ihre Großmutter Henriette Volkmar am 12. September 1941 in Berlin verstorben war. Der Hausmeister des Hauses in der Kronprinzenallee 18/22 in Berlin-Schmargendorf meldete den Behörden ihren Tod. 

Kurze Zeit später musste Annemarie Herzfeld den nächsten Schlag verkraften: sie erhielt die Nachricht, dass sie sich für die zweite große Deportation aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf bereiten halten sollte. Am 10. November 1941 wurde sie vom Güterbahnhof Düsseldorf-Derendorf in das Ghetto von Minsk deportiert. Danach verliert sich ihre Spur.

Ihre Eltern wurden knapp ein halbes Jahr später, am 21. Juli 1942, in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Ihr Vater Albert Herzfeld verstarb am 13. Februar 1943 dort im Ghetto im Alter von 78 Jahren. Ihre Mutter Elsa Herzfeld wurde aus dem Ghetto Theresienstadt am 15. Mai 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.

Nur ihre Schwester Leonore Mannchen überlebte die nationalsozialistische Verfolgungszeit.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf