Gedenkbuch

Eichenberg, Johanette (Johanna)

geb. Nathan

Am 31. März 1879 kam Johanette Nathan als jüngste Tochter von Gustav und Henriette Nathan, geborene Cahn, in Frankfurt am Main zur Welt. Sie wuchs mit vier Geschwistern in Frankfurt am Main auf: Sophia (geboren 1865), Matthias (geboren 1866), Charlotte (geboren 1868) und Amalia (geboren 1873). Ihre Familie hatte vor Johanettes Geburt einige Jahre in Bingen gelebt. Ihr Vater Gustav Nathan hatte dort als Weinhändler gearbeitet.

Johanette Nathan heiratete am 18. Februar 1910 in Frankfurt am Main den Kaufmann Albert Eichenberg (1861-1922). Ihr Ehemann war in erster Ehe bereits verheiratet gewesen: Seine erste Frau Fridolina Eichenberg, geborene Kaufmann, war 1908 kurz nach der Geburt des zweiten Kindes verstorben. So zog Johanette zwei Stiefkinder auf: Eleonore (geboren 1902) und Hans Gerhard (geboren 1908). Am 9. Februar 1911 kam ihre leibliche Tochter Ruth Eichenberg in Düsseldorf zur Welt. 

Ihr Mann gründete und führte in Düsseldorf das Getreide Import Geschäft „Eichenberg & Lazarus“. Zusammen mit Alfred Lazarus in Arnsberg unterhielt er die Firma. 1898 hatte sie sich in der Carlsstraße 19 befunden, 1901 dann in der Kaiser-Wilhelmstraße 35 I und in den 1920er Jahren in der Steinstraße 65.

Johanettes Ehemann Albert Eichenberg verstarb am 2. Mai 1922 in Düsseldorf wenige Tage vor seinem 61. Geburtstag. Zu diesem Zeitpunkt wohnte Johanette Eichenberg bereits in der Oststraße 150. Ihr Mann wurde auf dem neuen jüdischen Friedhof begraben. In der Todesanzeige sowie im Düsseldorfer Adressbuch wird ihr Vorname mit „Hansel“ angegeben. Vermutlich wurde sie so auch im Familien- und Freundeskreis genannt. 

Nach dem Tod ihres Mannes wurde dessen jüngerer Bruder Harry Eichenberg (1881-1943) Teilhaber der Firma „Eichenberg & Lazarus“. Die Firma hatte 1929 ihre Geschäftsräume am Wilhelmplatz 10 direkt am Hauptbahnhof.

Ihre Tochter Ruth Eichenberg heiratete am 26. Dezember 1933 den Würzburger Ernst Ruschkewitz. Nach der Hochzeit zog sie zu ihm nach Würzburg. Am 8. Januar 1936 emigrierten sie in die Niederlande. Ihr Schwiegersohn Ernst Ruschkewitz spezialisierte sich hier auf den Großhandel mit Uhren und Schmuck.

Johanette Eichenberg meldete sich am 25. Mai 1936  aus Düsseldorf in ihre Geburtsstadt Frankfurt am Main offiziell ab. Dort wohnte sie zuletzt in der Eschersheimer Landstraße 39 im Frankfurter Westend. Hier lebten auch ihre beiden unverheirateten Geschwister Matthias Nathan und Amalie Nathan. Das Haus entwickelte sich später zu einem sogenannten Judenhaus. Es gehörte dem letzten Chefarzt und Leiter des Krankenhauses der Frankfurt Israelitischen Gemeinde Dr. med. Alfred Marx (1880-1944).

Am 2. November 1936 kam in Den Haag ihr Enkel Jan Carl Albert Ruschkewitz zur Welt. Im Mai 1940 beim Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Niederlande, wohnte die Familie ihrer Tochter Ruth in Bodegraven.
Vermutlich stand Johannette Eichenberg im Briefkontakt mit ihrer Tochter. Sowohl für diese als auch für Johanette Eichenberg selbst wurden die Lebensbedingungen immer schwieriger und die antijüdische Gesetzgebung immer gravierender. Im Oktober 1941 begann die ersten Transporte von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern aus Frankfurt „in den Osten“. Die Nachrichten von dort haben vermutlich nicht nur Johannette Eichenberg und ihre Geschwister in Schrecken versetzt. Nun setzte die durch die Nationalsozialisten gezielt verbreitete Propaganda ein, dass das Ghetto Theresienstadt weniger schlimmer sei. Die Stadt sei eine gute „Heimstätte“ für ältere deutsche Jüdinnen und Juden.

Johanette Eichenberg und ihre beiden Geschwister schlossen einen sogenannten Heimeinkaufvertrag über die Reichsvereinigung  der Juden in Deutschland ab. Gegen die Übertragung all ihres Vermögens an die Reichsvereinigung wurde mit diesen Verträgen ein (fiktiver) Heimplatz im Ghetto Theresienstadt garantiert. Es wurde Johanette Eichenberg eine Versorgung garantiert. So hieß es unter anderem in dem Vertrag: „Mit Abschluß des Vertrages wird die Verpflichtung übernommen, dem Vertragspartner auf Lebenszeit Heimunterkunft und Verpflegung zu gewähren, die Wäsche waschen zu lassen, ihn erforderlichenfalls ärztlich und mit Arzneimitteln zu betreuen und für notwendigen Krankenhausaufenthalt zu sorgen.“ In Wirklichkeit stellten diese Verträge eine scheinbar legale Art da, die verzweifelten alten jüdischen Menschen ihres Vermögens zu berauben und sie gezielt über die Situation im Ghetto Theresienstadt zu täuschen. Am 18. August 1942 wurde Johanette Eichenberg mit ihren beiden Geschwistern mit dem ersten „Alterstransport“ ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Die Lebensumstände im Ghetto Theresienstadt waren das Gegenteil der NS-Propaganda. Als erster der drei Geschwister verstarb ihr Bruder Mathias Nathan im Ghetto. Auf seiner Todesfallanzeige vom 18. November 1942 wurde als Sterbeursache „Brustfellentzündung“ eingetragen.

Johanette Eichenberg selbst verstarb am 15. März 1943 im Ghetto Theresienstadt. Sie wurde fast 64 Jahre alt. Ihre Schwester Amalia Nathan hielt noch einige Monate durch, verstarb dann am 22. November 1943 im Ghetto.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf