Gedenkbuch

Joseph, verw. Roos, Julie

geb. Baer

Julie Joseph wurde am 28. Juni 1872 als Tochter des Ehepaars Bernhard und Wilhelmine Baer, geborene Hermanns, in Düsseldorf geboren. Sie hatte sechs Geschwister: Moritz, Leopold (1873 – 1957 Buenos Aires), Siegfried (1881 – 1918), Adelheid (1875 – 1941 Düsseldorf), Regina und Jeanette.

Julie heiratete in erster Ehe am 4. August 1893 in Düsseldorf den 30 Jahre älteren Kaufmann Jakob Roos (1834-1900). Ihr Mann stammte aus Ahlen, wo er als Sohn von Philipp und Sophie Roos, geborene Damman, zur Welt gekommen war. Er war in erster Ehe mit Rosalia Simon (1835-1889) verheiratet gewesen.

Ihr Mann Jakob Roos verstarb fünf Tage nach der Geburt ihrer Tochter Margarethe Sophie, die am 2. Januar 1900 zur Welt gekommen war. Am 25. März 1906 verstarb ihre Mutter Wilhelmine Baer. Sie wurde auf dem alten jüdischen Friedhof an der Ulmenstraße begraben.

In zweiter Ehe heiratete Julie den Harfenisten beim Düsseldorfer Stadtorchester, Robert Joseph. Ihr Mann stammte aus Friedberg in der Neumark. Am 28. Februar 1908 kam ihr gemeinsamer Sohn Walter zur Welt. Ihr Sohn absolvierte eine Ausbildung zum Bautechniker.

Ihre Tochter Margarethe besuchte die Luisenschule und wurde Bürogehilfin bei der „Königlichen Gewerbeinspektion Düsseldorfer Land“. Sie heiratete 1922 den Kaufmann Albert Eckstein (1892-1944) und führte mit ihm ein eigenes Geschäft Am Wehrhahn 32 „Eckstein´s Seifenzentrale“.

Am 6. März 1933 verstarb Robert Joseph im Alter von 62 Jahren, und Julie Joseph zog in die Moltkestraße 53. Im gleichen Haus wohnte ihre Tochter Margarethe mit ihrem Mann Albert Eckstein und den Enkelkindern Erich und Marianne. Mit im Haushalt wohnte auch ihre unverheiratete Schwester Adelheid Baer.

Im Mai 1938 floh ihr Schwiegersohn Albert Eckstein in die Niederlande, um dort die Emigration von seiner Familie vorzubereiten. Nach den Ereignissen der Pogromnacht im November 1938 entschied sich ihre Tochter, Erich mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Im Februar 1939 sah ihr Schwiegersohn Albert Eckstein seinen Sohn Erich zum letzten Mal, als dieser mit einem sogenannten Kindertransport Deutschland verlassen und über Hoek van Holland nach England einreisen konnte.

Julie Joseph wohnte weiterhin mit ihrer Tochter Margarethe Eckstein und Adelheid Baer in der Moltkestraße 53. Am 14. Februar 1939 schrieb Julie Joseph an Erich in Harwich: „Du kannst Dir denken, dass wir jeden Tag von Dir sprechen, besonders abends fehlst Du uns sehr. Nun sind es bereits 8 Tage, dass Du fort bist.“ Die Karte endete mit: „Herzl. Gruss und Kuss von Deiner Oma u. Onkel W.“

Später zog Julie Joseph mit ihrem Sohn Walter und Tochter Margarethe in die Moltkestraße 85. Nachdem Julies Sohn Walter sich am 17. November 1941 nach Koblenz abgemeldet und in die Jacoby’sche Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn in Behandlung begeben hatte, und ihre Tochter Margarethe am 10. November 1941 ins Ghetto Minsk deportiert worden war, zog sie in die Schumannstraße 16 und am 13. Dezember 1941 in das „Judenhaus“ Wagnerstraße 7. Sie schrieb nach dem Umzug an ihren Enkel Erich: „Wie oft denke ich an die schönen Tage zurück, die wir zusammen verlebt haben und als Nena noch lebte. Und an die schönen Ausflüge, die wir machten. Denkst Du auch noch daran?  (…) Wenn ich mich gar so einsam fühle, dann nehme ich Deine und Titas l. Briefe vor und lese sie immer wieder. Auch gute Bücher helfen mir über die Einsamkeit fort, das weißt Du doch sicher noch von früher. Und jetzt ist es Sommer, da gehe ich in unsern schönen Hofgarten. Das ist eine Erholung nach dem außergewöhnlich harten Winter, den wir hinter uns haben. Ich nehme an, dass Du doch gesund und munter bist, hoffentlich höre ich auch von Dir in absehbarer Zeit. Meine jetzige Adresse siehst Du obenstehend. Nun sei noch vielmals gegrüsst und geküsst von Deiner Dich liebenden Oma.

Als Erich Eckstein den Brief in Großbritannien erhielt, war Julie Joseph schon nicht mehr in Düsseldorf. Sie war am 21. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden. Zwei Monate später, am 21. September 1942, wurde sie im Vernichtungslager Treblinka ermordet.

Ihr Sohn Walter Joseph wurde am 30. April 1942 zusammen mit anderen Menschen aus dem Landkreis Koblenz, darunter waren auch Patienten aus der Heilanstalt Bendorf-Sayn, über Koblenz deportiert und ermordet. Ziel der Deportation war der Ort Kraśniczyn im Distrikt Lublin des sogenannten Generalgouvernements. Möglicherweise wurden die dorthin deportierten im nahe gelegenen Vernichtungslager Sobibór ermordet.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf