Gedenkbuch

Seligmann, Leopold

Leopold Seligmann kam am 19. Januar 1888 als Sohn von Jakob Seligmann und Bertha Seligmann, geborene Weinberg in Düsseldorf zur Welt. Er hatte noch zwei Brüder: Friedrich Moritz Seligmann, der am 28. Oktober 1886 geboren wurde und Karl Seligmann, der am 16. Juni 1890 zur Welt kam. Seine Schwester Henriette war am 20. Dezember 1884 in Düsseldorf zur Welt gekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Familie noch in der Mittelstraße gewohnt. Die Familie lebte kurze Zeit später in Düsseldorf im eigenem Haus in der Grabenstraße 2. Am 9. April 1889 wurde seine Schwester Martha Seligmann geboren. Am 16. Juni 1890 kam schließlich sein Bruder Karl zur Welt.

Sein Vater Jacob Seligmann verstarb 1914 in Düsseldorf. Leopold Seligmann und seine Brüder kämpften als Soldaten im Ersten Weltkrieg. Leopold diente als Unteroffizier. Für seine Verdienste im Krieg erhielt er das Eiserne Kreuz zweiter Klasse und das Schaumburg-Lippische Kriegsverdienstkreuz von 1914. Sein jüngerer Bruder Karl Seligmann fiel am 5. Mai 1917. Leopold und sein Bruder Friedrich kehrten nach Kriegsende nach Düsseldorf zurück. Leopold Seligmann trat später der Düsseldorfer Ortsgruppe des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten (RJF) bei.

Leopold Seligmann arbeitete als Kaufmann und Großwarenhändler. Er handelte mit Kaffee und besaß ein eigenes Lager in der Nähe vom Bahnhof Wehrhahn. Er lernte seine zukünftige Frau Gertrud Freund kennen. Gertrud, die auch „Trude“ genannt wurde, war am 26. Oktober 1902 in Saaz in Böhmen im heutigen Tschechien zur Welt gekommen. Sie heirateten und am 26. November 1924 kam die gemeinsame Tochter Marianne (später Miriam Choresh) zur Welt. Die Familie lebte zunächst in der Klever Straße 66 und zog am 6. Januar 1931 in die Brehmstraße 31 ins Düsseldorfer Zooviertel. Sie lebten nicht nach streng jüdischen Regeln. Es kam durchaus vor, dass Leopold Seligmann am Schabbat zur Arbeit ging, wie sich seine Tochter in einem Interview mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf erinnert. Die Familie besuchte die Synagoge hin und wieder. 

Seine Frau Gertrud Seligmann engagierte sich neben ihrer Hausarbeit auch in der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf. Dort bereitete sie Essen für bedürftige Gemeindemitglieder zu. Mit dem Inkrafttreten der Nürnberger Gesetzte konnte Leopold Seligmann seine Arbeit als Kaufmann und Großwarenhändler nicht mehr fortführen. Um seine Familie trotzdem ernähren zu können, arbeitete er mit über 50 Jahren als Straßenarbeiter. Ein christlicher Bekannte stellte ihn trotz des Berufsverbots an, wie sich seine Tochter später in einem Interview erinnerte.

Am 12. Dezember 1935 verstarb seine Mutter Bertha Seligmann im Alter von 76 Jahren. Sie wurde auf dem alten jüdischen Friedhof in Düsseldorf neben ihrem Ehemann begraben. 

Seine Tochter Marianne besuchte das private Schuback-Schmidt-Lyceum (alte Bezeichnung für Gymnasium) in Düsseldorf. Dort fühlte sie sich aufgrund der antisemitischen Stimmung, die in der Schule herrschte, allerdings nicht mehr wohl. In einem Interview erinnerte sie sich daran, dass sie nach der Schule von Jungen (vermutlich waren sie in der HJ) verfolgt und mit Steinen beworfen wurde. Sie musste sich oft mit ihren Freundinnen auf dem Nachhauseweg verstecken. Seine Tochter bat daraufhin, die Private Jüdische Volksschule Düsseldorf besuchen zu dürfen. 

In der Pogromnacht am 9./10. November 1938 floh Leopold Seligmann mit seiner Tochter Marianne aus ihrem Haus. Er hörte davon, dass Jüdinnen und Juden in ihren Wohnungen und Häusern überfallen wurden. Seine Frau Gertrud blieb allerdings zurück. Leopold Seligmann und seine Tochter Marianne kamen bei einem Bekannten außerhalb der Stadt für einige Tage unter. Beide waren eng miteinander verbunden, da sie gemeinsam als Soldaten im Ersten Weltkrieg gedient hatten. Dabei soll Leopold Seligmann ihm das Leben gerettet haben. Die Wohnung in der Brehmstraße 31 blieb von den Angriffen verschont, wie ihm seine Frau telefonisch mitteilte. Allerdings hatte Leopold Seligmann Angst davor, nach Hause zu kommen, da es im Zuge des Pogroms zu Verhaftungen und Verschleppungen in Konzentrationslager kam. Trotzdem wollte er nicht zu lange bei seinem Bekannten bleiben, auch aus Angst vor einer Denunziation seitens der Nachbarschaft, die den jüdischen Besuch bemerkten. So floh er mit seiner Tochter zu einem Geschäftsfreund, der ein großes Anwesen mit ausreichend Platz besaß. Hier lebten sie unauffälliger, auch unter falschen Namen. Leopold Seligmann wartete einige Wochen ab, bis sich die Lage nach der Pogromnacht beruhigt hatte, bevor er schließlich mit Marianne nach Hause zurückkehrte.

Auch die Düsseldorfer Synagoge wurde in der Pogromnacht am 9./10. November 1938 angegriffen und in Brand gesetzt. Das Gemeindehaus, in dem die Private Jüdische Volksschule untergebracht war, hielt dem Feuer ebenfalls nicht stand. Der Schulbesuch für Marianne Seligmann endete mit der Pogromnacht. Leopold Seligmann nahm Kontakt zu Dr. Erich Klibansky, dem Schuldirektor des jüdischen Realgymnasiums „Jawne“, in Köln auf, um seine Tochter dort anzumelden. Marianne wurde angenommen und konnte dort ihren Schulbesuch zunächst fortführen. Der Schuldirektor Erich Klibansky organisierte die Ausreise für jüdische Schülerinnen und Schüler nach Großbritannien. So bestand auch für Marianne ein Jahr später die Möglichkeit, Deutschland am 25. August 1939 mit einem Kindertransport nach Großbritannien zu verlassen. Leopold und Gertrud Seligmann hielten weiterhin den Kontakt zu ihrer Tochter aufrecht. Sie schrieben sich gegenseitig Briefe, die sie über die „neutralen“ Länder verschickten. Darin versuchte das Elternpaar stets optimistisch zu sein, obwohl sie unter der rassistischen Verfolgung des NS-Regimes litten. 

Seit dem 10. August 1939  wohnten Leopold Seligmann und seine Frau in der Grabenstraße 2. Das Haus war sein Elternhaus und gehörte ihm und seinen Geschwistern, hier wohnte auch sein Bruder Friedrich Seligmann. Den letzten Brief schrieben sie im Oktober 1941 an ihre Tochter, kurz bevor sie am 27. Oktober 1941 ins Ghetto Litzmannstadt/ Lodz deportiert wurden. Darin berichteten die Beiden, dass es ihnen leid täte, aber sie ihre Heimat verlassen müssten. Trotz der Umstände erhielten sie dennoch Hilfe von christlichen Freunden. Leopold Seligmann nahm neben anderen persönlichen Gegenständen auch Dokumente wie das Eiserne Kreuz zweiter Klasse bei der Deportation mit. Am 28. Oktober 1941 kamen sie mit 1003 weiteren Personen im Ghetto Litzmannstadt an. Sie kamen zunächst in der Kollektivunterkunft im alten Schulgebäude in der Fischstraße 21 im Zimmer 8 unter. Es mangelte an Platz, Privatsphäre, sanitären Anlagen, fließendem Wasser, ausreichend Nahrung und vielen Dingen des täglichen Lebens. 

Im Mai 1942 erhielten Leopold Seligmann, seine Frau Gertrud und sein Bruder Friedrich Seligmann eine sogenannte „Ausreiseaufforderung“, die nichts anderes als eine Deportation in das Vernichtungslager Kulmhof bedeutete. Dagegen legte er mit einem Schreiben am 10. Mai 1942 Widerspruch ein. Er führte unter anderem seine Kriegsauszeichnungen an und wies zusätzlich darauf hin, dass seine Frau „arbeitseinsatzfähig“ sei und „jede Tätigkeit“ annehmen würde. Dem Widerspruch wurde stattgegeben.

Das Ehepaar Seligmann konnte die „Düsseldorfer Kollektivunterkunft“ am 19. Mai 1942 verlassen und bezogen die Wohnung 47 in der Fischstraße 21. Am 26. November 1943 zogen sie in eine Wohnung in der Straße „Am Bach 8“. Sein Bruder Friedrich Seligmann starb an den Folgen seiner Unterernährung im Ghetto Litzmannstadt am 7. Juli 1942.
Das Ghetto wurde im August 1944 endgültig geräumt und alle verbliebenen Ghettobewohner und Bewohnerinnen wurden aufgefordert „auszureisen“. Das Ziel der „Aussiedlungen“ war das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Im August 1944 befanden sich noch 65 „Düsseldorfer Kollektivmitglieder“ im Ghetto. Namenslisten für die letzten Deportationen sind nicht überliefert, sodass nicht bekannt ist, wann genau Leopold Seligmann in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Er wurde vermutlich kurz nach der Ankunft in Auschwitz-Birkenau ermordet. Seine Frau Gertrud Seligmann wurde mit ihm im August 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Sie „überstand“ die erste Selektion und wurde als „Häftling“ ins Lager aufgenommen. Dort war sie zwei Monate. Gertrud Seligmann wurde mit ungefähr 1500 anderen „Häftlingen“ am 27. Oktober 1944 ins Konzentrationslager Stutthof in der Nähe von Danzig überführt. Dort wurde sie unter der Nummer 76599 ins Lager aufgenommen. Im dortigen Sterbebuch ist ihr Name ohne Datum vermerkt worden.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf