Gedenkbuch

Hess, Berta

Berta Hess kam am 26. Februar 1888 in Gelsenkirchen als Tochter des Rechtsanwalts Julius Hess und seiner Frau Elisabeth Hess (geboren 1866), geborene Heertz, zur Welt. Sie hatte mit Ernst (geboren 1890) und Paul (geboren 1899) zwei jüngere Brüder. Im Alter von zwei Jahren wurde Berta getauft und fortan christlich erzogen. Berta Hess besuchte bis zu ihrem zehnten Lebensjahr die Volksschule in Gelsenkirchen. Sie wechselte im Anschluss für vier Jahre auf die höhere Mädchenschule und beendete ihre schulische Ausbildung nach einem weiteren zweijährigen Besuch der höheren Mädchenschule in Bonn. Zu dieser Zeit hatte sie sich bereits für den Beruf der Lehrerin entschieden und absolvierte daraufhin eine dreijährige Ausbildung auf dem höheren Lehrerinnenseminar in Koblenz. Nach ihrer Ausbildung nahm sie an verschiedenen Seminaren in Frankreich, England und in der Schweiz teil.

Bertas Vater Julius Hess verstarb 1911 in Gelsenkirchen. Im selben Jahr nahm Berta ihre Arbeit als Lehrerin in Düsseldorf auf. 1926 unterrichtete sie an der Städtischen Mädchen-Mittelschule am Hermannsplatz. Zu dieser Zeit wohnte sie in der ersten Etage auf der Teutonenstraße 9.
1933 wurde sie aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 in den dauerhaften Ruhestand versetzt, was einem Berufsverbot gleichkam. Für die Nationalsozialisten galt sie als „nichtarische Christin“.

1934 wohnte die unverheiratete Berta Hess mit ihrer Mutter Elisabeth in der dritten Etage auf der Windscheidstraße 37. 1935 zogen sie in die Brend’amourstraße 30 in Oberkassel. Vier Jahre später stellte Berta Hess einen Antrag auf Passerteilung, um nach Brasilien auszuwandern. Dorthin war bereits ihr jüngerer Bruder Paul Hess emigriert. Doch weder die Emigration von Berta Hess noch von ihrer Mutter gelang rechtzeitig.

Berta Hess wurde am 16. Juni 1942 in sogenannte Schutzhaft genommen und im Frauengefängnis Düsseldorf-Derendorf inhaftiert. Zuvor war gegen sie ermittelt worden. Der Gestapobeamte Gestermann schrieb in seinem Vermerk vom 12. März 1942: „Im Zuge der Ermittlung hier nicht bekannter Juden wurde festgestellt, daß in Düsseldorf-Oberkassel, Brend’amourstr. 30 folgende Juden wohnen“. Es wurde Berta Hess vorgeworfen, dass sie ihre Wohnung nicht ordnungsgemäß mit einem Judenstern gekennzeichnet habe. Zudem soll sie den Judenstern häufig außerhalb ihrer Wohnung nicht getragen und auch ihre jüdische Kennkarte nicht regelmäßig bei sich geführt haben. Bei der Wohnungsdurchsuchung wurde auch ihr Blaupunkt Radio beschlagnahmt.

In ihrer Vernehmung gab Berta Hess an, von der Verpflichtung zum Tragen des Judensterns zwar Kenntnis gehabt zu haben, aufgrund der Stellung ihres Bruders sei sie jedoch davon ausgegangen vom Tragen des Sterns entbunden zu sein. Zudem nahm sie an, dass sie und ihre Mutter von der Partei NSDAP geschützt wurden. Bertas Bruder Ernst Hess hatte als Soldat im Ersten Weltkrieg gekämpft und war hier zeitweise der Kompaniechef des Soldaten Adolf Hitlers. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Ernst Hess auf Hitlers persönlichen Wunsch unbehelligt gelassen. So musste er beispielsweise später nicht den Zusatznamen „Israel“ führen. Ernst Hess wohnte von Februar bis Mai 1940 in Düsseldorf auf der Wildenbruchstraße 29 und zog von hier mit seiner Familie nach Bayern. Im Mai 1941 wurde die Ausnahmebehandlung von Ernst Hess jedoch beendet. 

Die Düsseldorfer Gestapo fragte im Reichssicherheitshauptamt in Berlin nach, wie sie nun verfahren sollte. Am 3. Juni 1942 schrieb Adolf Eichmann von der zuständigen Abteilung zurück: „Die Mutter und Schwester des Juden haben keine Berechtigung, für sich eine Ausnahmebehandlung in Anspruch zu nehmen. Sie haben nach dem dortigen Bericht sich nicht an die für Juden geltenden Bestimmungen gehalten. Ich bitte daher, Berta Sara Hess unter Einweisung in ein KZL in Schutzhaft zu nehmen. (…) Von Maßnahmen gegen die Mutter, Elisabeth Sara Hess, kann im Hinblick auf ihr Alter abgesehen werden. Sie ist zu gegebener Zeit in dem Altersghetto Theresienstadt unterzubringen. (…)“

Am 24. Juni 1942 stellte die Stapoleitstelle Düsseldorf daraufhin den Antrag, Berta Hess in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück überführen zu lassen. Der Antrag wurde am 8. Juli 1942 zunächst bewilligt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bertas Mutter Elisabeth aber bereits die Anordnung erhalten, sich für den Transport in das Ghetto Theresienstadt bereit zu halten. Elisabeth Hess stellte den Antrag, dass ihre Tochter Berta Hess sie nach Theresienstadt begleiten dürfe. Dem Antrag wurde stattgegeben.

Am 21. Juli 1942 wurde die 54-jährige Berta Hess zusammen mit ihrer Mutter Elisabeth Hess von Düsseldorf aus in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Aus dem Ghetto wurde Berta Hess am 14. Oktober 1944 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.

Bertas Mutter Elisabeth Hess gelang es weiter im Ghetto Theresienstadt zu überleben. Als im Februar 1945 es zu einem Rettungstransport von Ghetto Bewohnerinnen und Bewohnern kam, gehörte Elisabeth Hess zu den Glücklichen der 1200 Menschen, die die Schweiz am 5. Februar 1945 erreichten. Nach wenigen Tagen Aufenthalt in einem Aufnahmelager in St. Gallen wurde die Gruppe aus Theresienstadt in mehrere Quarantänelager verlegt: die 79-jährige Elisabeth Hess kam in die Westschweiz nach Les Avants. Im November 1946 emigrierte sie aus der Schweiz nach Brasilien.

Autorinnen: Frederike Krenz, Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf