Gedenkbuch

Rosenfeld, Richard

Richard Rosenfeld kam am 2. Februar 1882 in Werl bei Soest als Sohn der Eheleute Isaac und Emilie Rosenfeld, geborene Samson, zur Welt. Seine Eltern hatten im April 1881 geheiratet. Als Beruf wurde bei der Ankündigung „Lehrer“ angegeben.

Richard Rosenfeld heiratete Minna Loewenstein. Seine Frau war am 3. Februar 1890 in Hessisch Oldendorf zur Welt gekommen. Sein Sohn Hans wurde am 30. Juli 1920 in Waltershausen geboren. Am 31. Mai 1927 kam die Tochter Ruth in Lüttgen-Dortmund zur Welt. Die Familie Rosenfeld lebte in Dortmund. Mit im Haushalt wohnte sein Vater Isaac Rosenfeld. Er verstarb 1933. Seine Mutter Emilie Rosenfeld war bereits im Mai 1928 verstorben.

1935 zog die Familie Rosenfeld nach Düsseldorf. Sie wohnten im Haus Luegallee 74. Seine Tochter Ruth berichtete später in einem Interview, dass ihr Vater das schwimmen im Rhein beigebracht habe, da sie als Juden kein öffentliches Schwimmbad mehr betreten durften.

In ihrer Wohnung im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel blieb die Familie Rosenfeld vom Novemberpogrom 1938 verschont. Doch sie erfuhren schnell von den Überfällen und das die Synagoge in der Kasernenstraße in Brand gesteckt worden war. Auch von den Verhaftungen hörten sie. Daraufhin brachten sie die Tochter Ruth bei einer nichtjüdischen Freundin unter. Richard Rosenfeld und seine Frau verliessen die Wohnung und mit dem Zug auch Düsseldorf. Als die Verhaftungen vorbei schienen, kehrten sie nach Düsseldorf zurück. Nach diesen Erfahrungen gaben Richard Rosenfeld und seine Frau ihre Tochter Ruth mit einem Kindertransport im Februar 1939 mit nach Großbritannien. Ruth lebte dort bei dem Ehepaar Jacob und Rose Levine in Leeds. Auch ihrem Sohn Hans gelang die Flucht nach Großbritannien, er war bereits im August 1938 in die Niederlande eingereist.

Minna Rosenfeld erhielt von ihren Geschwistern in Hessisch-Oldendorf schreckliche Schilderungen, wie sich das Pogrom in ihrem Heimatort abgespielt hatte. Eine nichtjüdische Bewohnerin erzählte nach dem Krieg: „Später wurde erzählt, dass die Schwester vom Julius Löwenstein, die dort wohl zu Besuch war – beide Schwestern waren in Düsseldorf mit Bankiers verheiratet – einen Herzanfall kriegte. Und da ist irgendjemand heraus gekommen und hat nach einem Arzt gerufen. Da hat eine Frau L[…], die inzwischen schon tot ist, gesagt: „Lass die Ische verrecken!“ Und der Kleinste ist dann raus gekommen und hat gar nicht gewusst, wohin.“ Und weiter berichtete sie: „Meine Mutter hat mir noch erzählt, dass Frau Löwenstein an den Haaren durch die Straße geschleift wurde, und zwar von Frau Z[…], der Frau vom Zahnarzt. Wenn man bedenkt: Ein paar Jahre vorher veranstaltete Frau Löwenstein regelmäßig Kaffeekränzchen. Da waren all diese Frauen, wahrscheinlich auch Frau Z[…], zusammen und haben miteinander Kuchen gegessen. Der Adolf Löwenstein wurde schlimm verprügelt und verhaftet. Er starb später an den Folgen.“

Am 8. Juli 1939 schrieben Richard und Minna Rosenfeld an ihre Tochter Ruth: „Am Mittwoch fahren die l. (iebe) Tante Rosel, l.Tante Hete, l.  Onkel Julius von Holland aus weiter für Donnerstag nach London.
Am 3. Oktober 1940 zogen Richard und Minna Rosenfeld zur Immermannstraße 67. Sie wohnten dort zur Untermiete bei der jüdischen Familie Salm. Minna Rosenfeld schrieb am 5. Januar 1940 an ihre Tochter Ruth in England: „Am 3. Oktober sind wir umgezogen, und zwar in die Immermannstraße, das ist direkt am Hauptbahnhof. Wir wohnen bei sehr netten Leuten in der Etage und haben Wohn, Schlafzimmer und Küche. Leider ist ja am 1. Oktober nichts aus unserer Reise geworden.“ Am 8. März 1940 schrieb sie:„Wir wohnen bei sehr netten Leuten, die für Vater mit sorgen.“ Richard und Minna Rosenfeld planten eine Emigration. Julius Loewenstein hatte für sie in den Vereinigten Staaten bereits eine Bürgschaft hinterlegt. Doch die Ausreise scheiterte. in dem Brief vom 8. März 1940 schrieben sie an Ruth: „Nach USA dauert es noch sehr lange bis unsere Wartenummer an die Reihe kommt.“

Am 10. November 1941 wurden Richard und Minna Rosenfeld mit dem zweiten Düsseldorfer Transport vom Güterbahnhof Derendorf deportiert. Ziel des Zuges war die Stadt Minsk. Dorthin war auch der Verwandte Kurt Anspacher am 17. November 1941 aus Bremen deportiert worden. Seine Mutter war eine Schwester von Minna Rosenfeld. Kurt Anspacher war einer der wenigen Überlebenden des Ghetto Minsk. Er schrieb am 10. November 1945 an seine Verwandten: „Until July 28, 1942, we were all together and well, although Dad, Mother, Uncle Carl and Aunt Minna were physically exhausted. On July 28, 1942, another annihilation drive took place in which14,000 people lost their lives. (…) Our dear ones were taken in cars, gas carriages of the SS, to large pits near Minsk. There they were buried; on that day I lost my dear parents, Aunt Grete, Uncle Carl, Aunt Lilly, Aunt Minna, Uncle Richard and Rosemarie Anspacher, a total of eight.“ In deutsch übersetzt: „Bis zum 28. Juli 1942 waren wir alle zusammen und gesund, obwohl Vater, Mutter, Onkel Carl und Tante Minna körperlich erschöpft waren. Am 28. Juli 1942 fand eine weitere Vernichtungsaktion statt, bei der 14.000 Menschen ihr Leben verloren. (…) Unsere Lieben wurden in Autos, Gaswagen der SS, zu großen Gruben bei Minsk gebracht. Dort wurden sie begraben; ich verlor an diesem Tag meine lieben Eltern, Tante Grete, Onkel Carl, Tante Lilly, Tante Minna, Onkel Richard und Rosemarie Anspacher, insgesamt acht.“

Auch der Sohn von Richard und Minna Rosenfeld überlebte den Zweiten Weltkrieg nicht. Hans Rosenfeld, der sich in Großbritannien in John Peter Rodley umbenannte, starb als britischer Soldat am 23. September 1944 im niederländischen Arnhem. Er hatte für das 21. Fallschirmcompagnie gekämpft. Er wurde auf dem Soldatenfriedhof in Oosterbeek bei Arnhem begraben. Er hinterließ seine Frau Rachel und den 1941 geborenen Sohn Nigel Simon Rodley.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf