Gedenkbuch

Fürst, Edith

geb. Michalowski

Am 1. Juli 1894 wurde Edith Michalowski in Düsseldorf geboren. Ihr Vater Isidor Michalowski (geboren 1863) stammte aus Ostpreußen, ihre Mutter Adele, eine geborene Rhee, war 1869 in Bünde zur Welt gekommen. Edith hatte noch zwei jüngere Geschwister: Erich (geboren 1896) und Ilse (geboren 1898).

Edith Michalowski heiratete am 15. Juli 1913 den Volkswirt Dr. phil. Jakob Braunschweig. Ihr Mann stammte gebürtig aus Würzburg und arbeitete seit 1910 bei der Deutschen Bank in Düsseldorf. Der gemeinsame Sohn Theodor Moses kam am 30. Oktober 1914 in Düsseldorf zur Welt. Am 24. Dezember 1917 ließen sich Edith und ihr Mann scheiden.

Am 3. Mai 1921 heiratete sie in zweiter Ehe den Kaufmann Oskar Fürst. Er stammte aus Essen, wo er am 15. Februar 1883 als Sohn der Eheleute Hermann und Lisette Fürst, geborene Daniel, zur Welt gekommen war. Ediths Sohn Theodor aus erster Ehe wurde von Oskar Fürst 1922 adoptiert. Dem Jungen wurde erzählt, sein Vater wäre im Ersten Weltkrieg als Soldat gefallen. Oskar Fürst hatte vor der Hochzeit in Köln gewohnt. Er war ein erfolgreicher Kaufmann. Aber auch seine Frau war beruflich engagiert. Sie arbeitete im Textil-Kaufhaus Eduard Linz & Co., Flinger Straße 23/25, Ecke Mittelstraße. Die Firma hatte ihr Vater Isidor Michalowski mit einem Teilhaber gegründet und später komplett übernommen. Oskar Fürst wurde Teilhaber der Firma, zunächst mit Ediths Vater Isidor Michalowski später offiziell mit seiner Frau.

Seit 1926 wohnte die Familie Fürst im Haus Prinz-Georg-Straße 100. Das dreieckige, turmartige Hochhaus mit Backsteinfassade war von 1924 bis 1925 nach Entwürfen von Gustav August Munzer erbaut worden und gilt als das früheste Wohnhochhaus Deutschlands. Errichtet wurde es als ursprünglich neungeschossiger Bau, in dem sich 18 Luxuswohnungen mit jeweils sechs bis sieben Zimmern befanden. Eine dieser Wohnungen, in der sechsten Etage, bezog die Familie Fürst.

Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Oskar Fürst die Arbeit kontinuierlich schwieriger gemacht. Ihm setzte die Verfolgung und die damit einhergehenden Probleme so sehr zu, dass er am 16. September 1936 keinen Ausweg mehr sah und Selbstmord beging. Es folgte für Edith Fürst der nächste Schlag. Ihr Vater Isidor Michalowski starb am 10. März 1937 in Düsseldorf. Nun setzte Edith Fürst alles daran, Deutschland zu verlassen. Am liebsten würde sie zu ihrem Sohn Theodor, der seit 1934 in Palästina war. Doch die Emigrationsvorbereitungen zogen sich in die Länge. So erlitt Edith Fürst noch die Pogromnacht 1938 in Düsseldorf. Ihre sehr wertvoll eingerichtete Wohnung wurde stark demoliert. Zuletzt wohnte Edith Fürst in der Graf-Recke-Straße 16.

Edith Fürst setzte nun alles daran, zu ihrem Sohn nach Palästina zu kommen. Zumal sich auch ihre Schwester Ilse mit ihrem Mann Alfred Bernheim und den beiden Kindern schon dort befand. Der Düsseldorfer Emil Loewenstein schrieb am 13. November 1939 an seine Tochter Thea Klestadt in Amerika: „Ende dieser Woche wird Frau Edith Fürst nach Palästina abfahren, ich bedaure es sehr, da wir viel zusammen waren & sie eine so liebe Frau ist.

Am 21. November 1939 wurde Edith Fürst offiziell bei den Düsseldorfer Behörden abgemeldet mit Ziel Palästina. Am 30. November 1939 fragte das Düsseldorfer Ehepaar Otto und Frieda Baum per Brief ihren Sohn Hans in Palästina um Rat betreffs ihrer Ausreise zu ihm: „Oder sollen wir so fahren wie Frau Fürst?“. Und ihrer Schwiegersohn Siegfried Rothschild schrieb aus Antwerpen im November 1939 an Hans: „oder die Reise von Frau Fürst zu 200 Dollar pro Person“.

Tatsächlich wählte Edith Fürst eine Ausreise mit einem Donau-Schiff über den Landweg. Es handelte sich um einen illegalen Flüchtlingstransport, der als „Kladovo-Transport“ in die Geschichte eingehen sollte. Start für die 822 Personen, darunter Edith Fürst, war Wien. Mit dem Zug ging es nach Bratislava (Preßburg). Dann mit dem Donaudampfer Uranus nach Budapest. Dort wurde die Gruppe auf drei kleinere Schiffe aufgeteilt. Die Schiffe gelangten bis an die rumänische Grenze nach Prahovo. Dort stoppte der Transport. Die genauen Gründe dafür sind unklar. Die Schiffe wurden schließlich zurückgeschickt nach Kladovo. Dort steckten sie dann wegen Zufrierens der Donau fest.

Am 1. April 1940 schrieb die Düsseldorferin Frieda Baum an ihren Sohn in Palästina: „Auf dem Schiff von Frau Fürst ist eine Seuche ausgebrochen und ist sie Pflegerin dort geworden, wo durch sie endlich ein Bett zum Schlafen hat, vorher schlief sie auf einer Bank mit den anderen.“ In Kladovo hofften die Auswanderer vergeblich auf ein Hochseeschiff für die Weiterfahrt, das sie am Hafen von Sulina besteigen sollten. Dazu kam es nicht.

Am 17. September 1940 wurde die Gruppe wieder 300 Kilometer stromaufwärts zum jugoslawischen Ort Sabac an der Save gebracht. Der Ort befindet sich etwa 60 Kilometer von Belgrad entfernt. Hier kamen die meisten der 800 Auswanderer nach ihrer Ankunft am 22. September 1940 in ein Massenquartier. Das Gebäude war eine ehemalige Mühle. Doch die Machtverhältnisse im Land änderten sich dramatisch. Seit April 1941 befanden sich die Deutschen im Land. 

Am 20. Juli 1941 wurden die Flüchtlinge in das Barackenlager und KZ Sabac (dt. Schabatz)  am nördlichen Rand der Stadt überführt, d.h. ihre Sachen wurden auf Lastwagen geladen und die Menschen mussten zu Fuß gehen. Im Oktober 1941 befand sich Edith Fürst immer noch mit anderen jüdischen Emigranten dort. Mittlerweile ist bekannt, dass zunächst die Männer des Transports am 12. und 13. Oktober 1941 auf Befehl des Generals Franz Böhme und Militärgouverneur für Serbien erschossen wurden. Es gibt eine 1946 erstellte Namensliste der Menschen, die im August und Oktober 1941 von den Deutschen bei Sabac erschossen wurden. Auf der Liste ist auch der Name von Edith Fürst verzeichnet. 

Mittlerweile gibt es jedoch weitere Quellen die besagen, dass die etwa 700 Frauen vom Lager Sabac Anfang Januar 1942 in das KZ Sajmiste in Belgrad (dt. „Judenlager Semlin) überführt wurden. Mit diesem Todesmarsch im tiefen Winter starben schon viele Kinder und ältere Frauen. Das von der SS verwaltete Lager befand sich auf einem ehemaligen Messegelände auf dem linken Ufer der Save im Belgrader Ortsteil Zemun (heute Novi Beograd, damals als deutsche Bezeichnung „Semlin“). 

Von Mitte März 1942 bis Mitte Mai 1942 wurden die Frauen in einzelnen Gruppen unter Vorwand falscher Tatsachen in einem Lastkraftwagen weggefahren und während der Fahrt mit Gas ermordet. Unter den Ermordeten war auch vermutlich die Düsseldorferin Edith Fürst.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf