Gedenkbuch

Malsch, Paul

Am 29. Dezember 1885 wurde Paul Malsch als Sohn des Ehepaars Wilhelm und Judith Malsch, geborene Lambert, in Meiningen geboren. Er hatte mindestens drei Brüder: Ernst, Eugen und Julius. Paul Malsch lebte bei seinen Eltern in Meiningen in der Bismarckstraße 24. Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in Herborn. Später arbeitete er als Handelsvertreter für Schuh-, Koffer- und Lederwaren und führte nach dem Tod seines Vaters Wilhelm Malsch um 1910 dessen Geschäft weiter. 

Paul Malsch heiratete Amalie Samuel aus Düsseldorf und zog mit ihr den 1913 in Düsseldorf geborenen Sohn Willy groß. Paul Malsch kämpfte als Soldat im Ersten Weltkrieg. Seine Mutter starb um 1925. In dieser Zeit führte Paul Malsch in Düsseldorf in der Kurfürstenstraße 63 (1. Etage) seinen Großbetrieb feiner Lederwaren. 1931 war das Geschäft für Koffer & Lederwaren im Düsseldorfer Adressbuch unter der Adresse Erasmusstraße 24 verzeichnet.

Am 2. Juni 1932 zog die Familie Malsch in die zweite Etage der Adersstraße 77 in Düsseldorf. Ihr Sohn Willy konnte sich 1937 vor der Verfolgung der Nazis nach Großbritannien und von dort in die USA retten. Seine Eltern blieben mit ihm in regem Briefkontakt – die Briefe befinden sich heute im Archiv des United States Holocaust Memorial Museum in Washington.
Am 24. August 1938 berichtete Paul Malsch seinem Sohn über das drohende Berufsverbot: „Am 30. Sept. hört für j. Vertreter jede Reisetätigkeit auf, nicht einmal eine Stadtreise ist mehr möglich. Selbst das, was wir selbst herstellen würden, dürften wir nicht mehr selbst verkaufen. […] Keiner weiß, was werden soll! Wir stehen glatt vor dem Nichts! Wir können nichts arbeiten, weil wir nichts arbeiten dürfen. Wovon leben? Du wirst also verstehen, dass wir fort müssen. Und dazu brauchen wir eben noch eine Hilfe. […]

Während der Pogromnacht im November 1938 wurde Paul Malsch verhaftet und vom 10. bis zum 16. November 1938 im Polizeigefängnis Düsseldorf inhaftiert. Danach wurde er mit weiteren Düsseldorfern in das Konzentrationslager Dachau überführt und erhielt die Häftlingsnummer 27974. Seine Frau Amalie schrieb darüber verschleiert – die deutsche Zensur fürchtend – am 22. November 1938 an ihren Sohn: „Paula ist noch verreist, weiß auch nicht wann sie zurückkommt. Du musst aber auf jeden Fall allerschnellstens die zweite Bürgschaft stellen, dann ist alles in bester Ordnung. Wir müssen bald bei Dir sein. Jetzt ist es sehr sehr nötig geworden.

Am 23. Dezember 1938 konnte Paul Malsch wieder nach Düsseldorf zurückkehren. Drei Tage später schrieb er an seinen Sohn: „Mein geliebter Junge, Nie habe ich dem lieben Gott mehr gedankt für Dich, Dich in USA zu wissen, als in den 44 Tagen der Abwesenheit von zu Haus, diesen 44 fürchterlichsten Tagen meines an Erlebten wahrlich nicht armen Lebens. […] Die liebe Mama hat sich in den schweren vergangenen Tagen sehr tapfer gezeigt & ihr schweres, schweres Los mit Würde getragen & alles so besorgt, dass wir darauf weiter aufbauen & vorwärts kommen können.“

Neben der Lagerhaft war eine weitere Folge der Pogromnacht der Zwangsumzug. Im Brief vom 22. November 1938 hatte seine Frau bereits ihrem Sohn geschrieben: „Ich werde mich auf einem [sic!] Zimmer setzen.“ Seit dem 28. Dezember 1938 wohnte das Ehepaar Malsch im Haus Karl-Anton- Straße 2 in einem Zimmer der Wohnung der jüdischen Familie Steinhardt.
Seit 1939 musste Paul Malsch im Rahmen des „Jüdischen Arbeitsdienstes“ in Düsseldorf Zwangsarbeit leisten. Am 7./8. August 1939 schrieb seine Frau darüber an den Sohn Willy: „Mein geliebtes Kind! Du wirst Dich gewiß wundern, dass der l. Papa so wenig heute schon geschrieben hat, er schrieb gestern Abend, er kommt immer totmüde nach Hause, isst + geht sofort ins Bett. Das ist harte + sehr ungewohnte Arbeit. Um 5 Uhr stehen wir auf, um 6 Uhr geht der Omnibus ab Tonhalle nach Krummenweg, um 7 Uhr beginnt die Arbeit. Brote nimmt Papa sich mit + Kaffee, abends wird warm gegessen. […] Papa verdient brutto 66 Pf. die Stunde. So ist unser Leben hier.
Am 13. April 1941 berichtete Paul Malsch seinem Sohn, dass er durch die Arbeit einen Leistenbruch erlitten hatte und seit dem 28. März 1941 im Heerdter Krankenhaus lag. Dort wurde er operiert. Nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus am 18. April 1941 trafen er und seine Frau weiterhin Vorbereitungen für die Emigration zu ihrem Sohn nach Amerika. Am 17. Juni 1941 erhielten sie Post vom amerikanischen Konsulat in Stuttgart, dass ihre Auswanderung eigentlich in Ordnung sei, allerdings noch eine zusätzliche Bestätigung fehle. Am 26. Juni 1941 wurde das Konsulat in Stuttgart geschlossen und damit jede Emigration in die USA vom Deutschen Reich aus unmöglich. Einen Tag später erklärte der amerikanische Präsident Roosevelt einen unbefristeten nationalen Notstand und ordnete offiziell die Schließung der Konsulate in Deutschland und Italien an. Anfang Oktober 1941 erließ die nationalsozialistische Regierung ein generelles Auswanderungsverbot für Juden.

Das Ehepaar Malsch war durch diese Entwicklung am Boden zerstört. Paul Malsch schrieb am 24. Juni 1941 an seinen Sohn: „Ich bin so niedergeschlagen, wie noch nie in meinem Leben, alles ist so hoffnungslos für uns geworden, was haben wir denn noch auf der Welt als Euch.“ Am 18. September 1941 schrieben sie: „Kuba ist im Moment die einzigste Möglichkeit, scheidet aber wegen zu hohen Kosten aus.“

Paul Malsch wurde am 27. Oktober 1941 zusammen mit seiner Frau von Düsseldorf in das Ghetto von Litzmannstadt/Łódź deportiert. Dort mussten sie mit 64 weiteren Personen im Zimmer 9 der Kollektivunterkunft Fischstraße 15 leben. Im Dezember 1941 erhielt Paul Malsch eine Zahlung über 9,60 Mark und führte davon zwei Drittel als Beitrag an die Solidargemeinschaft des „Düsseldorfer Kollektivs“ ab. Paul Malsch wurde mit seiner Frau am 6. Mai 1942 mit dem III. Transport aus dem Ghetto von Litzmannstadt/Łódź nach Chełmno gebracht und dort am nächsten Tag ermordet.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf