Gedenkbuch

Klestadt, Anna

geb. Hirsch

Am 7. November 1847 kam in Nörten bei Hannover Anna Hirsch als Tochter des Ehepaars Selig und Johanna Hirsch, geborene Goldschmidt, zur Welt. Sie hatte noch drei Geschwister: Gustav (1845-1900), Minna und Emilie.

Im März 1872 verlobte sie sich mit Samuel Sally Klestadt aus Büren in Westfalen. Am 21. Oktober 1872 heirateten die beiden. Ihr Mann Sally war am 2. März 1845 in Büren zur Welt gekommen.

Das Paar lebte in Büren und bekam fünf Kinder. Die 1874 verstorbene Tochter Johanna verstarb 1876 als Kleinkind. Am 11. März 1875 wurde ihr Sohn Isidor geboren. Es folgte der Sohn Dagobert am 17. Februar 1877. Am 14. November 1882 kam in Büren ihr letzter Sohn Siegfried zur Welt. Das letzte Kind war die Tochter Elise, die am 4. Oktober 1884 in Büren geboren wurde.

Ihr Mann arbeitete zunächst in der Versicherungsbranche und später als Kaufmann. Seine Firma „Sally Klestadt“ verkaufte Getreide, Futtermittel, Schuhe, Haushalts-, Kurz- und Spielwaren. Im Jahr 1922 feierte Anna Klestadt mit ihrem Mann die goldene Hochzeit. Sie veröffentlichten eine Dankesanzeige in der Bürener Zeitung am 25. Oktober 1922.

Anna Klestadts Ehemann Sally verstarb am 6. Oktober 1929 in Büren. Ihr Sohn Siegfried Klestadt führte die Firma in Büren weiter. Er hatte schon seit 1906 Prokura für das elterliche Unternehmen gehabt. Verheiratet war ihr Sohn seit 1916 mit Klara Emmerich aus Weikersheim.

Am 20. August 1932 veröffentlichte die Bürener Zeitung eine Statistik über die 3773 Einwohner der Stadt Büren. Dabei schrieben sie: „Die Witwe Anna Klestadt, die am 7. November des Jahres ihr 85. Lebensjahr vollendet, ist die älteste Mitbürgerin.“ Im gleichen Jahr veranstaltete die Bürener Synagogengemeinde einen Festgottesdienst ihr zu Ehren in der Synagoge. Anna Klestadt wurde dabei auch als langjährige Vorsitzende des „Israelitischen Frauenvereins“ gewürdigt.

Doch nach der Machtübernahme herrschte in Büren eine aggressive antijüdische Stimmung. 1934 wurde ein Fenster der Synagoge eingeworfen. Auf dem Weg zu einem Sportplatz sollen SA-Einheiten wiederholt vor dem Haus von Siegfried Klestadt judenfeindliche Gesänge angestimmt haben. Am 15. November 1934 erhängte sich ihr Sohn Siegfried Klestadt in Büren im Alter von 52 Jahren.  Grund für den Suizid waren sicherlich auch die fortwährenden Repressalien gegen ihn und das elterliche Geschäft. Am 14. Oktober 1935 wurde der Handelsregister Eintrag vom Amtsgericht Büren gelöscht mit dem Hinweis „Die Firma ist erloschen“.

Seit Mitte der 1930er Jahre wohnte Anna Klestadt zusammen mit der verwitweten Klara Klestadt  in Düsseldorf in der Kavalleriestraße 2. Vermutlich waren die beiden zunächst nach Düsseldorf gezogen, da hier Verwandte lebten.

Am 21. Juni 1937 zog Anna Klestadt nach Haaren bei Aachen. Dort lebte ihre Tochter Emilie mit ihrem Mann Ferdinand Frohwein. Anna Klestadt zog zu ihnen in die Wohnung in der Josefstraße 2. Dort musste Anna Klestadt die Vorgänge des Novemberpogroms 1938 miterleben. Unter anderem wurde auch der jüdische Friedhof von Haaren verwüstet. Am 6. Dezember 1939 nahm sich Anna Klestadt das Leben. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Aachen begraben.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf