Gedenkbuch

Goldschmidt, Siegfried

Siegfried Goldschmidt kam am 18. November 1883 in Dortmund zur Welt. Seine Eltern waren Adolf und Henriette Goldschmidt, geborene Meier. Sein Vater Adolf stammte aus Lemförde, wo er 1851 zur Welt gekommen war. Zusammen mit seinem älteren Bruder Isidor Goldschmidt hatte er 1911 eine Getreide Großhandelsfirma („Isidor Goldschmidt“) gegründet. 1914 war die Hauptniederlassung der Firma in Dortmund, am 18. April 1914 wurde eine Zweigniederlassung in Düsseldorf ins Handelsregister des Amtsgericht Düsseldorf eingetragen. Inhaber waren zu diesem Zeitpunkt: sein Onkel Isidor Goldschmidt, Dortmund, der Kaufmann Josef Weiss, Dortmund und sein Vater Adolf Goldschmidt, Düsseldorf. 

Siegfried Goldschmidt kämpfte als Soldat im Ersten Weltkrieg. Sein Onkel Isidor Goldschmidt verstarb 1919. 1926 erfolgte die komplette Verlegung der elterlichen Firma ins rheinische Düsseldorf. Siegfried Goldschmidt hatte für die elterliche Firma seit 1914 als Prokurist gearbeitet. 1924 gründete er seine eigenen Firma („Siegfried Goldschmidt, Lebens- und Futtermittel“, die am 16. Februar 1924 unter der Nummer A 4740 im Düsseldorfer Handelsregister eintragen wurde. Die Firmenadresse war Harkortstraße 2/4.

Verheiratet war Siegfried Goldschmidt seit 1922 mit Margaretha (Grete) Grunewald aus Köln. Seine Frau war dort am 24. August 1894 als Tochter von Emil und Julie Grunewald, geborene Levenbach, zur Welt gekommen. In Düsseldorf wohnte die Familie Goldschmidt zunächst am Brehmplatz 2. Am 23. Mai 1924 wurde das einzige Kind geboren. Es erhielt den Namen Werner Emil. Den zweiten Vornamen „Emil“ in Erinnerung an den 1905 verstorbenen Schwiegervater Emil Grunewald.

Siegfried Goldschmidt führte mit seiner Familie ein normales Familienleben. Mittlerweile wohnte die Familie in der Grunerstraße 30. Sein Sohn Werner erinnerte sich 1996 in einem Interview: „Ich erinnere mich, dass mein Vater sehr, sehr oft am Wochenende mit mir in den Wald gegangen ist. Manchmal haben wir eine Eisenbahn genommen, irgendwohin, nach Ratingen oder weiter raus nach Wülfrath, zur nächsten Station zu Fuß gegangen und haben die Eisenbahn zurück genommen.

Siegfried Goldschmidts Geschäfte liefen gut. Ein erster trauriger Einschnitt war der Tod sein Mutter Henriette am 24. Februar 1929 in Düsseldorf. Doch sein Vater Adolf Goldschmidt verkraftete den Verlust. Er feierte am 29. September 1931 seinen 80. Geburtstag, Grunerstr. 30, wie das „Gemeindeblatt für den Synagogenbezirk Düsseldorf“ in seiner Ausgabe vom 10. Oktober 1931 vermeldete.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde der Alltag, insbesondere das Geschäftliche, deutlich schwerer. Sein Sohn Werner besuchte seit Ostern 1934 das Jacobi-Gymnasium, die frühere Oberschule für Jungen an der Rethelstraße. In der Klasse war er der einzige jüdische Schüler und zog sich immer mehr ins Private zurück. Werner Goldschmidt (später Goldsmith) erinnerte sich: „Ja, ich bin zur Synagoge gegangen, aber wir waren nicht fromm. Wir gingen zu den Hohen Feiertagen, aber das war alles. Wir sind, genau wie hier in Amerika, eingegliedert, ich meine, wir dachten nicht, dass die Religion irgendwie eine besondere Sache sei. Wir waren zuerst Deutsche. Und so war’s doppelt schlimm, es so zu finden.“

Im Mai 1937 feierte die Familie die Bar Mitzwa ihres Sohnes Werner. Zum Feiern zumute war der Familie jedoch zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht. Zwei Wochen zuvor war sein Schwager Max Grunewald auf einer Radtour mit Werner an einem Herzinfarkt verstorben. Für den knapp 13-jährigen Werner war dies eine sehr schlimme Erfahrung gewesen, zumal er sehr an seinem Onkel gehangen hatte.

In Düsseldorf wohnte die Familie Goldschmidt zuletzt in der Grafenberger Allee 398. Nach den Ereignissen der Pogromnacht 1938 und des anhaltenden Boykotts „jüdischer Geschäfte“, musste auch Siegfried Goldschmidt seine Firma „arisieren“ lassen. Sein Firmeneintrag im Düsseldorfer Handelsregister erlosch offiziell am 14. Dezember 1938. Bereits im Mai des Jahres 1938 hatte der Sohn Werner mit einem Kindertransport in die Vereinigten Staaten emigrieren können. Ein entfernter Verwandter stellte das dafür nötige Affidavit, damit er in den Vereinigten Staaten bleiben konnte.

Im April 1939 floh Siegfried Goldschmidt mit seiner Frau zunächst nach Dordrecht, wo seine Schwester Margarethe van den Bergh seit vielen Jahren mit ihrer Familie wohnte und wo sich bereits seit Ende 1938 sein Vater Adolf Goldschmidt befand. Später zog Siegfried Goldschmidt mit seiner Frau nach Breda. Sie wohnten in der Burgemeester Pastoorsstraat 6. Nachdem 1940 die deutsche Wehrmacht die Niederlande besetzt hatte, wurde das Leben der jüdischen Bevölkerung Schritt für Schritt eingeschränkt. Auch Siegfried Goldschmidt und seine Frau waren von den nun erfolgenden Verboten betroffen. 1941 mussten sie sich bei den Behörden registrieren lassen. Ab dem 3. Mai 1942 waren auch Siegfried Goldschmidt und seine Frau gezwungen an ihrer Kleidung einen sogenannten Judenstern zu tragen. Ab August 1942 wurden die ersten jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner aus Breda in das sogenannte Durchgangslager Westerbork deportiert. Das Ehepaar Goldschmidt war davon noch nicht betroffen, aber ihr Alltag war schon sehr schwer. Aus einer Inventarliste geht hervor, dass sich am 8. September 1942 nur noch wenige Dinge in ihrem Besitz befanden: 1 runder Tisch, 3 leichte Stühle, 1 Matte, 1 kleiner Teppich, 2 Wandteller, Besteck und verschiedene Küchenutensilien.

Aus der Karteikarte des Amsterdamer Judenrates bezüglich Siegfried Goldschmidt wurde vermerkt, dass er von seinem Sohn Werner Goldsmith einen Rote Kreuz Brief (RK) am 2. Juni 1943 erhalten hatte. Auch für den 15. September 1942 ist auf der Karteikarte „RK“ vermerkt worden.

Am 5. Januar 1944 wurde Siegfried Goldschmidt verhaftet. Im Rotterdamer Stadtarchiv befindet sich ein Dokument, dass anlässlich der Verhaftung ausgefüllt wurde. Darauf ist als aktuelle Adresse Breda, Mauritssingel 11 angegeben. Ausserdem wurde vermerkt, dass die Verhaftung durch den deutschen SD (Sicherheitsdienst) erfolgte. Am 8. Januar 1944 wurde Siegfried Goldschmidt zusammen mit seiner Frau in das Durchgangslager Westerbork gebracht.

Am 25. Januar 1944 wurde Siegfried Goldschmidt mit seiner Frau von dort in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Dort wurden Siegfried und Margarethe Goldschmidt am 28. Januar 1944 ermordet.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf