Gedenkbuch

Oliven, Else

geb. Leibholz

Else Leibholz wurde am 8. Dezember 1879 in Alt-Carwen im Regierungsbezirk Köslin geboren. Ihre Eltern waren der Handelsmann Heimann Leibholz und dessen Frau Sara Friedländer, genannt Stein. Else hatte noch fünf Geschwister: Leo (1876-1943), Max (1877-1942), Helene (1883-1943), Jenny (geboren 1885) und Arthur (1887-1942).

Else Leibholz heiratete Julius Oliven. Aus ihrer Ehe gingen vier Kinder hervor. Edith wurde am 27. Januar 1909 in Kiel geboren. Der Sohn Heinz Herbert folgte am 25. Oktober 1911 in Plauen. Gerda, in der Familie Tedda genannt wurde am 28. August 1919 geboren. Ihr folgte am 3. Dezember 1923 Helga. Beide kamen ebenfalls in Plauen zur Welt. Später zog die Familie nach Dortmund.

Seit 1937 lebte Else Oliven mit ihrem Mann und den jüngeren Kindern schließlich in Düsseldorf, zunächst in einer Wohnung in der Schillerstraße 25. Am 21. Juli 1938 feierte die Familie die Hochzeit von Tochter Gerda mit dem Düsseldorfer Helmut Steinberg. Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurde die Familie Oliven in ihrer Wohnung in der Schillerstraße überfallen. Am 5. Mai 1939 konnte die Tochter Gerda ins Ausland flüchten. Auch dem Sohn Heinz Oliven gelang die rechtzeitige Flucht aus Deutschland. Die jüngste Tochter Helga (Hellchen) wurde nach dem Pogrom zu ihrer Tante in die Niederlande geschickt.

Ab 1940 wohnte Else Oliven mit ihrem Mann in einem Zimmer im Parterre des „Judenhauses“ in der Geibelstraße 39. Ein Brief, den Else Oliven am 27. Dezember 1940 an ihre nach England ausgewanderte Tochter Gerda (Tedda) schrieb, wurde von der Gestapo abgefangen und ist erhalten geblieben: „Meine geliebte kleine Tedda! Das war gestern am 2ten Weihnachtsfeiertage eine doppelte Freude, die größte war, nach langen bangen 8 Monaten Dein Brief, eine ganze Weile konnten Papa u. ich ihn gar nicht lesen vor lauter Erregung, immer wieder u. wieder habe ich ihn dann gelesen u. war so glücklich Dich mein Kind gesund u. wohlauf zu wissen, sehr viel Sorgen haben wir uns um Dich gemacht, nächtelang habe ich Gott angefleht, u. wenn ich dann Morgens Dein lachendes Bild über Papas Bett ansah, sagte es mir: Mutti mach Dir keine Sorge um mich; u. dann hatte ich erst wieder Mut für meine täglichen Pflichten, bis endlich direkt Nachricht von Dir kam, ein kleiner Lichtstrahl erhellte uns schon vor einigen Wochen, als uns Helmut über seine Mutter, von Deinem Telegramm berichten lies. Gott sei Dank kann ich Dir gesundheitlich auch gutes von uns berichten, wir leben in Gedanken an Euch alle, u. in der Hoffnung, mit Gotteshilfe recht bald wieder, mit Euch allen vereint zu sein, dahin was auch Tag und Nacht meine Gebete sind! – Wir danken Dir Teddalein für Deine lieben Wünsche, wollte Gott sie gingen bald in Erfüllung! – –

Wie schön, dass Du bei so lieben Menschen bist, auch eine grosse Beruhigung für uns, u. fein dass Du so nette Stunden mit Tante Jenny verlebt hast, ich freue mich so sehr, dass es ihr gut geht, bitte bestelle ihr viele Grüsse von uns u. sage ihr, dass wir gesund sind ebenso die anderen Geschwister. Hellchen ist auch gesund u. – munter u. hatten wir 6 Wochen, auch im Mai u. Juni keine Nachricht von ihr gehabt bis endlich nach bangen Tagen eine Karte von ihr ankam, u. zwar war sie bei Trude, u. jetzt ist sie in derselben Stadt u. zwar bei Trudes Schwägerinnen u. hilft im Haushalt mit u. schreibt pünktlich jede Woche, u. hat uns immer so lieb getröstet, wir sollen uns keine Sorge um Dich machen, wenn ich ihr vor gejammert habe, wir hören noch immer nichts von Dir, aber gleich will ich ihr u. Edith berichten über Deinen Brief, sie werden sich mit uns freuen, Edith u. Julius geht’ s auch soweit gut, sie sind gesund, u. er arbeitet fleissig u. schwer, Edith war im Sommer 3 Wochen zu Hause, um uns über die schwere Zeit ein wenig hinwegzuhelfen, sie war gerade abgereist als die erste Nachricht von Hellchen kam, hoffentlich werden wir nun auch bald ein Lebenszeichen von Heinz erhalten, wie mag es ihnen gehen? Hast Du seine Adr.? Vielleicht schreibst Du mal an seine alte Adr.? Von Helmut haben wir nach 9 Monaten jetzt auch einen Brief an uns direkt bekommen, sonst hatte uns die Mutter Änne immer seine teils vorgelesen, der arme Junge hat es im Augenblick wohl auch sehr schwer? Es geht der Mutter Änne soweit gut, sie ist gesund, u. arbeitet mit in der Gemeinde, macht sich natürlich wie wir alle, viel Sorgen um ihre Kinder. So Teddalein jetzt wirst Du uns ja wohl auf diesem Wege, öfter Nachricht zukommen lassen, auch wir wünschen Dir im neuen Jahre alles alles Gute, was Eltern ihrem Kinde nur wünschen können, Gott behüte & beschütze Dich weiter u. recht bald den Tag kommen lassen, der uns alle wieder vereint! – Bleibe gesund u. sei 1000 mal in grosser Sehnsucht u. Liebe gegrüsst u. geküsst von Deiner Mutti. Onkel Theo ist auch dort, wo Helmut ist.“

Am 27. Oktober 1941 wurde Else Oliven mit ihrem Ehemann in das Ghetto von Litzmannstadt/Łódź deportiert. Ihr gemeinsames Vermögen, darunter die Guthaben zweier Bankkonten (Deutsche Bank Düsseldorf und Städt. Sparkasse Düsseldorf) in Höhe von 1.055,40 RM, wurde nach der Deportation von den deutschen Behörden beschlagnahmt. Ihre frühere Hausangestellte, Johanna Leske, geborene Kock, gab 1961 zu Protokoll, dass sie das Ehepaar Oliven einen Tag vor der Deportation nach Litzmannstadt besucht habe, um Abschied zu nehmen. Sie habe dabei Else Oliven gefragt, ob sie sie „für den Abtransport noch unterstützen“ könne, und Else Oliven hätte ihr erklärt, dass sie Geld nicht brauchen würden, nur Lebensmittel. Diese kaufte Johanna Leske für sie ein und gab sie ihnen für die Deportation mit.

Im Ghetto von Litzmannstadt/Łódź wurde Else Oliven zusammen mit ihrem Mann und weiteren Deportierten in das Zimmer 4 der „Düsseldorfer Kollektivunterkunft“ in der Fischstraße 15 eingewiesen. Ihr Mann konnte sie zwar von dem für sie vorgesehenen II. Transport am 5. Mai 1942 zurückstellen lassen, verstarb aber am 2. Mai 1942 im Ghetto. Daher wurde Else Oliven trotz der eigentlich gewährten Zurückstellung am 6. Mai 1942 mit dem III. Transport „ausgesiedelt“ und am nächsten Tag in Chełmno ermordet.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf