Braunschweig, Leopold
Am 7. Dezember 1877 kam Leopold Braunschweig in Feudingen im Kreis Siegen Wittgenstein als Sohn der Eheleute Joseph und Friederike Braunschweig, geborene Rosenberg zur Welt. Seit 1832 lebten seine Vorfahren in Feudingen. Im Jahr 1871 waren in Feudingen von 1056 Einwohnern 1037 evangelisch, zwei katholisch und 17 jüdischen Glaubens.
Leopold hatte zwei ältere Geschwister: Clara, die am 2. Mai 1875 zur Welt gekommen war und Siegfried, geboren am 22. September 1876. Außerdem bekam Leopold noch vier jüngere Geschwister: Felix (1879-1961), Otto (1882-1959), Rudolph (1884-1964) und Max (1885-USA). Um die Jahrhundertwende zog die Familie nach Düsseldorf. Leopold besuchte in Düsseldorf das städtische Gymnasium und bestand im Februar 1898 das Abitur. Im Anschluss studierte er Jura in Genf und Berlin. Im Juli 1901 bestand er in Köln die Referendariatsprüfung. Im Jahr 1906 wohnten seine Eltern in der Graf-Adolf-Straße 110. Ab dem 6. März 1906 war Leopold Braunschweig wieder – aus Berlin kommend – bei seinen Eltern gemeldet. Im April 1906 wurde er am Düsseldorfer Landgericht als Rechtsanwalt zugelassen.
Sein Vater hatte 1893 eine Firma für Glas- und Metallbearbeitung gegründet. Später übernahm sein Bruder Siegfried die Firma in der Himmelgeister Straße 53. Dieser hatte im Jahr 1908 Martha Dalberg aus Niedermarsberg geheiratet. Die beiden lebten nach der Hochzeit in Düsseldorf und bekamen drei Kinder. Am 1. Juli 1913 verstarb sein Vater Josef Braunschweig in Düsseldorf kurz vor dem Erreichen des 74. Geburtstages. Seine Eltern wohnten zu diesem Zeitpunkt in der Grunerstraße 36. Nach dem Tod seines Vaters blieb Dr. Leopold Braunschweig bei seiner Mutter in der Grunerstraße wohnen. Im Juli 1919 zog er in die Harleßstraße 2. Die Straße war nur wenige Minuten von der Wohnung seiner Mutter gelegen. Seine Kanzlei hatte er in dieser Zeit in der Königstraße 4. Die Kanzlei betrieb er gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Stephan Cohen-Altmann.
Am 18. November 1927 verstarb seine 79-jährige Mutter in Düsseldorf und wurde neben ihrem Ehemann auf dem jüdischen Friedhof an der Ulmenstraße begraben. Zu diesem Zeitpunkt waren alle seine Geschwister bereits verheiratet. Leopold Braunschweig dagegen blieb ledig. Nach dem Tod seiner Mutter erbte Leopold Braunschweig unter anderem die Immobilie Geistenstraße 2 in Derendorf.
Am 4. Dezember 1931 zog Leopold Braunschweig nach Düsseldorf Oberkassel. Zunächst wohnte er am Rheinufer im Haus Kaiser-Wilhelm Ring 4. Am 13. Juli 1934 zog er in die Brendamourstraße 64. Durch die neuen nationalsozialistischen Gesetze und die Boykottaktionen gegen jüdische Rechtsanwälte ging nach 1933 der Umsatz in der Kanzlei zurück. Auch sein Kollege Dr. Stephan Cohen-Altmann war Jude. Um die Kosten zu minimieren zogen beide mit der Kanzlei 1934 in die Goltsteinstraße 13.
Am 28. März 1936 verstarb sein Bruder Siegfried Braunschweig in Düsseldorf. Dessen Witwe emigrierte 1938 nach Palästina. Als ab dem 9. November 1938 jüdische Büros, Geschäfte und Wohnungen im Zuge des Pogroms überfallen und zerstört wurden, wohnte Dr. Leopold Braunschweig immer noch im Stadtteil Oberkassel. Dort gab es durch einen glücklichen Zufall nur sehr wenige Überfälle. Daher ist zu vermuten, dass seine Wohnung vermutlich nicht überfallen wurde. Im Jahr 1939 wechselte der Eigentümer der Immobilie. Das Haus gehörte nun dem Bauunternehmer Gottfried Rotthoff. Dieser war seit 1933 NSDAP-Mitglied. Ob der Umzug von Dr. Leopold Braunschweig mit dem Eigentümerwechsel zusammen hängt, kann nur spekuliert werden.
Am 7. Oktober 1939 zog Dr. Leopold Braunschweig in die Stadtmitte zum Martin Luther-Platz 19. Das Haus gehörte den jüdischen Familien Fleck und Levison. Leopold Braunschweig wohnte nun zur Untermiete bei der Witwe Julie Levison, geborene Fleck. In der Folgezeit wurden die antijüdischen Gesetze und Vorschriften immer enger. Sein Bruder Max Braunschweig, der zuletzt in Essen gelebt hatte, hatte im März 1939 Deutschland verlassen und war mit seiner jüdischen Ehefrau in die USA emigriert. Im Jahr 1940 flüchtete sein Bruder Felix Braunschweig, der zuletzt in Aachen mit seiner Familie gelebt hatte, nach Großbritannien. Ob auch Leopold Braunschweig sich um eine Emigration bemühte, ist leider nicht bekannt. Seine verwitwete Schwester Clara Frankenschwerth, die in Berlin lebte, blieb ebenfalls in Deutschland. Ab dem 23. Oktober 1941 war eine Auswanderung aus Deutschland für jüdische Bürgerinnen und Bürger offiziell verboten. Das letzte jüdische Ehepaar aus Düsseldorf, das im August 1941 noch ins rettende Ausland emigrieren konnte, waren seine Nachbarn am Martin-Luther-Platz 19, Eugen und Billa Rohr, geborene Levison.
Am 27. Oktober 1941 verließ der erste Transport mit über 1000 Juden aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf den Güterbahnhof Düsseldorf Derendorf. Ziel dieser Deportation war das Ghetto in der Stadt Litzmannstadt (Lodz). Durch seinen Bruder Rudolf Braunschweig, der seit 1941 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf war, wusste Dr. Leopold Braunschweig, dass auch die nächste große Deportation mit über 600 jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Düsseldorf in Planung war. Im Unterschied zu seinen mit „arischen“ Ehefrauen verheirateten Brüdern Otto und Rudolf Braunschweig, war der unverheiratete Leopold Braunschweig nicht vor einer solchen Deportation geschützt. Dies bewog ihn möglicherweise zum Selbstmord am 27./28. Oktober 1941. Seine beiden Brüder überlebten die Verfolgungszeit.