Gedenkbuch

Reiss, Moritz

Moritz Reiss kam am 11. Oktober 1891 in Holzhausen, Kreis Kirchhain, als Sohn des Ehepaars Hertz und Betty Reiss, geborene Stiefel, zur Welt. Er hatte noch sechs Geschwister: einen Bruder und vier Schwestern. Die Familie wohnte in Rauischholzhausen im Haus Nr. 37. Sein Vater Herz Reiss handelte mit Kleidern und Textilien. Am 23. November 1902 verstarb in Bottrop seine Schwester Johanna Reiss im Alter von 21 Jahren. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Rauischholzhausen begraben. 1910 und 1911 musste die Familie die nächsten schweren Schicksalsschläge verkraften: zunächst verstarb Moritz 24-jährige Schwester Bertha in Marburg. Ein Jahr später starb seine Schwester Lina im Alter von 21 Jahren. 

Moritz Reiss kämpfte als Soldat im Ersten Weltkrieg und wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Er erhielt später eine Kriegsrente des Versorgungsamtes Düsseldorf in Höhe von 23,60 RM im Monat. Sein Bruder Leopold Reiss fiel am 28. April 1918 als Soldat. Er wurde 33 Jahre alt. Am 15. Oktober 1921 verstarb seine Mutter in Rauischholzhausen im Alter von 65 Jahren. Fünf Jahre später verstarb dort auch sein Vater. Beide wurden auf dem jüdischen Friedhof im Ort begraben.

Beruflich war Moritz Reiss als Kaufmann tätig und führte als Mitinhaber die Firma „Alfred Fröhlich“ (später Firma „Rosenthal“) in Bochum-Gerthe. Er heiratete Lotte Marcus, deren Familie im Bochum-Linden ansässig war. 

Beide zogen später ins Rheinland nach Düsseldorf, woraufhin Moritz Reiss seine Beteiligung an der Bochumer Firma aufgab und in Düsseldorf-Gerresheim in der Heyestraße 145 ein Textilgeschäft übernahm. In dem Kaufhaus „Moritz Reiss – Manufakturwaren“, das zuvor „Samuel Michel“ hieß, verkaufte er Arbeitsschuhe und Arbeitskleidung an die Arbeiter der Gerresheimer Glashütte. 

1938 musste Moritz Reiss unter dem Druck der nationalsozialistischen Verfolgung sein Geschäft aufgeben. Es wurde „arisiert“, und der neue Besitzer Franz Osterwind nannte es in Kaufhaus „Görgens“ um. Nach den Ereignissen der Pogromnacht 1938 musste das Ehepaar Reiss in die Truchseßstraße 33 umziehen, ein Haus, das dem jüdischen Ehepaar Callmann gehörte.

Das Ehepaar Reiss versuchte um 1940, die Ausreise aus Deutschland nach Nordamerika zu organisieren, was ihnen aber letztlich nicht gelang. Nach der von den Nationalsozialisten erzwungenen Vermögenserklärung besaß Moritz Reiss ein Wohnhaus in der Straße Auf’m Hennekamp 33 im Wert von 23.600 RM, das allerdings mit 8.600 RM belastet war. Weiterhin besaß er Wertpapiere in Höhe von 25.200 RM und Sparbücher im Wert von ca. 74.000 RM. Sein gesamtes Vermögen wurde später beschlagnahmt.

Moritz Reiss wurde am 27. Oktober 1941 zusammen mit seiner Frau von Düsseldorf in das Ghetto von Litzmannstadt/Łódź deportiert. Sie mussten dort mit weiteren Deportierten im Zimmer 3 der Kollektivunterkunft Fischstraße 15 leben. Moritz Reiss konnte erreichen, dass er und seine Frau vom II. Transport am 5. Mai 1942 zurückgestellt wurden. Sie zogen am 21. Mai 1942, nach der Auflösung der Kollektivunterkünfte Mitte Mai 1942, in die Wohnung 20 in der Hamburger Straße 42. Seine Ehefrau verstarb am 18. Juli 1942 im Ghetto. Auch Moritz Reiss war erkrankt und starb am 20. Oktober 1942 im Ghetto Litzmannstadt/Łódź. Als offizielle Todesursache wurde eine Krankheit der Lunge angegeben.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf