Gedenkbuch

Friedemann, Mina

geb. Thalheimer

Am 24. Dezember 1872 kam in Königstein im Taunus Mina Thalheimer zur Welt. Vermutlich hatte sie einen Bruder: den am 27. Dezember 1874 in Königstein geborenen Siegmund Thalheimer. Er hatte 1914 bereits in Wallau gelebt und starb als Soldat im Ersten Weltkrieg am 28. Januar 1916.
Mina hatte den Metzger und Kaufmann Seligmann „Sally“ Friedemann (1873-1925) geheiratet. Mit ihm bekam sie sechs Kinder, von denen eins als Kleinkind verstarb: Walter (1899-1940), Siegmund (1902-1984), Simon (1903- vermutlich um 1943), Reinhold (1905-1906), Margarethe (1907-1990) und Karla (geboren 1911). Die Familie Friedemann führte in Altstadt-Hachenburg ein Metzgerei- und Lebensmittelgeschäft. Sie hatten das Haus Rheinstraße 18 um 1900 als Geschäfts- und Wohnhaus errichtet. Nach dem Tod ihres Mannes im Sommer 1925 half ihr Sohn Simon Friedemann im Geschäft zunächst aus und führte dann mit ihr zusammen die Geschäfte weiter. 

Ihr Sohn Siegmund Friedemann war ein bekannter Kantor geworden und hatte in Frankfurt am Main und dann in Merzig gelebt. 1935 emigrierte er mit seiner Frau ins Elsass. Im April 1936 zog ihr Sohn Simon Friedemann nach Frankfurt am Main und dann im März 1937 nach Krefeld.
Ihr Sohn Walter Friedemann, der noch bei ihr wohnte, wurde am 15. Juni 1938 denunziert und während der Aktion „Arbeitsscheu“ verhaftet. Am 13. Februar 1940 verstarb ihr Sohn Walter Friedemann im Konzentrationslager Sachsenhausen. Als Todesursache für den 40-Jährigen wurde „Körperschwäche“ eingetragen. Seine letzte Adresse war die seiner Mutter in Altstadt: Rheinstraße 18. 

Kurz nach diesem Ereignis meldete sich die 68-jährige Mina Friedemann nach Düsseldorf ab. Sie fand zunächst eine Unterkunft in der Talstraße 3. Dort wohnte seit kurzem auch die ehemalige Hachenburgerin Martha Engel. Die 39-Jährige hatte sich am 5. März 1940 dorthin abgemeldet und gilt als letzte jüdische Bewohnerin der Stadt Hachenburg in der NS-Zeit. Die beiden Frauen kannten sich vermutlich. Beide zogen am 28. März 1940 ein Zimmer in der Konkordiastraße 66. 

Ihr Sohn Simon Friedemann, der in Krefeld als Hausdiener bei dem bekannten Krefelder Kinderarzt Dr. Kurt Isidor Hirschfelder arbeitete, war im engen Kontakt mit seiner Mutter. Möglicherweise hatte er den Umzug beider nach Düsseldorf vermittelt. Um so schockierender muss es für Mina Friedemann gewesen sein, dass er am 27. Oktober 1941 mit der ersten Deportation aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf in das Ghetto von Litzmannstadt/Łódź deportiert wurde. Als nächstes wurde ihre Mitbewohnerin Martha Engel am 10. November 1941 ins Ghetto Minsk deportiert. Auch sie hat nicht überlebt. 

Die ältere Mina Friedemann konnte noch über ein halbes Jahr in Düsseldorf leben. Sie wurde erst am 21. Juli 1942 mit dem ersten Deportationstransport älterer Menschen ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Von dort kam sie am 21. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka, wo sie ermordet wurde.

Ihr Sohn Simon Friedemann hatte aus dem Posener Zwangsarbeiterlager am 24. Juli 1942 eine Postkarte an seine Verwandte im Ausland geschrieben: „Posen, den 24. Juli 1942 Ihr Lieben alle! Hoffe, daß es Euch allen noch gut geht und Ihr vom lb. Siegmund, Herta u. Kinder gute Nachricht habt. Von mir kann ich G.L. gesundheitl. auch noch Gutes melden. Vor einiger Zeit hatte ich Euch einen Brief geschrieben u. warte bis jetzt tägl. auf Antwort von Euch.
Ich bin sehr traurig, denn ich bekam von der lb. guten Mutter aus Düsseldorf die Nachricht, daß sie am 21. ds. Mts. nach Theresienstadt bei Prag übersiedeln mußte. Ich wußte sie in Düsseldorf so gut aufgehoben. Sie hat in den 9 Monaten, wo ich hier bin, wunderbar für mich gesorgt u. mir wöchentl. 1-2 Pakete geschickt. Was kann ich machen, ich muß mich mit anderen trösten. Alles wie G´tt es will. Wir dürfen den Mut nicht verlieren. Schreibt mir doch bitte öfters, aber nur Karten. Briefe sind nicht erlaubt. Mit einem Päckchen mit Brot und Aufstrich würdet ihr mich sehr erfreuen
.“ Auch Simon Friedemann hat nicht überlebt.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf