Gedenkbuch

Jordan, Max

Max Jordan wurde am 21. Februar 1890 in Zaberfeld bei Heilbronn geboren. Er war das jüngste Kind der Eheleute Hirsch und Fanny Jordan, geborene Kaufmann. In seinem Elternhaus in Zaberfeld war auch der Betsaal der jüdischen Gemeinde des kleinen Ortes. Max hatte noch fünf Geschwister: Pauline (1877-1942), Albert (1879-1942), Bella (geboren 1881), Hedwig (geboren 1883) und Martha (geboren 1885). Die ältere Tochter seiner Schwester Hedwig, verheiratete Warschawsky, sollte später auch in Düsseldorf wohnen. Sein Vater Hirsch Jordan starb am 24. September 1911 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Freudenthal begraben. Dort lag auch seine Schwester Martha, die nur 2 Jahre alt geworden war.

Max Jordan kämpfte im Ersten Weltkrieg als Soldat. Er kam in Kriegsgefangenschaft und konnte erst 1920 nach Deutschland zurückkehren. 1923 heiratete er Frieda Leyens aus Schwanenberg bei Erkelenz. Dort war sie am 20. Oktober 1890 als jüngstes Kind der Eheleute Gottschalk und Johanna Leyens zur Welt gekommen. Sie hatte noch zwei Schwestern und zwei Brüder. Max Jordan und Frieda Leyens hatten sich über einen gemeinsamen Freund kennengelernt.

Das junge Ehepaar Jordan zog nach Düsseldorf. Dort wurde am 15. Juli 1926 ihr einziges Kind, die Tochter Inge, geboren. Max Jordan arbeitete in der Metallbranche, zunächst als Händler mit seiner eigenen Firma “Max Jordan, Metalle”. Die Familie wohnte in einer Wohnung in der dritten Etage des Hauses Hüttenstraße 144. Von 1930 bis 1935 wohnte Walter Bonn bei ihnen. Er war der 1912 geborene Sohn von seiner Schwägerin Emmy Bonn, geborene Leyens.

Mit Zunahme der Diskriminierung jüdischer Menschen wurde auch der Alltag der Familie Jordan immer schwieriger. Max Jordan musste seine eigene Firma aufgeben. Er arbeitete später für die Metalldruckerei Eduard Ohligschläger in Düsseldorf.

Seine Tochter Inge besuchte die Jüdische Volksschule in der Kasernenstraße. Im Zuge der sogenannten Polenaktion vom 27. Oktober 1938 wurde seine Schwester Hedwig Warschawsky und eine ihrer Töchter an die deutsch-polnische Grenze deportiert. Wenige Tage später erfolgte auch in Düsseldorf der sogenannte Novemberpogrom. Seine Tochter Inge erinnerte sich später daran: “In der Nacht vom 9. November träumte ich, dass die Tante und die Cousine zurückgekommen sind, und sie stehen vor der Tür unserer Wohnung und klopfen an – und klopfen – und klopfen… . Plötzlich wachte ich auf. Das Klopfen war Wirklichkeit, und es wird zu Hammern, und dann zum Krachen von zersplittertem Glas. Jetzt war ich schon ganz wach und rannte in das Schlafzimmer der Eltern, die natürlich schon wach aufsaßen. Und so, zu dritt im Bett „empfingen“ wir die schwarze Gestalt in SS-Uniform, die sich mit einem geladenem Revolver in die Tür stellte. Haben wir etwas gesagt? Hat er geantwortet? Das erinnere ich nicht. Aber sofort hörten wir laute Stimmen und unerklärliche Geräusche, etwas fällt um – wieder zerbrechendes Glas. Was tun die denn? Es dauerte etwas, bis wir es wagten uns zu bewegen. Als wir dann endlich aufstanden und in die Zimmer gingen, [die zur Straße hin lagen], war alles leer, außer Scherben auf dem Boden. Wo ist denn das Buffet, die Bibliothek, der große Tisch, das Sofa, die Sessel? Wer der erste war, der von den zerschmetterten Fenstern [aus] herausgeschaut hat, weiß ich nicht mehr, aber dann sahen wir unten , auf der Straße, den Trümmerhaufen, der schon in Flammen aufging. Außerdem war die Straße leer.
Jetzt so schnell wie möglich weg von hier. Vielleicht kommen sie noch zurück! Wir zogen uns so warm wie möglich an – es war ja eine Novembernacht – und schlichen die Treppe herunter. Waren da Augen hinter den verschlossenen Wohnungen? Ich weiß es nicht. Aber keine Türe öffnete sich. Als wir dann die Hüttenstraße entlang gingen, sahen wir noch einige solcher „Lagerfeuer“, aber alles war ruhig. Die Eltern telephonierten [mit] einigen Freunden, und eine ältere jüdische Dame, die glücklicherweise von den Horden verschont wurde, nahm uns bis zum Morgen auf. Die Eltern wollten auf keinen Fall […] in unsere Wohnung zurück, denn man hörte am nächsten Tag Geschichten von Männern, die festgenommen wurden. Durch meinen Musiklehrer, ein Nichtjude, der mit einer Jüdin verheiratet war, fanden wir eine Familie in einem kleinen Ort in der Nähe von Düsseldorf, wo wir uns ein paar Tage verstecken konnten.”

Am 31. Dezember 1938 zogen Max und Frieda Jordan mit ihrer Tochter in eine kleinere Wohnung in die Grafenberger Allee 74. Die Tochter Inge gaben sie dann schweren Herzens am 3. März 1939 mit auf einen Kindertransport nach Großbritannien. Ihre eigene Emigration versuchte das Ehepaar Jordan mit Hochdruck in die Wege zu leiten. Bei der Verabschiedung am Bahnhof hatten sie ihrer Tochter gesagt: „Wir kommen Dir bald nach, Maximum ein Jahr sind wir getrennt“.  Sie blieben, so lange es ihnen möglich war, im regen Briefaustausch mit ihrer Tochter. Am 23. September 1940 schrieb Frieda Jordan an ihre Tochter: „Es ist für den l. Vati und mich immer ein Festtag, wenn ein Brief von Dir mein Liebling kommt.“

Seit dem 4. April 1940 musste Max Jordan im Rahmen des „jüdischen Arbeitseinsatz“ bei der Gärtnerei Florak arbeiten. Frieda Jordan schreibt am 25. Dezember 1940 an die Tochter Inge: „Der liebe Vati freut sich ganz besonders auf diese Tage, da kann er sich mal so richtig ausschlafen, denn sonst stehen wir jeden Morgen um 6 Uhr auf.“ Am 22. Juli 1941 schrieb Max Jordan: „Übrigens habe ich Mutti schon mehrmals Blumen von der Arbeit mitgebracht, die waren z. T. sehr schön, und dazu kosteten sie nichts!

Die Ausreisemodalitäten hatten sich derweil durch den Kriegseintritt Amerikas weiter verschlechtert und dem Ehepaar gelang nicht die erhoffte Emigration.Sie blieben jedoch so lange es ging, brieflich mit ihrer Tochter und ihren Familienangehörigen in Verbindung. Am 13. Oktober 1941 berichteten sie: “Oma hatte jetzt Besuch von Tante Bella [Jordan], ganz überraschend und anscheinend leider zu kurz. Sie war seit acht Jahren nicht da und bei dem Alter von der lieben Oma weiß man nicht, ob und wann man sich noch einmal sieht. Natürlich war die Freude groß. Tante Hedwig [Warschawsky] und Oaula schrieben dieser Tage auch, so weit zufriedenstellend nach den Umständen, auch sie haben große Sehnsucht. Onkel Albert [Jordan] wird seine Wohnung wechseln müssen, was ihn natürlich, da er über 20 Jahre in dem Haus wohnt, sehr hart ankommt. Auch bei uns ist demnächst eine Änderung möglich, wir teilen dies dann noch mit.”

Am 8. November 1941 schrieben sie ein letztes Mal über Umwege an ihre Tochter: „morgen ziehen wir um, d. h. wir wandern, um mit etwas Gepäck und zwar 700 von hier, nach dem Osten Minsk – erst schien es zwischen Warschau und Lublin, heute heißt es nach Minsk in Weißrussland.“ Max und Frieda Jordan wurden nach einer Nacht im Schlachthof in Derendorf per Zug am 10. November 1941 in das Ghetto von Minsk deportiert. Sie haben nicht überlebt.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf