Aufricht, Ernestine
Ernestine (Erna) Aufricht kam am 13. Januar 1882 als fünftes Kind von Karl Nathan Aufricht (geboren 1846) und seiner Frau Rosalia Aufricht (1854-1883), geborene Messinger, in Budapest zur Welt. Ihre Eltern hatten am 31. Oktober 1875 geheiratet. Ernestine hatte mit Otto (1875-1898), Johanna (1876-1963), Hugo (geboren 1877) und Siegmund (1879-1889) vier ältere Geschwister. Im Mai 1883 folgte Ernestines jüngere Schwester Margarete (geboren 1883). Nur wenige Monate nach Margaretes Geburt verstarb Rosalia Aufricht im jungen Alter von 29 Jahren. Ernestine war zu diesem Zeitpunkt erst ein Jahr alt.
Karl Nathan Aufricht verzichtete 1887 schriftlich auf die Erziehung seiner Töchter Ernestine und Johanna. Sie wurden den Leiterinnen eines evangelischen Internats in Budapest übergeben und im evangelischen Glauben erzogen. Ernestine und Johanna wurden noch im selben Jahr getauft. Der Kontakt zum Vater sowie zu den Geschwistern brach ab. Nur zwei Jahre nachdem Ernestine und Johanna die Familie verlassen hatten, verstarb ihr Bruder Siegmund im Alter von zehn Jahren.
Ernestine und ihre Schwester Johanna verließen Ungarn. Johanna trat 1892 in das Diakonissen-Mutterhaus in Kaiserswerth ein. Die 16-jährige Ernestine folgte ihrer Schwester 1898 als Diakonissenschülerin. Im selben Jahr verstarb ihr ältester Bruder Otto mit 19 Jahren.
Am 2. Oktober 1899 wurde Ernestine Probeschwester. Später erlernte sie den Beruf der Lehrerin, während Johanna die Anerkennung zur staatlich geprüften Krankenpflegerin erwarb. Seit 1903 besaßen die Schwestern die deutsche Staatsangehörigkeit.
Vermutlich wurde die Gestapo durch einen korrekt ausgefüllten Fragebogen anlässlich der Volkszählung von 1939 auf die Schwestern aufmerksam. Im Februar 1942 wurden sie zur Gestapo vorgeladen und zum Tragen des Judensterns verpflichtet. Ernestine und Johanna mussten nun einen Überwurf mit einem “Judenstern” über ihrer Schwesterntracht tragen, sobald sie ihre Zimmer in der Diakonissenanstalt verließen. Darüber hinaus sollten sie das Anstaltsgelände nicht mehr verlassen und waren dazu angehalten, sich nach Feierabend in ihren Zimmern aufzuhalten.
Am 21. Juli 1942 wurden die 60-jährige Ernestine und die 66-jährige Johanna Aufricht von Düsseldorf aus in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Zu diesem Zeitpunkt lebten sie bereits seit mehr als 40 Jahren in Kaiserswerth. Ernestine Aufricht wurde am 19. August 1944 aus dem Ghetto Theresienstadt in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.
Ihre Schwester Johanna überlebte den Holocaust und kehrte im Juni 1945 in die Diakonie Kaiserswerth zurück, wo sie am 18. August 1963 verstarb.