Gedenkbuch

Strauss, Beatrice

Beatrice Strauss kam am 13. November 1902 in Geisenheim im Rheingau als zweites Kind des Weingroßhändlers Sebald Strauss und seiner Frau Hedwig, geborene Rödelheimer, zur Welt. Sie hatte noch zwei Geschwister: Alfred (1901-1968) und Käte (1904-1997). In ihrer Familie wurde Beatrice Strauss „Bea“ genannt. Im Jahr 1905 zog ihre Familie von Geisenheim nach Wiesbaden, wo Beatrice von 1909 bis 1916 das Lyzeum besuchte. Danach besuchte sie ein Realgymnasium und bestand 1922 ihr Abitur. Vom 1. April 1922 bis zum 31. März 1923 arbeitete sie in der kaufmännischen Zentrale der Chemischen Fabrik vormals Goldenberg, Geromont & Co., in Wiesbaden.

Von 1923 bis 1927 absolvierte sie an der Universität Freiburg und an der Universität Frankfurt am Main ein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Im Februar 1926 bestand Beatrice Strauss in Frankfurt die Diplomprüfung für das Handelslehramt. Am 2. August 1927 schloss sie ihre Promotion erfolgreich ab.

Nach der Promotion zog sie nach Bremen. Dort arbeitete sie als Lehrerin im Frauenerwerbs- und Ausbildungsverein und gab Unterricht an einer Mädchenberufsschule. Dr. Beatrice Strauss wohnte in der Lützowerstraße 78. 1933 wurde der Frauenerwerbsverein von den Nationalsozialisten aufgelöst und Dr. Beatrice Strauss wurde arbeitslos. Daraufhin zog sie zu ihren Eltern nach Wiesbaden.

Sie zog 1936 nach Düsseldorf um eine Stelle an der 1935 eingerichteten Jüdischen Volksschule anzutreten. Dr. Strauss lehrte dort Sprachen und auch Landeskunde. Der frühere Düsseldorfer Henry Rose, früher Heinz Rosenstein, Jahrgang 1919, beschreibt sie als eine ganz großartige Lehrerin mit enormem Mut in der schweren Zeit der Diskriminierung und Verfolgung. Seit dem 16. April 1936 wohnte Dr. Beatrice Strauss in der Feldstraße 34. Dort wohnten schon zur Untermiete auch ihre Schulkollegin Grete Eichelberg und der Lehrer Kurt Schnook.

Am 25. April 1938 zog Beatrice Strauss nach Essen und unterrichtete an der dortigen jüdischen Schule. Sie wohnte zunächst in der von Seecktstraße 45 und zog im Februar 1939 in die Helbingstraße 16 III. Am 22. September 1939 schrieb sie in einem Brief an ihren Bruder Alfred, der 1939 über Peru nach Bolivien emigriert war: „Ich gebe wieder eifrigst weiter Unterricht, morgens den Kindern, nachmittags den Erwachsenen, die Kurse sind auch wieder ganz gut besucht, bis auf den Intensivkurs, in dem nur noch wenige sind, aber vielleicht nimmt es im Oktober wieder zu.“ Im Juli 1939 überlegte sie, eine Stelle in Berlin anzutreten. Dort wohnte auch ihrer früherer Kollege von der jüdischen Schule in Düssedorf, der Künstler und Kunstlehrer Julo Levin.

Vom 23. Dezember 1939 bis zum 3. Januar 1940 wurde an der Gartenbauschule in Ahlem ein Fortbildungslehrgang für Lehrkräfte des Englischen veranstaltet. Dr. Beatrice Strauss gehörte zu den Dozentinnen. Am 20. Dezember 1939 schrieb sie an ihren Bruder: „Morgen bekomme ich Ferien und fahre übermorgen nach Ahlem bei Hannover, wo ich im Auftrag der Reichsvertretung als Lehrkraft an einer Fachtagung für Lehrkräfte des Englischen mitwirken soll.“ Und am 8. Januar 1940 schrieb sie ihm: „Ich habe in Ahlem nicht nur unterrichtet, sondern auch viel dazugelernt. Die besten Berliner Anglisten waren da, sie haben mir viel Material angegeben, das ich teils zur Vorbereitung, teils zum Unterricht gebrauchen kann. Ausserdem hat ein Amerikaner täglich eine Stunde lang einen Vortrag gehalten. Es hat mir alles viel Spass gemacht, nur ich selbst müsste viel mehr können. Die Schüler waren zwar sehr zufrieden, aber die Berliner sind mir bei weiten über.

Ähnlich wie ihre beiden Geschwister überlegte Beatrice Strauss, ob sie emigrieren sollte. In vielen ihrer Briefe geht es um die Möglichkeiten einer Emigration. Doch ihre Eltern lebten noch in Wiesbaden und sie kümmerte sich liebevoll um sie. Regelmäßig fuhr sie zu ihnen. Ihre Eltern hatten ein schönes Mehrparteienhaus in Wiesbaden in der heutigen Bahnhofstraße 46. Das Haus wurde später zu einem „Judenhaus“. Die Sommerferien 1940 verbrachte sie bei ihren Eltern in Wiesbaden. Sie schrieb in einem Brief an ihren Bruder Alfred: „Ich habe in den Ferien nur gebummelt. Seit vorgestern ist hier richtiges Sommerwetter, sonnig und heiss. (…) Heute erwarten wir den Mann wegen des Verkaufs der Möbel, da wir voraussichtlich 2 Zimmer abgeben müssen.“ Am 22. September 1940 schreib sie an ihren Bruder: „Eltern haben sich über deine Briefe gefreut, denn sie scheinen sehr schlechter Laune zu sein wegen der Wohnungsgeschichte. Dein ehemaliges Wohnzimmer wird auf Vaters Kosten zur Wohnküche umgebaut, Salon und Balkonzimmer werden abgegeben.“

Am 29. April 1940 schrieb Beatrice Strauss an ihren Bruder über ihren Umzug in die Alfredstraße 77: „Ich ziehe mit Frau Cohn, bei der ich wohne, zusammen am Freitag in eine kleinere Wohnung. Die hier ist zu gross, weil Frau Cohns Kinder inszwischen ausgewandert sind. Wir ziehen zur Alfredstraße 77 und hoffen, dass es dort schöner ist, weil wir dort einen Garten haben, wo wir die Sommerabende verbringen können. Auch die Gegend ist schöner, als hier.“ Und am 5. Mai 1940 berichtete sie: „Gestern bin ich mit Frau Cohn zusammenumgezogen, wir wohnen jetzt Alfredstraße 77. Ich glaube, es wird ganz schön in unserer neuen Wohnung, jetzt stehen natürlich noch zuviel unaufgeräumte Sachen herum.“ Am 14. Mai 1940 schrieb sie ihrem Bruder: „Mein neues Zuhause ist sehr nett geworden und ich fühle mich sehr wohl darin. Ich bin in den Pfingstferien nicht verreist und habe hier bei dem schönen Wetter Spaziergänge gemacht. Du glaubst gar nicht, wie schön das Ruhrtal ist. Ich hätte nie gedacht, dass es mitten in dem Industriegebiet so schön sein könnte.“

Bei „Frau Cohn“ handelte es sich um Friederike Luise Cohn, geborene Meyer (26. Juni 1890 in Offenbach). Ihr Ehemann Sally Meyer war am 24. Juni 1938 in Essen an einer Lungenentzündung verstorben. Ihre beiden Kinder waren da bereits emigriert oder in der diesbezüglichen Vorbereitung. Luise Cohn gab auch Handarbeitsstunden im Rahmen des jüdischen Winterhilfswerks und erteilte den Kindern der jüdischen Volksschule kostenlosen Nachhilfeunterricht in Englisch. Vermutlich hatte Beatrice Strauss sie darüber kennengelernt.

Zuletzt wohnte Beatrice Strauss in der von Seecktstraße 32. Am 10. November 1941 wurde Dr. Beatrice Strauss aus Essen über den Güterbahnhof Düsseldorf in das Ghetto von Minsk deportiert und später ermordet. Ihre Eltern sorgten sich sehr, als sie keine aktuelle Adresse oder ein anderweitiges Lebenszeichen von ihrer Tochter erhielten. Am 18. November 1941 schrieben sie ihren Sohn: „Bei uns ist die Stimmung gedrückt, seit Bea nicht mehr da ist und wir ihre neue Adresse noch nicht haben. Sie schrieb uns noch von unterwegs, dass sie aus Zeitmangel weder Dir, noch Käte schreiben konnte.“ Am 1. September 1942 wurden Sebald und Hedwig Strauss in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Hedwig Strauss verstarb dort zwanzig Tage nach der Ankunft. Ihr Mann starb im Ghetto Theresienstadt am 6. Oktober 1942.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf