Gedenkbuch

Cohn, Anna

geb. Eschelbacher

Am 4. Juni 1883 wurde Anna Eschelbacher als Tochter von Michael und Regina Eschelbacher, geborene Spiegel, in Hardheim im Neckar-Odenwald-Kreis geboren. Sie hatte acht Geschwister. Ihre ältere Schwester Helene (Lina) Eschelbacher war am 25. Oktober 1863, ihre Schwester Klara am 15. November 1889 in Hardheim zur Welt gekommen. Außerdem gab es die Brüder Max (Junior), Siegfried (1892-1973), Dr. Oscar (1894 – 1984 Israel) und Alfred Eschelbacher (1897-1988). Ihre jüngere Schwester Mathilde kam am 23. März 1887 in Hardheim zur Welt.

Ihr Vater Michael Eschelbacher stammte gebürtig aus Hardheim und arbeitete als Kaufmann. Die Familie wohnte in einem Fachwerkhaus. Später zog die Familie nach Neuwied in die Mittelstraße 31. Dort unterhielten sie das Kaufhaus ERWEGE („Einkaufgenossenschaft Rheinisch-Westfälischer Geschäftshäuser)“. In Neuwied besuchten ihre Brüder das Gymnasium. Ihre Brüder Max und Siegfried Eschelbacher übernahmen später die Leitung des Kaufhauses.

1902 heiratete Anna Eschelbacher in Frankfurt am Main den Kaufmann Rudolf Cohn. Ihr Ehemann stammte aus Posen, wo er am 13. Oktober 1869 zur Welt gekommen war. Ihr Mann arbeitete als selbstständiger Vertreter von Möbelfirmen. Am 1. Oktober 1905 kam ihre Tochter Lilly in Neuwied zur Welt. In Neuwied wohnte später auch ihr Bruder Alfred Eschelbacher, der Zahnarzt geworden war. Am 2. November 1907 verstarb in Neuwied ihr Vater. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Niederbieber begraben.

Seit 1919 lebten Anna Cohn mit ihrem Ehemann in Koblenz. in Koblenz wohnte später auch ihr Bruder Siegfried Eschelbacher. Auch ihre Schwester Klara wohnte mit ihrem Ehemann Richard Herz dort. Ihr Bruder Oskar Eschelbacher lebte in Düren. Er führte dort zusammen mit seiner Frau Selma Eschelbacher-Roer eine Zahnarztpraxis. 1929 verstarb ihre Mutter Regina Eschelbacher in Neuwied. Sie wurde neben ihrem Ehemann begraben.

Am 21. Mai 1930 heiratete ihre Tochter Lilly in Den Haag Chaim (Hans) Holzer. Er war am 7. August 1901 in Leipzig als Sohn von Nathan und Fanny Holzer, geborene Bindefeld, zur Welt gekommen. Am 3. Mai 1931 wurde in Den Haag Annas Enkelin Ellen Ruth Holzer geboren.

Am 27. Juli 1933 zog das Ehepaar Cohn von Koblenz nach Düsseldorf. Zunächst bezogen sie eine Wohnung in der Luegallee 4. Später zogen sie einige Häuser weiter in die Luegallee 66.

Ihre Schwester Klara zog mit ihrer Familie im September 1935 nach Amsterdam. Am 4. März 1939 meldete sich das Ehepaar von Düsseldorf nach Den Haag in die Niederlande ab. Da Juden ab Mai 1940 die Küstenorte verlassen sollten, zogen sie notgedrungen nach Gouda. Sie bezogen kurz darauf eine Wohnung in der Sophiastraat 47. Später zogen sie in die Ijssellaan 144. Dort lebten sie bis zum April 1943. Ob Anna Cohn in Gouda auch den vormaligen Düsseldorfer Felix Wertheimer traf, der wie sie 1886 in Hardheim zur Welt gekommen war, ist nicht bekannt, wäre aber durchaus möglich.

Ab der Besetzung durch die Deutsche Wehrmacht wurde auch in den Niederlanden der Alltag für jüdische Menschen kontinuierlich schwieriger und letztlich gefährlicher. Ab 1942 folgten die antijüdischen Maßnahmen in rascher Folge, wobei die sichtbarste Maßnahme am 3. Mai 1942 erfolgte: die Einführung des sogenannten Judensterns, der sichtbar auf der Kleidung angenäht werden musste.

Bei der großen SS- und Polizeirazzia am 9. April 1943 wurden fast alle jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner in Gouda zusammengetrieben. Wer versuchte sich zu verstecken, wurde durch Polizisten und niederländische „Judenjäger“ aufgespürt. Ab dem 10. April 1943 waren auch Anna Cohn und ihr Ehemann im Durchgangslager Westerbork interniert.

Am 20. April 1943 wurde Anna Cohn zusammen mit ihrem 73-jährigen Ehemann in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und nach der Ankunft dort am 23. April 1943 ermordet.

Ihre Tochter Lilly Holzer überlebte die NS-Zeit und stellte nach dem Krieg aus Brasilien einen Suchantrag, um das Schicksal ihrer Eltern zu klären.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf