Gedenkbuch

Baer, Richard Rafael

Der Metzger Richard Baer wurde am 13. Januar 1901 in Düsseldorf als jüngstes Kind des Ehepaars Moritz und Bertha Baer, geborene Levy, in Düsseldorf geboren. Er hatte noch drei Geschwister: Isidor Baer (1892 Düsseldorf – 1944), Marta Baer (1895 Düsseldorf – 1942 Kulmhof [Chełmno]) und Julie Joseph, geborene Baer, verwitwete Roos (1872 Düsseldorf – 1942 Treblinka). Zusammen mit seinem Bruder Isidor führte er in der Kölner Straße 151 eine Metzgerei. Er wohnte im gleichen Haus zusammen mit seiner Schwester Marta.

Richard Baer war vermutlich mit Grete Schmahl aus Gelsenkirchen verlobt, die in der Metzgerei als Verkäuferin beschäftigt war. Am 10. November 1938 waren ihre Eltern und ihr 18-jähriger Bruder Helmut zu Gast in Düsseldorf. Während des Novemberpogroms wurde Richard Baer zusammen mit allen anderen anwesenden Familienmitgliedern – auch denen der Familie Schmahl – verhaftet und im Polizeigefängnis Düsseldorf inhaftiert. Familie Schmahl wurde einen Tag später wieder entlassen, während Richard Baer bis zum 16. November 1938 festgehalten wurde, an dem er mit 79 weiteren Männern um 9:30 Uhr morgens von Düsseldorf „auf Transport“ ins Konzentrationslager Dachau geschickt wurde. Sie erreichten den Ort Dachau am Abend. Richard Baer musste zusammen mit den anderen Neuankömmlingen in der Novemberkälte, stundenlang auf dem Appellplatz stehend, auf ihre „Aufnahme“ warten; diese wurde erst für den 17. November 1938 eingetragen. Seine Häftlingsnummer lautete 29448. Am 28. Januar 1939 wurde Richard Baer aus dem KZ Dachau entlassen und konnte nach Düsseldorf zurückkehren.

Am 27. Oktober 1941 wurde Richard Baer mit seinen Geschwistern und seiner Verlobten Grete Schmahl ins Ghetto von Litzmannstadt/Łódź deportiert. Dort wurden sie der Kollektivunterkunft Fischstraße 15, Zimmer 1, zugeteilt. Am 14. Dezember 1941 heiratete Richard Baer im Ghetto Grete Schmahl. Im gleichen Monat erhielt Richard Baer eine Arbeitsstelle bei der elektrischen Straßenbahn des Ghettos. Er wurde in einer Schneeräumgruppe beschäftigt, die die Gleise in den Wintermonaten freiräumen mussten. Vom 10. Februar 1942 bis zum 31. März 1942 war Richard Baer als Tagelöhner in der Wirtschaftsabteilung der Hausverwaltung beschäftigt. Er erkrankte am 1. April 1942 und musste in das Krankenhaus Holzstraße eingeliefert werden. Am 3. Mai 1942 wurde er „ungeheilt“ entlassen. Die zu diesem Zeitpunkt akute Bedrohung der „Ausreiseaufforderungen“ versuchten seine Frau Grete und sein Bruder Isidor für ihn abzuwenden. Zunächst sollte er mit dem V. „Aussiedlungstransport“ das Ghetto verlassen. Grete Baer-Schmahl erreichte, dass die Leitung des „Düsseldorfer Kollektivs“ am 4. Mai 1942 die zuständige „Aussiedlungs-Kommission“, unter Hinweis auf die fortbestehende Krankheit und Pflegebedürftigkeit von Richard Baer, um Zurückziehung der „Ausreiseaufforderung“ bat.

Am 10. Mai 1942 wurde, zur Ergänzung des Befreiungsantrags, ein weiteres Schreiben an das „Amt für Eingesiedelte“ geschickt. Darin wurde darauf hingewiesen, dass sich Richard Baer noch im Arbeitseinsatz befinde, der nur durch die Krankheit unterbrochen sei, woraufhin das Ehepaar von dem V. Transport zurückgestellt wurde. Sein Bruder Isidor Baer schrieb am 11. Mai 1942 an das Amt für Eingesiedelte, nachdem die ganze Familie, darunter auch Richard Baer, eine erneute Ausreiseaufforderung, diesmal für den XI. Transport, erhalten hatte: „Mein Bruder Richard wurde kurze Zeit nach unserer Einsiedlung bei der elektr. Straßenbahn-Getto beschäftigt. Von dieser Zeit an arbeitete er für das Wirtschaftsamt „Hausverwaltung“ bis zu seiner Erkrankung, die seine Überführung in das Krankenhaus erforderlich machte. Dort wurde er am 4. Mai ungeheilt entlassen; er ist noch bettlägerig und ich bitte wegen seiner Transportunfähigkeit um ärztliche Nachuntersuchung.“

Dieses Schreiben versah die zuständige Ausweisungskommission mit zwei polnischen Stempeln: mit „UWZGLEDNIONE“ (dt.: berücksichtigt) für seine Frau Grete sowie seinen Bruder Isidor, dessen Frau Else und deren Kinder Helmut und Margot; mit dem Stempel „ODMOWA“ (dt.: abgelehnt) für Richard und seine Schwester Marta Baer.

Am 13. Mai 1942, mit einem der letzten der Mai-Transporte, wurde Richard Baer zusammen mit seiner Schwester Marta und seiner Frau Grete aus dem Ghetto von Litzmannstadt/Łódź „ausgesiedelt“ und am nächsten Tag im Vernichtungslager Chełmno ermordet.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf