Gedenkbuch

Brandt, Else

geb. Simon

Am 20. Februar 1903 kam Else Simon in Köln als Tochter von Salomon und Selma Simon, geborene Hirsch, zur Welt. Sie wohnte in den 1920er Jahren mit ihren Eltern in Bonn in der Koburger Straße 3. Im Dezember 1926 verlobte sie sich mit dem Kaufmann Dr. Siegfried Brandt. Er war am 16. Juli 1895 in Ostrowo in Posen als Sohn von Hermann und Auguste Brandt, geborene Pogorzelski, zur Welt gekommen. Er hatte in den 1920er Jahren in Bonn gelebt und 1925 nach Detmold gezogen, um dort Geschäftsführer der Firma „Vereinigte Möbelfabriken Neugarten & Eichmann“ zu werden.

Sie heirateten am 25. März 1927 in Bonn. Am 24. April 1927 zogen sie in die Orbker Straße 47 in Detmold. Am 21. April 1930 kam in Detmold ihr Sohn Heinz zur Welt. Am 5. Mai 1931 verstarb das einjährige Baby, was für Else Brandt und ihren Mann sicherlich ein schwerer Schlag war. Am 15. Juli 1932 kam ihre Tochter Inge in Detmold zur Welt. Auf einem späteren Dokument aus den Niederlanden wurde vermerkt, dass sie an Diabetes litt.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam die Firma ihres Mannes als „jüdische Firma“ unter Druck. Im November 1935 wurde die Firma Neugarten und Eichmann schließlich zu „Vereinigte Möbelfabriken G.m.b.H Detmold“ „arisiert“.

Am 20. März 1936 zog Else Brandt mit ihrer Familie nach Düsseldorf. Zunächst wohnten sie in der Venloer Straße 9. Dort wohnte auch Max Neugarten (1879 in Dortmund). Vermutlich war er mit der Detmolder Firma „Neugarten und Eichmann“ verwandtschaftlich verbunden und hatte den Kontakt nach Düsseldorf hergestellt. Durch den Verlust der Arbeitsstätte ihres Mannes kam die Familie in schwierige finanzielle Verhältnisse. Am 21. Juli 1937 schrieb die Synagogengemeinde Düsseldorf an die Synagogengemeinde in Detmold: „Wir bemerken, dass Herr Dr. Brandt ein schwer krankes Kind hat, und seinen Lebensunterhalt in Holland verdient. Er ist beim Vorstand der Synagogengemeinde vorstellig geworden, mit dem Ergebnis, dass die von ihm angeführten Gründe dazu führten, dass der Vorstand der Synagogengemeinde Düsseldorf seine Steuerleistungen um mehr als die Hälfte ermässigt hat.“

Am 2. August 1938 zogen sie innerhalb Düsseldorfs um in die Reisholzerstraße 26. Möglicherweise hing der Umzug mit der Emigration in die Niederlande von Max Neugarten und seiner Familie zusammen. Auch sie warteten auf Einreisepapiere für Holland. Das Passgesuch ihres Ehemanns war zunächst wegen Steuerschulden abgelehnt worden. Nach Begleichung der Rechnung wurde ihm ein Reisepass für ein Jahr bewilligt.

Zuvor war ihr Mann bereits einige Zeit in Amsterdam, um die Emigration der Familie vorzubereiten. Er war im Parnasssusweg 24 III seit dem 6. April 1938 gemeldet und ab dem 5. Juli 1938 dann in der Deurloostraat 74 II. Ab Januar 1939 wohnte er in der Berkelstraat 3 III. Else Brandt und ihre siebenjährige Tochter Inge folgten ihm dorthin am 13. Januar 1939.

Nach der Besetzung der Niederlande wurde ihre Situation immer schwieriger. Im Januar 1941 verschärften sich die antijüdischen Gesetze und Verordnungen in den besetzen Niederlanden. Ab September 1941 durfte ihre Tochter Inge keine Schule mehr besuchen. Ab Mai 1942 mussten sie auch an ihrer Kleidung einen Judenstern tragen.

Am 20. Juni 1943 führten die Nationalsozialisten in Amsterdam eine großangelegte Razzia durch. Die Verhafteten, darunter auch Else Brand mit ihrer Familie, wurden noch am gleichen Tag in das polizeiliche „Judendurchgangslager Westerbork“ gebracht. Von dort wurden sie am 1. Februar 1944 in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Am 16. Februar 1945 verstarb ihr Ehemann Siegfried Brandt im KZ Bergen Belsen. Ihre Tochter Inge verstarb am 5. März 1945.

Else Brandt, die eigentlich krank war und nicht laufen konnte, wurde von Bergen Belsen auf einen erneuten Transport gebracht. Es handelte sich um den sogenannten „verlorenen Zug“ aus Bergen-Belsen. Ziel des Transportes sollte eigentlich das Ghetto Theresienstadt sein. Der Zug mit ursprünglich 2400 Häftlingen hielt schließlich nach einer Irrfahrt durch noch unbesetzte Teile Deutschlands in der Nähe der brandenburgischen Gemeinde Tröbitz auf offener Strecke an. Am 23. April 1945 fanden vorrückende Truppen der Roten Armee den Zug und befreiten die völlig entkräfteten Menschen aus den Waggons. Etwa 200 Menschen hatten die Fahrt nicht überlebt. In den nachfolgenden Wochen starben weitere 320 befreite Menschen durch eine Fleckfieber-Epidemie. Unter ihnen war auch Else Brandt. Sie verstarb in Tröbitz am 26. Mai 1945 und wurde in einem Massengrab des „Nordfeld-Lagers“ begraben.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf