Gedenkbuch

Gumpert, Else

geb. Hayn

Am 3. Januar 1879 kam Else Hayn als Tochter des Kaufmanns Emil Hayn (1837-1895) und dessen Frau Rosalie, geborene Hirschfeld, in Berlin zur Welt. Ihr Vater stammte gebürtig aus Leobschütz, ihre Mutter aus Drawno. Sie hatten am 31. August 1867 in Berlin geheiratet. Else hatte fünf Geschwister: Alfred (1868-1919), Meta (1869-1923), Ernst (1871-1931), Gertrud (geboren 1875) und Friedrich Hermann Hayn (1880-1917). Zum Zeitpunkt von Elses Geburt wohnte die Familie am Hausvogtei Platz 5 in Berlin. Ihr Vater arbeitete als Kaufmann. 

In erster Ehe heiratete Else Hayn am 14. August 1902 in Berlin Dr. med. Alfred Katzenstein. Ihr Mann stammte gebürtig aus Hamburg, wo er am 11. August 1868 als Sohn von Dr. Moses Katzenstein und dessen Ehefrau Fanni, geborene Meyer, zur Welt gekommen war. Das Paar wohnte in Hamburg in der Dammtorstraße 3. Ihr Ehemann verstarb knapp acht Jahre später, am 14. Februar 1910, in Kairo im Alter von 42 Jahren.

Am 30. Januar 1913 heiratete Else in Berlin den Konzertmeister Julian Gumpert. Er war am 5. Juni 1876 in Deutsch-Eylau zur Welt gekommen und lebte und arbeitete zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit in (Wuppertal-) Elberfeld, wo er als Erster Konzertmeister im Orchester der Stadt Elberfeld angestellt war.

Das Ehepaar lebte zunächst in Hösel in der Preußenstraße 8. Am 12. August 1916 mietete ihr Mann Räumlichkeiten in Düsseldorf in der Ehrenstraße 10 b. Ihr Mann gründete dort das nach ihm benannte Gumpert-Konservatorium. In seinem Konservatorium förderte er zunächst vor allem zukünftige Berufsmusiker an der Geige. Später zog er bekannte Lehrkräfte an sein Konservatorium. Er war damit sehr erfolgreich und zwischenzeitlich wurde überlegt, sein Konservatorium in städtische Trägerschaft zu überführen.

Am 6. Januar 1917 wurde die Tochter Rosemarie in Düsseldorf geboren. Sie erhielt von ihrem Vater schon mit drei Jahren Violinunterricht. Mit sieben Jahren wechselte die Tochter zur Bratsche, mit dreizehn trat sie in halböffentlichen Konzerten auf, danach auch bei öffentlichen Veranstaltungen im Gumpert-Konservatorium und in der Düsseldorfer Synagoge. 

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde ihrem Mann verboten an seinem Konservatorium „arische“ Schüler und Schülerinnen zu unterrichten. Mit Wirkung vom 5. August 1935 wurde ihr Ehemann auch aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen. Nun konnte er sich nur noch innerjüdisch musikalisch engagieren. So wurde ihr Ehemann Leiter des neu gegründeten Jüdischen Kammerorchesters Düsseldorf. Sie wohnten zunächst weiterhin in der Ehrenstraße 10 b.

Auch ihre Tochter konnte ihre Karriereplanung nicht wie gedacht einschlagen. Sie hatte eigentlich eine Anstellung an einem staatlichen Orchester angestrebt, doch dies war ihr nun verwehrt. Im September 1935 wurde sie am 1934 gegründeten Orchester des Jüdischen Kulturbunds in Frankfurt am Main aufgenommen und zog nach Frankfurt. Über das Orchester lernte ihre Tochter den Flötisten Günther Goldschmidt kennen und lieben. Ihr Verlobter war eigentlich bereits im März 1936 erfolgreich nach Schweden emigriert, kehrte aber wegen Rosmarie im Juni 1936 nach Deutschland zurück.

Am 9. November 1938 war ihre Tochter Rosemarie Gumpert bei ihnen in Düsseldorf. Die Wohnung der Familie in der Boltensternstraße 17 wurde nicht überfallen, aber sie bekamen Informationen über die zerstörte Synagoge und überfallene Bekannte. Möglicherweise wurden sie nicht überfallen, da sie erst 1938 umgezogen waren.

Ihre Tochter war zudem in großer Sorge über ihren Verlobten. Günther Goldschmidt war in Berlin. Auch seine Adresse wurde von SA-Banden nach Juden durchsucht. In letzter Minute konnte sich Günter Goldschmidt vor ihnen verstecken und über einen Hinterhof entkommen. Vom Bahnhof Zoologischer Garten nahm er den Nachtzug zu ihnen nach Düsseldorf. Als er am frühen Morgen vom Düsseldorfer Hauptbahnhof zu seinen zukünftigen Schwiegereltern ging, wurde er Augenzeuge von verwüsteten jüdischen Geschäften und Wohnungen. 

Auch für ihren Mann müssen die Ereignisse des Novemberpogroms ein Schock gewesen sein. Am 26. November 1938 beantragte ihr Ehemann Julian Gumpert einen Pass zur Ausreise nach Argentinien. Allerdings scheinbar nur für sich. Else Gumpert wusste davon nichts. Währenddessen plante ihre Tochter die standesamtliche Hochzeit. Rosemarie und Günther Goldschmidt heirateten am 13. Dezember 1938 in Düsseldorf. Zwei Tage später reisten sie nach Berlin zurück, wo beide an Konzertproben des Berliner Kulturbundes teilnahmen. 

Im Juli 1939 reiste ihr Ehemann Julian Gumpert nach Bremen. Wann er seine Frau über das eigentliche Ziel der Reise aufgeklärt hat, ist nicht bekannt. Allerdings gab er auch Umzugsgut auf, welches später im Bremer Freihafen beschlagnahmt wurde, daher ist zu vermuten, dass er mit seiner Frau im Vorfeld der Auswanderung gesprochen haben musste. Vielleicht wollte er sie ja nachholen. Julian Gumpert flog von Bremen mit einem Flugzeug nach Amsterdam. Aus den Niederlande emigrierte er weiter. Am 31. August 1939 erreichte er Ecuador. Am 16. September 1939 verstarb er dort an einem Herzinfarkt.

Else Gumpert zog am 10. Juli 1939 in die Kaiserswerther Straße 74. Sie wohnte dann ab dem 5. März 1940 kurzzeitig in Aachen. Im Hausbuch wurde vermerkt, dass Düsseldorf erster Wohnsitz blieb. Am 21. März 1940 zog sie aus Aachen wieder nach Düsseldorf in ein Zimmer in der Kaiserswerther Straße 74. Von dort zog sie am 27. September 1940 nach Berlin zu ihrer Tochter. Als Adresse wurde im Düsseldorfer Hausbuch „Tempelhof, Manfred-von-Richthofenstraße 160“ eingetragen.

Am 1. März 1941 erhielten ihre Tochter und ihr Schwiegersohn die Einreisevisa für die USA. Bis auch die Schiffspapiere ankamen, dauerte es noch ein Vierteljahr. Während der Wartezeit nahmen sie weiterhin an den Proben im Kulturbund-Orchester teil. 

Auch Toni Goldschmidt, die Mutter ihres Schwiegersohns und seine 1920 geborene Schwester Eva wohnten seit März 1940 in Berlin. Sie zogen am 15. März 1941 zu Else Gumpert in die Wohnung in der Manfred-von- Richthofenstraße 160 als Untermieter von Dorothea Hirschfeld (1877-1966). Das Haus gehörte ihr seit 1925. Sie hatte von 1920 bis 1933 als Ministerialrätin im Reichsarbeitsministerium gearbeitet.

Am 1. Juni 1941 verliessen ihre Tochter Rosemarie und deren Mann Günther Goldschmidt Berlin. Sie fuhren mit dem Zug nach Lissabon und von dort mit dem Schiff nach New York, wo sie am 21. Juni 1941 ankamen. Else Gumpert blieb in Berlin zurück, da sie keine Ausreisepapiere hatte.

Am 28. März 1942 wurde Else Gumpert von Berlin aus nach Trawniki bei Lublin in Polen deportiert. Vom Bahnhof Trawniki wurden die Betroffenen auf einer Straße rund 12 Kilometer westlich in das Ghetto Piaski geführt. Sie überlebte nicht.
Ihre Schwägerin Toni Goldschmidt wurde am 19. Oktober 1942 zusammen mit Tochter Eva von Berlin ins Ghetto Riga deportiert. Ihre Berliner Vermieterin Dorothea Hirschfeld überlebte die Deportation ins Ghetto Theresienstadt und kehrte Anfang August 1945 nach Berlin zurück.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf