Gedenkbuch

Schönbach, Ellen Golda

Ellen Golda Schönbach kam am 11. April 1924 als Tochter von Friedrich Fritz und Emilie Schönbach, geborene Fuchs, in Köln zur Welt. Ihre Schwester Helga war am 4. August 1921 in Köln zur Welt gekommen. Die Familie wohnte in Köln in der Brabanter Straße 13.

Am 4. November 1933 zog die Familie nach Düsseldorf in die Derendorfer Straße 13. Das Haus gehörte ihren Großeltern mütterlicherseits. Ihr Großvater Benjamin Fuchs war jedoch kurz nach ihrer Geburt am 17. Juni 1924 verstorben.

Am 14. Juli 1933, fünf Monate nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, emigrierte ihre Tante Selma Levy (1887-1943), geborene Fuchs, mit ihrem Ehemann Alfred Levy (1880-1943) in die Niederlande. Er änderte später in den Niederlanden seinen Nachnamen von Heinen zu Levy. Ellens Cousine Margot Levy (1911-1943) folgte ihren Eltern Selma und Alfred Levy am 23. Oktober 1934. Die Familie ihrer Tante bewohnte ein Haus in der Velasquezstraat 19 in Amsterdam. 

Ellen konnte als jüdisches Mädchen keine öffentliche Schule mehr besuchen und wurde stattdessen in der 1935 eröffneten Privaten Jüdischen Volksschule in der Kasernenstraße eingeschult. Von ihr sind Zeichnungen aus dem Kunstunterricht erhalten geblieben. Ob ihre ältere Schwester Helga ebenfalls die Jüdische Volksschule besuchte, ist unklar. Vermutlich war sie bereits zu alt für den Besuch der Volksschule, obwohl diese 1937 ein 10. Schuljahr einführte. In der Pogromnacht am 9./ 10. November 1938 wurde die Düsseldorfer Synagoge in Brand gesetzt. Das Rabbinerhaus, in dem die Private Jüdische Volksschule untergebracht war, wurde ebenfalls verwüstet. Schulunterricht konnte daher dort nicht mehr stattfinden. Drei Monate später, am 4. Januar 1939, schickten ihre Eltern Ellen, die zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt war, in die Niederlande. Ellen sollte bei der Familie ihrer Tante Selma Levy in Amsterdam unterkommen.

Währenddessen zogen ihre Eltern, ihre ältere Schwester Helga und ihrer Großmutter Regina Fuchs am 30. Januar 1939 wieder nach Köln. Eine Adresse dort war Steinweg 15. Ihre Eltern, ihre Schwester und ihre Großmutter versuchten, eine Emigration nach Amerika in die Wege zu leiten. Vermutlich stand Ellen im Briefkontakt mit ihren Eltern in Deutschland. 

Anders als geplant, konnte Ellen Schönbach nicht bei der Familie ihrer Tante Selma Levy in Amsterdam leben. Die zuständigen Behörden in den Niederlanden hatten entschieden, dass Ellen in einem Flüchtlingsheim für deutsche jüdische Kinder untergebracht werden soll. Ellen wurde innerhalb von zwei Jahren in sieben verschiedenen Flüchtlingsheimen untergebracht. 

Die frühen Bemühungen ihres Onkels Alfred Levy, seine Nichte zu sich zu holen, waren erfolglos. In einem Brief an das niederländische Kinderkomittee schrieb er am 26. Januar 1939: „[…] bitte ich höflichst meine Nichte Ellen Schönbach z.Zt. [in] Bergen a/Zee, mir doch zur persönlichen Versorgung freizugeben. Selbstverständlich bin gerne bereit für die bisher entstandenen Kosten aufzukommen. Die Verpflichtung für meine Nichte zu sorgen [sic!] übernahm ich in der Voraussetzung, das Kind in mein Haus nehmen zu können. […] Die Eltern des Kindes sind leider nicht in der Lage irgend welche Zahlungen hier zu leisten, im Gegenteil, ich muß diese wie auch noch andere Geschwister unterstützen, wodurch ich mehr als reichlich in Anspruch genommen bin.“
Zwischen 1939 und 1941 führte das Komitee für besondere jüdische Interessen, Abteilung Kinder, im Namen ihres Onkels Alfred Levy, etliche Korrespondenzen mit dem Innenministerium, Abteilung für Armut und Flüchtlinge, jedoch ohne Erfolg.
Schließlich kam Ellen Schönbach am 4. Januar 1939 zunächst in dem „Koloniehuis ‚Zeehuis‘“ im Verspeijkweg 5 in Bergen unter. Dort musste sie circa drei Monate leben, bis sie am 6. April 1939 in das „Ons Boschhuis“ in Driebergen-Rijssenburg, in der Nähe von Utrecht, verlegt wurde. Acht Wochen später, musste sie wieder die Unterkunft wechseln. Am 4. Juni 1939, sechs Monate nach ihrer Ankunft in den Niederlanden, war Ellen für sieben Tage im „Onze Bliscap“ in Amerongen. 

Ihre Eltern haben sich sicherlich Sorgen um ihre Tochter gemacht und sich gefragt, ob Ellen gut behandelt und versorgt wird. Bei ihrer Tante Selma hätte ihre Mutter Emilie sie in guten Händen gewusst und in Sicherheit gewiegt. Aus dem entfernten Deutschland konnte sie jedoch nichts an der Lage ihrer Tochter ändern. 

Vom 11. Juli 1939 bis zum 21. Juli 1939 war Ellen im „Bondshuis N.P.B“ in Soesterberg beherbergt. In dieser Zeit wurde Ellen krank. Trotz schwerer Krankheit war es ihr nicht gestattet worden, für längere Zeit bei den Levys zu leben und dort wieder gesund zu werden. Ellen kam schließlich am 21. Juli 1939 ins „Achterklooster“ in Rotterdam, wo sie ein halbes Jahr verbringen musste. Ellen wurde so krank, sodass sie im August 1939 in die Quarantänestation „Beneden Heyplaat“ in Rotterdam aufgenommen werden musste. Ihr Onkel versuchte sie für 14 Tage zu sich zu holen, wie einem Schreiben vom 28. August 1939 entnommen werden kann. Der Versuch blieb allerdings ohne Erfolg, sodass sich das Komitee für besondere jüdische Interessen drei Monate später, am 28. November 1939, erneut an das Innenministerium wand: „[…] ich bitte darum, dass das oben genannte Mädchen, das im Flüchtlingslager „Achterklooster“ in Rotterdam untergebracht ist, einen Aufenthalt bei ihrem Onkel und ihrer Tante, der Familie Alfred-Levy-Heinen, Verlasquezstraat 19, Amsterdam, verbringen darf. Wir unterstützen diesen Antrag, weil das Mädchen, das sich seit dem 4. Januar letzten Jahres in den Niederlanden aufhält, noch nie einen Aufenthaltsstatus hatte. Herr und Frau Levy-Heinen würden es sehr begrüßen, wenn das Kind Anfang Dezember zu ihnen kommen könnte, um die bevorstehenden jüdischen Feiertage mit ihnen zu verbringen.“
Der Antrag wurde am 2. Dezember 1939 bewilligt und Ellen durfte vom 6. bis zum 20. Dezember 1939  endlich zu ihren Verwandten. Die Genehmigung war jedoch nur befristet, und Ellen musste am 20. Dezember 1939 ihre Verwandten verlassen und wieder zurück ins „Achterklooster“ nach Amsterdam. Ellen war immer noch krank, wie aus dem Schreiben vom 24. Januar 1940 vom „Neutraal Comité Rotterdam tot hulp aan buitenlandsche kinderen“ hervorgeht: „Das Mädchen braucht diesen Urlaub dringend, da es krank ist.“ Ellen sollte erneut für einige Tage zu ihren Verwandten kommen. Der Antrag wurde allerdings am 26. Januar 1940 mit der Begründung: „[…] daß dem oben genannten Flüchtling kein längerer Urlaub gewährt werden kann, als nach dem Rundschreiben Nr. 6505 vom 24.6.1939 zulässig ist […]“, abgelehnt. Ellen musste also weiterhin im „Achterklooster“ bleiben. Vier Monate später, am 19. April 1940, kam sie ins „Burgerweeshuis“ in Amsterdam, wo sie bis zum 7. Mai 1940 blieb.

Ellen Schönbachs letzte Flüchtlingsunterkunft war die „Oostelijke Handelskade“ in Amsterdam, die sie am 7. Mai 1940 beziehen musste. Dort verbrachte sie ein Jahr. Ellen war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt und die kurzen Aufenthalte in den verschiedenen Flüchtlingsheimen, die sie immer wieder wechseln musste, setzen dem jungen Mädchen zu. Am 27. März 1941 durfte die sechszehnjährige Ellen endlich endgültig zu ihrer Tante Selma Levy und ihrem Onkel Alfred Levy ziehen, die in der Velasquezstraat 19 in Amsterdam lebten.

Die 1941 gegründete Zentralstelle für jüdische Auswanderung, die ihr Hauptquartier in Amsterdam hatte, regelte unter anderem die Deportation von Juden in die Vernichtungslager. Sie kollaborierten mit der Amsterdamer Polizei und der „Kolonne Henneicke“, eine Unterabteilung der Zentralstelle für jüdische Auswanderung. 54 niederländischen Männern machten es sich zur Aufgabe, untergetauchte Jüdinnen und Juden auszuliefern und zu verhaften. Sie kassierten für jeden „abgelieferten“ Juden eine Prämie von 7,50 Gulden (dies entspricht knapp 38 Euro). Juden standen immer mehr unter Beobachtung. Antijüdische Maßnahmen führten auch in den besetzten Niederlanden zu gesellschaftlicher Isolation, wirtschaftlicher Ausbeutung und Ausgrenzung von Jüdinnen und Juden. Der Alltag von Ellen Schönbach und ihren Verwandten wurde zunehmend gefährlicher.

Am 30. Oktober 1941 wurden ihre Mutter Emilie, ihr Vater Friedrich und ihre Schwester Helga von Köln ins Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert. Dort wohnten sie zunächst in der Mühlgasse 80. Sowohl ihre Mutter, als auch ihr Vater und ihre Schwester sollten im Mai 1942 aus dem Ghetto „ausgesiedelt“, d.h. ermordet werden. Sie legten am 30. April 1942 Widerspruch beim „Aussiedlungsbüro“ ein, welcher allerdings für alle Schönbachs abgelehnt wurde. Dennoch gelang es ihnen irgendwie im Ghetto zu bleiben. Ihre Mutter Emilie Schönbach und ihre Schwester Helga lebten noch gemeinsam in der Sperlinggasse 16.

Am 26. November 1941 wurde Ellen Schönbach als jüdischer Flüchtling in den Niederlanden registriert. Wenige Monate später musste auch sie einen gelben Stern mit dem Wort „Jood“ in der Öffentlichkeit tragen. Ellen Schönbach lebte noch ein weiteres Jahr bei ihrer Tante Selma Levy und deren Familie.

Am 15. Juli 1942 wurde sie im Durchgangslager Westerbork inhaftiert. Zu diesem Zeitpunkt war Ellen 18 Jahre alt. Sie war vermutlich nur drei Monate in Westerbork interniert. Einen Monat nach ihrer Ankunft in Westerbork, wurden die ersten „Häftlinge“ ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, darunter war später auch Ellen Schönbach. Am 30. September 1942 wurde Ellen in den Gaskammern des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau ermordet.

Ihr Vater Friedrich Schönbach verstarb am 30. Juli 1942 an einer Lungentuberkulose in einem der Krankenhäuser des Ghettos Litzmannstadt. Es ist nicht bekannt, wohin ihre Mutter Emilie und ihre Schwester Helga am 20. Januar 1944 deportiert wurden. In dieser Zeit wurden die Deportationen in das Vernichtungslager Chelmno wiederaufgenommen. So ist zu befürchten, dass Emilie Schönbach und ihre Helga Schönbach dort ermordet wurden.

Ihre Tante Selma, ihr Onkel Alfred und ihre Cousine Margot Levy überlebten die Shoah ebenfalls nicht. Sie wurden am 20. Juni 1943 ins Durchgangslager Westerbork deportiert. Dort wurden Selma und Margot Levy der Baracke 65 zugeordnet. Alfred und Selma Levy waren rund einen Monat in Westerbork interniert und wurden am 6. Juli 1943 ins Vernichtungslager Sobibór deportiert und dort nach ihrer Ankunft am 9. Juli 1943 ermordet.
Ihre Cousine Margot Levy wurde am 7. September 1943 gemeinsam mit 987 weiteren Menschen, die als Jüdinnen und Juden verfolgt wurden, ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort wurde Margot Levy nach der Selektion gemeinsam mit 105 weiteren Frauen des Transports als „Häftling“ in das Lager eingewiesen. Ihr weiterer Verbleib im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ist unbekannt. Sie wurde am 30. November 1943 für tot erklärt.

Autorin: Maren Marohn, Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e.V.