Gedenkbuch

Israel, Selma

geb. Mendel

Selma Mendel wurde am 8. Dezember 1882 in Wittlich geboren. Sie war die Tochter des Viehhändlers und Metzgers Simon Salomon Mendel (1844 – 1933) und seiner Frau Minna, geborene Blath (1851– 1924). Das Ehepaar hatte am 26. August 1873 in Wittlich geheiratet. Selma wuchs in einer jüdischen Familie mit fünf Geschwistern auf: Bertha (1874-1938), Oskar (1876–1942), Emma (1878–1944) und Daniel (1886–1942).

Am 25. Dezember 1908 gab Selma Mendel ihre Verlobung mit dem Fellhändler Hermann Wyngaard bekannt. Die Hochzeit fand wenige Monate später, am 3. Mai 1909, statt. Das Paar zog gemeinsam nach Düsseldorf. Auch ihr Bruder Daniel Mendel ließ sich in Düsseldorf nieder, nachdem er Emilie Simons aus Düsseldorf-Gerresheim geheiratet hatte.

Ihr Mann Hermann Wyngaard spezialisierte sich auf den Handel mit Hasen- und Rehfellen, die er überregional bezog und vertrieb. Am 10. März 1913 wurde in Düsseldorf ihr Sohn Hugo Wyngaard geboren. Als ihr Sohn sieben Jahre alt war, verstarb ihr Ehemann Hermann Wyngaard. Er starb am 13. Juli 1920 im Alter von nur 40 Jahren.

Nach dem Tod ihres ersten Ehemanns heiratete Selma Mendel in zweiter Ehe Armin Israel. Auch er war, ähnlich wie ihr Bruder Daniel, im Textilhandel tätig: Während Daniel in den 1920er Jahren ein Herrenmodengeschäft auf der Graf-Adolf-Straße 58 führte, betrieb Armin Israel ein Geschäft für Herrenausstattung in der Blücherstraße 2a. Als Selma Mendel 41 Jahre alt war, verstarb ihre Mutter Minna Mendel, geborene Blath, am 20. Oktober 1924 in Wittlich.

Gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann Armin Israel bewohnte Selma Mendel eine Wohnung in der Blücherstraße 2a in Düsseldorf. Im selben Haushalt lebte auch Ferdinand Wyngaard, der Bruder ihres verstorbenen ersten Ehemanns Hermann Wyngaard. Selma Mendel erzielte neben dem gemeinsam mit ihrem Ehemann geführten Geschäft für Herrenausstattung ein stetiges Einkommen durch die Vermietung von etwa acht möblierten Räumen. Diese befanden sich im zweiten und dritten Stockwerk des Hauses in der Blücherstraße 2a und waren aufgrund der zentralen Lage gut vermietbar. Ihr Sohn besuchte das Realgymnasium an der Scharnhorststraße und kam 1928 bei der Firma M. Klein gegenüber der Tonhalle in Düsseldorf in die Lehre.

Armin und Selma Israel führten ein gemeinsames Leben, bis die politischen Spannungen und die zunehmende Verfolgung der jüdischen Bevölkerung während der Herrschaft der Nationalsozialisten die Lebensumstände des Ehepaars tiefgreifend veränderten.
Ein Dokument der Geheimen Staatspolizei belegt, dass Selmas Sohn Hugo Wyngaard in Kyrkhult bei Löberöd (Schweden) als landwirtschaftlicher Arbeiter registriert war. Zudem wurde vermerkt, dass er im deutschen Konsulat in Malmö einen neuen Reisepass beantragt hatte. Er emigrierte später nach Argentinien, wo er am 5. April 1956 verstarb.

Selma Israel und ihrem Ehemann dagegen glückte eine rechtzeitige Emigration nicht. Am 10. November 1941 wurden Selma Israel, ihr Ehemann Armin Israel sowie Ferdinand Wyngaard, der Bruder ihres ersten verstorbenen Mannes, im Rahmen der zweiten großen Deportation aus Düsseldorf in das Ghetto Minsk verschleppt. Wenige Tage zuvor hatte im Ghetto von Minsk eine große Ermordungsaktion stattgefunden. Angehörige der SS, der Einsatzgruppe A sowie der Sicherheitspolizei und des SD erschossen etwa 12.000 Jüdinnen und Juden. Die leerstehenden Häuser im Ghetto wurden anschließend mit aus Deutschland deportierten Jüdinnen und Juden belegt. Zu diesen Deportierten gehörten auch Selma Israel, Armin Israel und Ferdinand Wyngaard.

Vor ihrer Deportation hatten sich Selma und Armin Israel beim zuständigen Polizeirevier offiziell abmelden müssen. In die Akten wurde „Umsiedlung nach Minsk“ eingetragen – ein Euphemismus, der die tatsächliche Zwangsmaßnahme verschleierte. Am Abend des 9. November 1941 hatten sie sich in der Deportationssammelstelle am Düsseldorfer Schlachthof eingefunden. In einer Abschrift eines Transportberichts, der im Bestand der Wiener Library erhalten ist, beschreibt der Hauptmann der Schutzpolizei und SS-Sturmbannführer Wilhelm Meurin unter dem Titel „Evakuierung von Juden nach Minsk“ die Deportation von Jüdinnen und Juden aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf. Demnach verließ der Transport mit 992 Menschen, darunter auch Selma Israel und ihr Ehemann Armin, den Güterbahnhof Düsseldorf-Derendorf um 10:40 Uhr. In Wuppertal-Steinbeck wurden weitere Personen in den Zug aufgenommen. Nach einer viertägigen Fahrt mit vielen Unterbrechungen kam der Zug schließlich in Minsk an. Meurin berichtet, dass die Deportierten zu diesem Zeitpunkt stark geschwächt waren, da der Zug oft unbeheizt stillstand und insbesondere nach dem Grenzübertritt in das sowjetische Gebiet kein Wasser mehr verfügbar war.

Von den meisten der aus Deutschland deportierten Jüdinnen und Juden, die nach Minsk gebracht wurden, wurden viele direkt in das nahegelegene Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet. Bei zahlreichen Personen verliert sich im weiteren Verlauf jede Spur. Auch über das Schicksal von Selma Israel liegen keine gesicherten Informationen vor – ihr weiterer Lebensweg nach der Ankunft in Minsk lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Laut Erbschein des Amtsgerichts Düsseldorf vom 6. November 1951 wurde Selma Israel rückwirkend zum 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Autor: Jürgen Woznitza, Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf