Herz, Walter
Walter Herz wurde am 22. September 1877 in Bochum geboren. Er hatte noch einen Bruder namens Richard. Ab 1907 lebte Walter Herz in Witten. Nachdem er im Ersten Weltkrieg als Leutnant gekämpft hatte, kehrte er nach Witten zurück und wurde Chefingenieur der „Mannesmann-Röhrenwerke“, die 1918 die „Wittener Stahlröhrenwerke“ übernommen hatten. Er wohnte in Witten im Haus Krummestraße 46.
Am 20. Februar 1923 heiratete er in Leipzig Gertrud Gottstein. Sie war am 8. November 1890 in Breslau als Tochter des Kaufmanns Gustav Gottstein und dessen Ehefrau Johanna, geborene Behrend, zur Welt gekommen. Gertrud hatte noch einen zwei Jahre jüngeren Bruder, Otto Gottstein. Die Familie unterhielt in den 1920er Jahren in Leipzig eine Firma, die mit Rauchwaren handelte. Am 27. Februar 1924 wurde in Leipzig das einzige Kind von Walter und Gertrud Herz geboren: Irene. Die Familie lebte aber eigentlich in Witten in der Krummestraße 46.
Im Juni 1931 hatte Walter Herz eine Bruchlandung mit einem Freiluftballon. Die Zeitung „Wittener Volkswacht“ berichtete darüber: „Gefährliche Dachlandung eines Freiballons. Der Freiballon Bochum II, Führer Richard Herz, Beifahrer Diplom-Ingenieur Walter Herz (Witten), Fabrikbesitzer Debrus (Düsseldorf) und Fräulein Schmitz (Essen) musste heute nachmittag 1 Uhr notlanden. Der Ballon war 7.30 Uhr zu einer Biedermeierfahrt aufgestiegen und geriet in 4000 Meter Höhe in sehr kalte Luftschichten, wodurch ein großer Gasverlust entstand. Der Ballon musste notlanden und geriet auf die Hausdächer in der Nähe des Marktes in Lüdenscheid. Der Ballon konnte von hilfsbereiten Händen heruntergezogen werden. Zum Glück wurde niemand verletzt.“
Zwei Jahre später kamen die Nationalsozialisten an die Macht in Deutschland. Diese verabschiedeten 1935 neue antisemitische Gesetze. Diese Rassengesetze waren für Walter Herz und seine Familie ein Schock. Obwohl alle drei evangelisch getauft waren, galten sie nun im Sinne der Nationalsozialisten als „Nichtarier“. Dies hatte auch Konsequenzen für die Arbeit von Walter Herz.
Im April 1937 zog die Familie nach Düsseldorf-Oberkassel. Walter Herz erhielt bei den „Mannesmann Werken“ in Ratingen eine Anstellung als technischer Zeichner. Die Familie wohnte im Haus Luegallee 83. Seine Tochter Irene wurde am 14. April 1937 in die Cecilienschule in Düsseldorf-Oberkassel aufgenommen. Bei der Anmeldung wurde ihre Religion als „evangelisch“ angegeben. Der geforderte „Ariernachweis“ konnte jedoch bei der Anmeldung nicht erbracht werden.
Während des Pogroms 1938 war Walter Herz mit seiner Familie in der Wohnung in der Luegallee. Seine Tochter Irene erinnerte sich später in einem Interview mit der Mahn- und Gedenkstätte an die Situation: „Wir gingen immer wieder in die Wohnung zurück und da war nichts, kein Geräusch von zerbrechenden Möbeln, kein Geräusch von irgendetwas. Wir haben den ganzen Tag gewartet, dass sie kommen, es kam niemand. Es wurde Nacht und wir hörten, dass die Leute verhaftet werden sollten, dass die Männer abgeführt werden sollten. Wir haben bis Mitternacht gewartet, nichts. Meine Eltern erzählten mir am nächsten Tag, dass, nachdem ich eingeschlafen war, die Polizei kam, um meinen Vater zu holen. Mein Vater war Offizier im Krieg, Eisernes Kreuz, und sie hatten schon gesagt, dass Juden keine Waffen haben durften. Er hatte auch seinen Offiziersdegen und ein Bajonett. Als die Polizei kam, um ihn zu verhaften, sagte er: „Gut, da Sie hier sind, darf ich Ihnen meinen Degen geben? Ich darf Ihnen mein Schwert geben.“ Er sah ihn an und sagte: „Das kann ich nicht tun. Ich kann das Schwert nicht mitnehmen und ich kann Sie auch nicht verhaften. Sie sind ranghöher als ich, ich muss erst meinen Vorgesetzten fragen, und wenn Sie von mir nichts hören, kommen Sie auf die Polizeiwache.“ Der Morgen kam und wir hatten nichts gehört. Mein Vater hat einen kleinen Koffer gepackt, ihn aber nicht mitgenommen. Er sagte, das wäre zu schade. Wenn er verhaftet wird, sollen wir ihm den Koffer bringen. Dann ging er zur Polizeiwache.“
Walter Herz wurde jedoch nicht verhaftet und konnte nach Hause gehen. In den nächsten Tagen hörte er aber von den vielen Überfällen und Verhaftungen, so dass er und seine Frau beschlossen, Irene nach England zu schicken. Irene Herz konnte im Juni 1939 mit einem der Kindertransporte ausreisen. Ihnen selbst glückte die rechtzeitige Emigration nicht. Zuletzt mussten sie in die Goethestraße 12 umziehen.
Ihre Tochter Irene erinnert sich an das letzte Lebenszeichen ihrer Eltern: „Sie schickten mir eine Postkarte, bevor sie nach Minsk gingen. Darauf schrieben sie nur: „Wir gehen jetzt nach Minsk„, an diesem und jenem Tag.“ Walter Herz wurde mit seiner Ehefrau Gertrud am 10. November 1941 nach Minsk deportiert. Sie haben nicht überlebt.